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Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw) hat mehr als 115.000 Mitglieder. Wir vertreten die Reservisten in allen militärischen Angelegenheiten.

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Eine neue Rolle für den Reservistenverband




Generalleutnant Peter Schelzig, Stellvertreter des Generalinspekteurs und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr, über künftige Wege bei der Rekrutierung geeigneter Reserve-Soldaten und seine Erwartungen an den Reservistenverband.

Herr General, wann wird der Reservedienst endlich attraktiver?
Ich kann derzeit nicht feststellen, dass wir ein Attraktivitätsdefizit in der Reserve haben. Das Interesse am Reservedienst ist jedenfalls ungebrochen groß.

Gleichwohl klagen Reservisten immer wieder über die Bezahlung oder über Probleme, für Wehrübungen vom Arbeitgeber freigestellt zu werden. Sehen Sie keine Notwendigkeit, hieran etwas zu ändern?
Es wird an vielen Stellen gearbeitet, auch bei der Bezahlung. Wir sind schon weit gekommen, etwa wenn es darum geht, Reservisten analog zu ihren aktiven Pendants zu besolden. Doch das Verteidigungsministerium allein kann über Veränderungen wie diese nicht befinden. Wir brauchen dazu auch die Zustimmung des Innen- und Finanzministeriums.  

Und wie wollen Sie das inzwischen seit vielen Jahren bestehende Problem der Freiwilligkeit von Reserveübungen angehen?
Hier brauchen wir neue Konzepte. Wir müssen viel stärker als bisher mit den Arbeitgebern in Deutschland zusammenarbeiten, nicht nur, um Reservisten für den Dienst freizustellen, sondern – mindestens ebenso wichtig – um Nachwuchs für die Bundeswehr zu gewinnen. Wir wissen, dass uns die Bewerber nicht mehr vor das Kasernentor gestellt werden. Wir werden die jungen Leute wohl nur noch mit einem attraktiven Angebot zu uns holen können.

Was für ein Angebot?
Wir diskutieren derzeit mehrere Modelle, eines davon ist ein Drei-Phasen-Modell. Die erste Phase besteht darin, dass sich ein Bewerber auf Zeit verpflichtet und neben der militärischen auch eine vollwertige zivile Ausbildung bekommt. Während der Phase zwei soll er in seinem (zivilen) Beruf für eine gewisse Zeit arbeiten, aber auch regelmäßig zum Reservedienst freigestellt werden und zwar nicht nur für zwei Wochen pro Jahr. In der dritten Phase steht der Soldat seinem Arbeitgeber dann voll zur Verfügung und bleibt unbeorderter Reservist. Die Wirtschaft hat allerdings signalisiert, dass sie hierzu noch erheblichen Redebedarf sieht. Ziel ist es, in absehbarer Zeit die ersten Pilotprojekte zu starten.

Das käme einer Revolution gleich. Was führt Sie zu solchen Überlegungen?
Wir müssen uns über unsere begrenzten Ressourcen bei der Nachwuchsrekrutierung im Klaren sein. Die Suche nach geeigneten aktiven Soldaten und Reservisten kann man nicht mehr voneinander losgelöst betrachten. Das funktioniert in Anbetracht der demographischen Entwicklung und der Realitäten in unserer Gesellschaft nicht mehr. Und in diesem Zusammenhang brauchen wir dann auch die Unterstützung des Reservistenverbands.

Wie kann der Reservistenverband helfen?
Wie das konkret aussehen könnte, werden wir gemeinsam entscheiden. Wir erarbeiten derzeit gemeinsam ein Konzept über die künftige Zusammenarbeit von Bundeswehr und Verband. Wir haben zum Beispiel großes Interesse daran, mit den vielen im Verband organisierten Wirtschaftsvertretern ins Gespräch zu kommen. Diese ehemaligen Soldaten kennen zum einen die Bundeswehr, zum anderen aber die Wirtschaft. Das macht sie für uns so interessant. Wir indes kennen in der Regel unsere Bundeswehr und wissen noch nicht genügend über die Realitäten in der Wirtschaft.

Welche Erwartungen stellen Sie noch an den Reservistenverband?
Wir beabsichtigen, Teile der militärischen Ausbildung von Reservisten in die Reserve auszulagern. Und bei der Reserve ist der Verband unser Hauptansprechpartner. Es geht um individuelle Grundfähigkeiten wie den Umgang mit der Waffe, die körperliche Fitness und die Sanitätsausbildung. Der Vorteil läge darin, dass das Training der Reservisten heimatnah stattfände. Vielen ist das wichtig. Außerdem erwarten wir vom Verband, dass er noch stärker als bisher seiner Rolle als Mittler in der Gesellschaft nachkommt und für die Belange der Bundeswehr wirbt. Er ist dazu aufgrund seiner Präsenz im ganzen Land geradezu prädestiniert. Dazu müssen die Verbandsmitglieder die Streitkräfte aber kompetent und glaubhaft vertreten können.

Sehen Sie den Reservistenverband dazu richtig aufgestellt?
Zunächst stellt sich mir die Frage, ob die Bundeswehr bereits richtig aufgestellt ist. Die Neuausrichtung soll Ende 2017 abgeschlossen sein. Der Reservistenverband muss nachziehen und ist dabei auf einem guten Weg. Er hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet und erkannt, dass er in seiner bisherigen Form nicht so aufgestellt ist, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Ich will es klar formulieren: Es geht um die Zukunft des Reservistenverbands. Noch gleicht er eher einem Verein und ist nicht in der Lage, die Rolle zu spielen, die ihm in der neuen Bundeswehr zugedacht ist. Wir als Bundeswehr wollen, dass der Verband unser Hauptansprechpartner bei Reservistenangelegenheiten außerhalb der Bundeswehr bleibt.

Wie wird das Verteidigungsministerium den Verband bei diesem schwierigen Vorhaben unterstützen?
Wir werden den Prozess der Neuausrichtung aktiv begleiten. Die ersten Ansätze innerhalb des Verbands stimmen mich zuversichtlich, dass der Umbauprozess gelingen kann. Da können wir als Bundeswehr jetzt andocken und unterstützen. Es geht ja auch um Geld. Der Verband erhält jährlich knapp 14 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt. Dieses Geld muss vernünftig angelegt sein, auch in einen Service für die Bundeswehr.

Der Reservistenverband wirkt aktiv bei der Aufstellung der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSU) mit. In den RSU werden immer wieder Materialmängel angezeigt. Vor allem fehle Gerät zum Üben. Wie wollen Sie hier gegensteuern?
Die Kritik ist angekommen und akzeptiert. Wichtig ist aber, das Gesamtbild im Auge zu behalten. Wenn den Reservisten Gerät zur Verfügung gestellt wird, müssen sie es auch warten können. Manche RSU-Kompanie ist damit überfordert. Daher ist zunächst eine vernünftige Partnerschaft mit einem aktiven Verband vonnöten. Er muss das Material zum Ausbilden und zum Üben zur Verfügung stellen. Das ist unsere Bringschuld. Hier müssen wir als Bundeswehrführung noch stärker auf die entsprechenden Verbände einwirken.

Ein partnerschaftliches Verhältnis von aktiver Truppe und Reserve sollte selbstverständlich sein. Warum klappt das nicht?
Wir müssen in der aktiven Truppe ein viel stärkeres Verständnis für die Reservisten wecken. Ich will nicht bestreiten, dass es hier und dort eine gewisse Skepsis gegenüber der Reserve gibt. Diese gilt es, durch engeres Verzahnen von Aktiven und Reservisten vor Ort aufzubrechen. Das Material aber werden wir nicht, wie das einige vorgeschlagen haben, in die alleinige Verantwortung der Reservisten übergeben können. Hier geht es ja auch um Waffen, für deren Aufbewahrung es klare Regelungen und Vorschriften gibt. Wichtig ist aber, dass Gerät und Material der Reserve zur Verfügung stehen, wenn sie es für Übungen oder Einsätze benötigt.

Die Skepsis in der aktiven Truppe gegenüber der Reserve gibt es nicht erst seit gestern. Warum gibt es keine spürbaren Fortschritte im Verhältnis von Aktiven und Reserve?
Vielleicht weil auf beiden Seiten zu wenig Interesse an gegenseitigen Kontakten besteht. Es gibt auch immer weniger gemeinsame Aktionen, zu wenige Gelegenheiten, um den gegenseitigen Nutzen erkennen zu können. Wichtig ist es, der Reserve realistische Aufgaben zu übertragen, die sie bewerkstelligen kann. Dann wird auch die aktive Truppe erkennen, dass die Reserve nicht das fünfte Rad am Wagen ist und überaus nützlich sein kann.

Wie sind die ersten Erfahrungen beim Einsatz der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte ausgefallen?
Die RSU-Kräfte zum Beispiel aus Bremen waren im Kampf gegen das Hochwasser in Ostdeutschland eingesetzt. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Solche Aktionen sind ein Beispiel, wie der Zusammenhalt zwischen aktiver Truppe und Reserve gestärkt werden kann.

Wie weit ist die Umgliederung der Reserve vorangeschritten?
Derzeit werden die mobilmachungsbeorderten Reservisten von den alten in die neuen Bundeswehrstrukturen umgeplant. Ich empfehle allen Reservisten, die ihre Stelle verloren haben und weiter dienen wollen, sich an das Kompetenzzentrum für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr in Bonn zu wenden.

Findet die Bundeswehr genügend Reservisten, die sie wirklich gebrauchen kann?
In der Tat fehlt uns das Fachpersonal der mittleren Ebene, also Ober-, Haupt- oder Stabsfeldwebel mit speziellen Qualifikationen. Diese Soldaten verlassen die Bundeswehr in der Regel nach zwölf Jahren bestens ausgebildet, sind Mitte 30 und stehen in der Reserve kaum mehr zur Verfügung, weil sie ein ziviler Arbeitgeber verständlicherweise nicht mehr weglässt. Selbst wenn der Reservist es also wollte, wäre es für ihn schwierig, noch hin und wieder Dienst zu leisten. Hier ist unser Hauptproblem: Wir bilden die Leute umfassend und langwierig aus, haben aber nur begrenzte Zeit etwas davon. Das muss künftig anders werden.

Von welchen Zeithorizonten reden Sie bei der Umgliederung der Reserve?
Es ist schwierig, eine Zeitspanne zu nennen. Wir stehen erst am Anfang. Das mittelfristige Ziel lautet, in zehn Jahren eine neue, funktionierende Reserve geschaffen zu haben.

Herr General, vielen Dank für das Gespräch.

             

Das Gespräch führte Marco Seliger.

Bild oben:
Peter Schelzig ist seit 1. Mai 2013 Stellvertreter des Generalinspekteurs.
Er war Pilot auf dem "Starfighter", später auf dem "Tornado" und
führte als Kommodore das Einsatzgeschwader 1 der Bundeswehr
während des Kosovokriegs von April bis Juni 1999. Nach wechselnden
Tätigkeiten in der Luftwaffe und im Verteidigungsministerium
war Schelzig bis April 2013 Befehlshaber des Luftwaffenführungs-
kommandos in Köln-Wahn. (Foto: Bundeswehr/Mandt)

Bild Mitte:
Wettkampfgruppe bei der Deutschen Reservisten-
meisterschaft 2011 in Daaden. Künftig will die
Bundeswehr der Reserve "neue, realistische"
Aufgaben übertragen. (Foto: Jonas Ratermann/loyal)

Bild unten:
Reserve-Soldaten helfen in Bayern, die Folgen eines Hochwassers
zu beseitigen. Einsätze wie diese gehören künftig vermehrt zu ihren
Aufgaben. (Foto: Eberhard Grein / Reservistenverband)

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