Am 11. Januar 2000 schuf der Europäische Gerichtshof mit der „Kreil-Entscheidung“ die rechtliche Grundlage dafür, dass Frauen in der Bundeswehr aktiv Militärdienst leisten dürfen. Bis dato standen den Soldatinnen lediglich Laufbahnen im Sanitätsdienst und in der Militärmusik offen. Das änderte sich mit Tanja Kreil, einer gelernten Elektronikerin aus Hannover, die vor dem dortigen Verwaltungsgericht Klage einreichte und letzten Endes Recht bekam. Mehr als 20 Jahre später sind Frauen in der Truppe selbstverständlich. 13 Prozent der Bundeswehrangehörigen sind weiblich. Im Reservistenverband sind sie mit rund vier Prozent jedoch unterrepräsentiert.
Leben von Selbstverständlichkeiten
Um das zu ändern, hat sich am Wochenende – in Hannover – zum ersten Mal eine Arbeitsgruppe rund um Oberleutnant zur See der Reserve Juliane Witt getroffen. Sie ist die Frauenbeauftragte des Präsidiums des Reservistenverbandes. Bei der Hybridveranstaltung (zehn Teilnehmerinnen in Präsenz, mehr als 20 per Videoschalte) wurde schnell klar: Es geht hier nicht um eine Sonderbehandlung für Frauen, sondern um das Leben von Selbstverständlichkeiten. Denn in Uniform wollen die Frauen nicht „die Frau“ sein, sondern einfach nur die Kameradin, auf die man sich verlassen kann.
„Man muss noch immer gegen das Rollenbild ankämpfen. Zum Teil treffe ich immer noch auf eine antiquierte Denkweise“, berichtete beispielsweise Sandra Leisering. Die Stabsgefreite der Reserve ist Vorsitzende der 1. Reservistenkameradschaft Wiesbaden mit rund 300 Mitgliedern. „Ich trage die gleiche Uniform und bin genauso befähigt wie meine männlichen Kameraden. Da kann man schonmal gegenseitigen Respekt einfordern. Es gibt keine Grundlage, um über Selbstverständlichkeiten zu diskutieren.“
„Wir sind gut in dem, was wir tun!“
Dem pflichtete Hauptfeldwebel der Reserve Alexandra-Desirée Spürck bei: „Wir wissen alle, was wir im Dienst geleistet haben. Ich muss da keinem Mann nacheifern, sondern bringe schlichtweg mein Fachwissen ein.“ Die junge Frau ist der einzige weibliche beorderte Feldwebel für Reservistenangelegenheiten in NRW. „Wir sollten mit dem Selbstverständnis an die Sache rangehen, dass wir gut sind in Uniform!“ Eine gewisse Sonderbehandlung gehe auch eher von den Männern aus, berichtete eine junge Frau aus dem Online-Plenum. „Dabei fordere ich diese gar nicht ein.“ Vielmehr seien es die Männer, die dann den Rucksack tragen wollten.
Generell ging es bei dieser Auftaktveranstaltung unter dem Titel „Frau-dRBw“ erst einmal darum, abzuklopfen, wie die Frauen im Verband ticken, sich zu vernetzen und sichtbarer zu werden. Um herauszufinden, wie man den Reservistenverband für die Kameradinnen attraktiver gestalten kann, werden die Frauen eine Umfrage anregen, um Wünsche und Bedarf festzustellen. Eine Frauenquote in Vorständen oder Wettkampfmannschaften lehnten sie mehrheitlich ab. Vielmehr soll ein Kulturwandel angestoßen werden, von dem am Ende der gesamte Verband profitiert.
Es geht mehr ums große Ganze
In der Diskussion wurde nämlich schnell klar: Es geht hier nicht ausschließlich um „Frauenthemen“, sondern um das große Ganze. Wie kann der Verband attraktiver werden für junge Menschen – egal welchen Geschlechts? Wie kann man neue Mitglieder werben und diese vor allem auch halten? Wie kann man Begeisterung wecken für die Anliegen der Reserve? Mit welchen Angeboten kann der Verband bei jungen Menschen punkten?
Allein das zeigt schon, dass es sich hier um Kameradinnen handelt. Einfach nur um Kameradinnen.
So geht es weiter
Die Umfrage wird derzeit ausgearbeitet und anschließend in Absprache und Abstimmung mit dem Präsidium an alle weiblichen Mitglieder versandt. Das nächste Treffen soll dann im Herbst in Magdeburg unter der Leitung von Oberstabsgefreiter d.R. Sabine Unze stattfinden. „Dort sollen dann praktische Lösungen zu Problemen ausgearbeitet werden, die die Umfrage vielleicht ans Licht führt. Außerdem wollen wir uns mit dem Thema Mitgliedergewinnung befassen und ein Konzept erarbeiten, wie die aus dem Dienst ausscheidenden Soldatinnen gewonnen werden können. Es wäre schön, wenn sich jede Landesgruppe an dem Arbeitskreis mit einer Vertreterin oder Beauftragten beteiligt“, sagte Juliane Witt. Interessierte Frauen können per E-Mail den Kontakt zu ihr aufnehmen.