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Freiwilliger Wehrdienst: Besser als sein Ruf




Eine neue Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zeigt: Es sind weder die schlechten Schüler, die freiwillig Wehrdienst leisten, noch ist die Abbrecherquote beim Freiwilligen Wehrdienst höher als bei anderen Ausbildungsberufen. Dr. Thomas Bulmahn, der Leiter der Studie, räumt mit Vorurteilen auf.

loyal: Herr Bulmahn, bisher hieß es, viele freiwillig Wehrdienstleistende würden vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden, weil ihnen die Disziplin oder das frühe Aufstehen zu viel ist. Nun zeigt Ihre Studie, dass sich zwei Drittel der jungen Leute intellektuell und körperlich eher unterfordert fühlen. Wie passt das zusammen?
Bulmahn: Grundsätzlich sind die meisten jungen Männer und Frauen, die den Freiwilligen Wehrdienst leisten, hoch motiviert und leistungsbereit. Das ist das zentrale Ergebnis unserer Studie, für die wir mehr als 6.000 freiwillig Wehrdienstleistende befragt haben. Sie wollen sich engagieren, Verantwortung übernehmen, und sie suchen eine herausfordernde und verantwortungsvolle Tätigkeit. Während der Grundausbildung werden diese hohen Erwartungen weitgehend erfüllt, die Soldaten sind zufrieden und empfehlen den Dienst im Freundeskreis weiter. Unterfordert fühlen sie sich dann in den Stammeinheiten. Hier herrscht zu oft Langeweile. Allerdings darf man bei der Diskussion zum Thema Unterforderung auch nicht vergessen, dass 69 Prozent der jungen Männer und Frauen am Ende ihrer Dienstzeit mit dem Freiwilligen Wehrdienst zufrieden sind.  Nur acht Prozent sind unzufrieden. Der Freiwillige Wehrdienst ist also bereits sehr attraktiv.

Hans-Peter Bartels, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, erklärt sich die Unterforderung der Soldaten durch die falsche Konstruktion des Freiwilligen Wehrdienstes. Es seien nur für 5.000 Rekruten feste Dienstposten vorhanden. Was sagt die Studie dazu aus?
Wichtig ist, dass die jungen Männer und Frauen nach der Grundausbildung vernünftig eingesetzt werden. Sie müssen sinnvolle Aufgaben bekommen. Das war zumindest zum Zeitpunkt unserer Befragung im Jahr 2013 nicht immer der Fall. Nur etwa jeder Dritte fand die dienstliche Tätigkeit in der Stammeinheit im Rückblick interessant und sinnvoll. Zu viele junge Leute haben den Dienst noch als langweilig und demotivierend empfunden. Hier gibt es für die Bundeswehr noch einiges zu tun.  

In den Medien heißt es oft, die Bundeswehr sei für junge Leute wenig attraktiv: zu wenig Selbstbestimmung, zu schlechte Ausstattung der Stuben. Wie sehen junge Leute die Bundeswehr?
Im vorigen Jahr haben 10.230 junge Männer und Frauen ihren Freiwilligen Wehrdienst angetreten. Allein diese Zahl belegt, wie groß das Interesse von Jugendlichen an der Bundeswehr ist. Unsere Jugendstudien zeigen zudem, dass der Arbeitgeber Bundeswehr durchaus differenziert wahrgenommen wird. Neben einigen Stärken werden dabei auch zahlreiche Schwächen deutlich. Als Stärken werden die gute Bezahlung, der Schutz vor Arbeitslosigkeit, die Kameradschaft und die Aus- und Weiterbildung bei der Bundeswehr gesehen. Auf der anderen Seite glauben viele junge Leute nicht, dass sie Dienst und Familie miteinander vereinbaren können, dass sie sich bei der Bundeswehr entfalten und entwickeln oder dass sie Karriere machen können. Wenn die Bundeswehr im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern bestehen will, muss sie diese Defizite abstellen. Die Maßnahmen der Attraktivitätsagenda weisen hier in die richtige Richtung.

Wer entscheidet sich für den Freiwilligen Wehrdienst: Sind es Rambo-Typen oder schlechte Schüler, die woanders keine Chance haben?
Weder noch! Vor der Einführung des Freiwilligen Wehrdienstes wurde von vielen die Befürchtung geäußert, dass bald nur noch soziale Randgruppen aus strukturschwachen Regionen zur Bundeswehr kommen. Die Bundeswehr werde sich zu einer "Unterschichtenarmee" entwickeln, lautete die düstere Prophezeiung. Die Realität ist eine andere. Die jungen Männer und Frauen, die Freiwilligen Wehrdienst leisten, kommen aus allen sozialen Schichten und Regionen Deutschlands. Da sind Hauptschulabsolventen aus Bayern ebenso dabei wie Jugendliche mit Hochschulreife aus Berlin. Für die Bundeswehr besonders erfreulich: Immer mehr junge Frauen interessieren sich für den Freiwilligen Wehrdienst. Im Jahr 2011 lag ihr Anteil noch bei 2,8 Prozent, im vergangenen Jahr waren es bereits 12,4 Prozent. Das ist eine wirklich bemerkenswerte Entwicklung.

Die Bundeswehr hat zuletzt ihre körperlichen Anforderungen für Mannschaften heruntergesetzt. Wie sieht es bei der körperlichen Fitness der freiwillig Wehrdienstleistenden aus?
Ich denke, das ist ein generelles Problem. Viele Jugendliche können heutzutage besser mit ihrem Smartphone umgehen als mit einem Fußball. Die Bundeswehr muss sich auf diese veränderte Lage einstellen. Man muss der körperlichen Fitness im Rahmen der Ausbildung wieder mehr Bedeutung beimessen. Soweit ich das beurteilen kann, wird das auch schon getan.

"Wir. Dienen. Deutschland" ist der Slogan der Bundeswehr, um junge Leute zu werben. Ist es wirklich Idealismus, der junge Leute dazu bringt, Wehrdienst zu leisten?
Ja und nein! Ja, weil die intrinsische Motivation der freiwilligen Wehrdienstleistenden erstaunlich groß ist: Sieben von zehn Befragten geben als Grund für den Wehrdienst an, dass sie etwas für ihr Land tun wollen, und drei Viertel sagen, sie wollen Verantwortung übernehmen. Nein, weil es eben nicht nur Idealismus ist. Die meisten wollen sich in dieser Zeit auch persönlich weiterentwickeln, sie wollen etwas lernen, etwas erleben und auch Geld verdienen. Diese Kombination unterschiedlichster Motivlagen findet sich übrigens nicht nur bei den freiwilligen Wehrdienstleistenden, sondern auch bei jungen Leuten, die Zivildienst leisten.

Mit dem Attraktivitätsgesetz von Ministerin von der Leyen kommen jetzt moderne Einzelstuben mit Bad, Computer und Kühlschrank in die Kasernen. Ist es das, was sich die jungen Wehrdienstleistenden vom Dienstgeber Bundeswehr wünschen?
Unsere Untersuchungen zeigen, dass Jugendliche vielschichtige Erwartungen an die Bundeswehr  haben. Hierzu gehören neben Kameradschaft, vorbildlichen Vorgesetzten, einer sinnvollen Tätigkeit und einer soliden Aus- und Weiterbildung eben auch gute Unterkünfte. Wer jungen Leuten eine berufliche Zukunft versprechen will, kann sie nicht in Kasernen aus der Vergangenheit unterbringen.

In den Medien hört man oft von einer hohen Abbrecherquote bei den Wehrdienstleistenden. Warum brechen die Soldaten ihren Dienst ab?
Man kann davon ausgehen, dass vielen jungen Leuten die Entscheidung, Soldat zu werden, nicht leicht fällt. Das Angebot, diesen Entschluss in den ersten Monaten relativ unkompliziert zu widerrufen, ist daher wichtig. Von dieser Möglichkeit macht rund ein Viertel der jungen Männer und Frauen Gebrauch. Im vergangenen Jahr waren es 23,3 Prozent. Neben den ungewohnten Herausforderungen im Rahmen der Grundausbildung spielen auch private Gründe eine Rolle. Viele kommen beispielsweise mit der Trennung von der Familie und den Freunden nicht zurecht. Die Tatsache, dass auch 23 Prozent der Ausbildungsverträge in zivilen Ausbildungsberufen vorzeitig gelöst werden, zeigt aber, dass die Abbrecherquote beim Freiwilligen Wehrdienst nicht außergewöhnlich hoch ist.

Dr. Thomas Bulmahn ist Projektleiter am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Er leitete die zwei Einzelstudien zur Bewertung des Freiwilligen Wehrdiensts. Sie wurden zwischen Juli 2011 und April 2012 durchgeführt und erst jetzt veröffentlicht. Die Ergebnisse der Studien sind abrufbar unter: www.mgfa-potsdam.de

Das Interview führte Julia Egleder

Bild oben:
Freiwillig Wehrdienstleistende.
(Foto: Jane Hannemann / Bundeswehr)

Bild unten:
Dr. Thomas Bulmahn.
(Foto: privat)

 

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