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Pflichtdienst als Einstieg in die Berufsausbildung nutzen

Bei der Beurteilung der Chancen und Risiken einer allgemeinen Dienstpflicht sollte der Fokus weg von der Lage der Bundeswehr und den hohen Einführungskosten hin zu einer breiteren und langfristigeren Betrachtung verschoben werden. Als sinnvoll könnte sich hier die Perspektive einer gesamtsystemischen Resilienzsteigerung erweisen – außerdem lassen sich durchaus auch ökonomische Potenziale einer solchen Reform ausmachen.

Symbolbild: Soldaten der Instandsetzungskompanie des Logistikbataillons 131 reparieren die Kette und das Fahrwerk eines Schützenpanzers Marder 1A3. Eine Dienstpflicht könnte den Weg in verschiedene Berufe öffnen, meinen unsere Gastautoren.

Foto: Bundeswehr/Selsemeier

Dienstpflichtresilienzwirtschaft

Über die Notwendigkeit zur Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht wird seit dem russischen Überfall auf die Ukraine wieder mit steigender Intensität diskutiert. Zahlreiche Vertreter aus Parlament und Parteien erteilen derlei Vorstößen jedoch regelmäßig eine Absage. Häufig werden dabei neben verteidigungspolitischen und rechtlichen auch ökonomische Argumente angeführt. Gleichzeitig gelingt es seit etlichen Jahren nicht, die eklatanten Personalprobleme bei der Bundeswehr und in Sozialberufen zu lösen – trotz kostspieliger Werbeoffensiven und zahlreicher Maßnahmen der Attraktivitätssteigerung. Das allseits bekannte Demografieproblem leistet hier sein Übriges: Durch die kontinuierliche Verschmälerung der heranwachsenden Jahrgänge müsste die Eintrittsquote in betroffene Tätigkeitszweige sogar stark und stetig steigen, um genügend Nachwuchs gewinnen zu können. Ein solcher Trend ist bislang allerdings nicht feststellbar.

Der lange verfolgte, effizienzorientierte Ansatz, das Gros von Aufgaben der Verteidigung, des Bevölkerungsschutzes oder der Gesundheitsversorgung an einige wenige, beziehungsweise immer weniger Mitglieder der Gesellschaft auszulagern, hat sich im Angesicht langwieriger und komplexer Krisen als nicht überzeugend erwiesen. Dies hat zuletzt die Bekämpfung der Corona-Pandemie schonungslos vor Augen geführt, die nur unter großangelegter Unterstützung der Bundeswehr gestemmt werden konnte. Betrachtet man weitere herausfordernde Großereignisse der vergangenen Jahre, drängt sich insgesamt die Beobachtung auf, dass das tatsächlich abrufbare (zivile) Kräftepotenzial stark limitiert zu sein scheint.

Wie soll gesamtstaatliche Resilienz gelingen?

Hinzu kommt: Die durch die Bundesregierung angestrebte Herstellung einer vollumfänglichen Einsatz- und Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr stellt einen immensen Kraftakt für die Streitkräfte dar. Absehbar wird hierfür eine Bündelung aller verfügbaren und dabei ohnehin schon knappen Personalressourcen notwendig sein. Parallel dazu ist eine angemessene zivile Aufwuchs- und Durchhaltefähigkeit für umfassende Krisenlagen nicht gegeben. Wie unter diesen Vorzeichen ein ausreichender Grad an gesamtstaatlicher Resilienz sichergestellt werden soll, bleibt bislang unklar.

Ein Hauptargument der Gegner eines geschlechterübergreifenden Pflichtdienstes sind die absehbar hohen Kosten, mit denen zu rechnen wäre – allein schon aufgrund der Bezahlung des einzusetzenden Personals. Die Abkehr von der Wehrpflicht im Jahr 2011 stand jedenfalls insbesondere unter der Prämisse von Ausgabenreduktionen in Milliardenhöhe. Zur damaligen Zeit wurde allerdings auch prognostiziert, dass sich die Zahl der Studienanfänger durch eine Aussetzung der Wehrpflicht eklatant, nämlich bis 2015 um 34.600 bis 59.000 jährlich, erhöhen würde. Im Umkehrschluss sollte also nicht vernachlässigt werden, dass sich durch einen Pflichtdienst veränderte Zulassungszahlen an Universitäten und Ausbildungseinrichtungen auch in reduzierten staatlichen Bildungsausgaben niederschlagen dürften.

Gesamten Ausbildungsmarkt attraktiver gestalten

Zudem wird häufig vor den Folgen für die deutsche Wirtschaft gewarnt, die händeringend nach Fachkräften sucht. Denn zentrales Arbeitsmarktthema ist heute nicht mehr vorrangig die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, sondern der besagte Fachkräftemangel und ein Defizit an Arbeitskräften, beispielsweise aufgrund des demografischen Wandels. Während 2010 noch eine wesentlich höhere Arbeitslosenquote von 8,6 Prozent bestand, steht die deutsche Volkswirtschaft heute einer Situation mit annähernder Vollbeschäftigung gegenüber.

(Grafik: Julia Spieß)

Deutschland befindet sich somit zwölf Jahre nach dem Ende der Wehrpflicht nicht nur sicherheitspolitisch und sozial, sondern auch ökonomisch an einem geänderten Standpunkt. Es sollte daher nun in den Blick genommen werden, inwiefern nach der langjährigen Förderung akademisch geprägter Berufe wieder eine reizvollere Gestaltung des gesamten Ausbildungsmarktes aussehen könnte – gegebenenfalls auch durch ein verpflichtendes Dienstjahr. In einem ersten Schritt bedarf es jedoch einer klaren Definition von Tätigkeitsfeldern, welche von einer Dienstpflicht betroffen wären. Neben den klassischen Sozialberufen, Blaulichtorganisationen und der Bundeswehr wäre auch eine Inkludierung des Umwelt-, Bildungs- und Kulturbereichs denkbar.

Pflichtjahr als Ausbildungsjahr nutzen

In der Debatte über die Aussetzung der Wehrpflicht kam auch das Argument zum Tragen, ein durch diese Maßnahme gewonnenes Arbeitsjahr trage zur Erhöhung des Lebenseinkommens und damit gleichfalls zur Steigerung staatlicher Einnahmen bei. Zudem besteht weiterhin die Kritik, eine Dienstpflicht unterbreche den Prozess der Humankapitalbildung. Würde ein solches Pflichtjahr hingegen als Ausbildungsjahr für bestimmte, vor allem soziale Berufe angerechnet, könnte dieser Effekt jedoch abgeschwächt werden. Hier steht nun die Frage im Raum, ob sich in Bereichen mit eklatantem Nachwuchsbedarf, wie beispielsweise der Pflege, auf diesem Wege nennenswert viele Personen für eine vollständige Berufsausbildung gewinnen ließen. Gesetzt diesen Falls wäre dann ein Beitrag zur Abhilfe des Fachkräftemangels erbringbar, welcher sich, wie bereits erwähnt, durch die Demografie künftig intensivieren dürfte.

Bei der Evaluation der Arbeitsmarkteffekte wäre es folglich eine Alternative, ein verpflichtendes Dienstjahr nicht als verlorenes Jahr anzusehen, sondern vielmehr als ein Arbeitsjahr, welches unter Umständen den Einstieg in die berufliche Ausbildung vereinfacht. Die innerhalb einer Dienstpflicht erhaltene „Basisausbildung“ kann darüber hinaus als langfristige Resilienz-Ressource betrachtet werden. Auch ehemalige Dienstpflichtige könnten theoretisch zur Bewältigung von künftigen Krisen beitragen, würden diese in Notlagen zur Unterstützung herangezogen. Andere europäische Länder wie die Schweiz praktizieren ähnliche Systeme. Mit Blick auf jeden Einzelnen ist es denkbar, dass sich die innerhalb eines Pflichtdienstes erworbenen technischen und sozialen Kompetenzen allgemein begünstigend auf die Ausbildungsphase und den Berufseinstieg auswirken würden.

Alle denkbaren Auswirkungen einbeziehen

Auch wenn an dieser Stelle keine abschließende Bewertung möglich ist, sollten alle denkbaren Auswirkungen einer allgemeinen Dienstpflicht fundiert begutachtet werden. Im Gegensatz zum bisherigen Stand der Diskussion ist eine Fokussierung auf die langfristigen Kosten und Nutzen erstrebenswert, die auch indirekte Effekte nicht ausklammert. Zusammengefasst wäre die Betrachtung einer solchen Reform als ökonomisches Potenzial durchaus legitim, da langfristige Wirkungen durch einen möglichen Mechanismus zur Förderung der Arbeitsmarktintegration und den Aufbau bereichsübergreifender Kompetenzen innerhalb der Bevölkerung zu erwarten sind.


Die Autoren

Luca Gimbel ist stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg und deren Beauftragter Sicherheitspolitik.

Richard von Maydell ist Doktorand für Makroökonomie an der ETH Zürich.

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