Gefechte in Afghanistan sind für Kanzlerin Merkel Krieg
In Kundus sagte sie: "Wenn man sich mit der Realität unserer Soldaten befasst, ist das eben in der Region Kundus so, dass sie in wirklichen Gefechten stehen – so wie Soldaten das in einem Krieg tun. Ich finde, das sollte man beim Namen nennen." Und sie erlebte die Gefährlichkeit des Einsatzes im Land am Hindukusch. In der Provinz Kundus kam es zu Gefechten mit den Taliban und in der Nachbarprovinz Baghlan versuchten Aufständische einen Polizeiposten zu stürmen. Die Bundeswehr übernahm dort Sicherungsaufgaben, während einheimische Truppen den Kampf führten. Kanzlerin und Minister erfuhren während ihres Besuchs auch von einem Unfall. Ein 21 Jahre alter Hauptgefreiter erlag einer schweren Schussverletzung. Er soll sich beim Reinigen seiner Waffe selbst in den Kopf geschossen haben, berichtet die Bild-Zeitung. Auf eine Nachfrage des Reservistenverbandes hieß es von Seiten eines Ministeriumssprechers: "Die Untersuchungen laufen noch, wie es zu dem Unfall kommen konnte." Ob bei dem Verstorbenen in der Wortwahl nun auch um einen Gefallenen handelt, beantwortet der Sprecher so: "Tendenziell bezeichnen wir nur Soldaten als Gefallene, wenn sie durch Fremdeinwirkung ums Leben kommen."
Zu Guttenberg war zuletzt am vergangenen Montag im afghanischen Mäsar-i Scharif gewesen. Sein Truppenbesuch sorgte für Aufsehen, weil seine Ehefrau Stephanie auf eigene Kosten mitreiste. Der Minister war damit bereits das achte Mal seit seinem Amtsantritt am 28. Oktober vergangenen Jahres bei den deutschen Isaf-Soldaten. Merkels letzter Besuch liegt indes mehr als eineinhalb Jahre zurück. In Afghanistan sind derzeit 4.690 Deutsche im Einsatz, 360 von ihnen sind Reservisten, die überwiegend in der Verwaltung, im Feldpost- und Sanitätsdienst, bei der Feuerwehr und der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (Cimic) eingesetzt sind.
(dest)
Es ist Krieg
Ein Kommentar von Detlef Struckhof
In diesem Jahr hat die Nato bereits 690 Soldaten in Afghanistan verloren, neun davon waren Deutsche. Das sind so viele wie noch nie in einem Jahr. Das letzte Opfer war am Samstag während des Kanzlerbesuchs am Hindukusch zu beklagen. Diese Zahlen rufen deutlich nach einem Wort, das die Politik erst seit kurzem in den Mund nimmt: Krieg. Denn ein solcher wird in dem südasiatischen Land geführt – seit neun Jahren. Jetzt sagt es auch die Kanzlerin – Auge in Auge zu den Männern und Frauen, die sie als Verantwortliche in diesen Einsatz geschickt hat.
Für viele ist diese Äußerung überfällig. Sie kommt spät, aber während des Besuchs zu einem richtigen Zeitpunkt. Die Soldaten im Einsatz warten seit langem auf ein solches Signal. Sie fühlen sich jetzt endlich von der Politik ernst genommen. Als Zeichen der Anerkennung sind in diesem Jahr Einsatzmedaillen für Tapferkeit und Gefechtsteilnehmer eingeführt worden. Über die psychischen Belastungen wird immer öfter gesprochen. PTBS-Erkrankungen werden künftig besser bei der Einsatzversorgung berücksichtigt. Immer mehr Politiker reisen zu den Truppen ins Kriegsgebiet und nehmen selbst ein erhebliches Risiko für Leib und Leben auf sich.
Was den Soldaten für ihre Ehre und ihre Darstellung gegenüber der deutschen Bevölkerung hilft, dürfte bei den Angehörigen zu einer weiteren Angst um ihre Liebsten führen. Mein Mann, mein Vater, mein Sohn oder meine Frau, meine Mutter, meine Tochter befindet sich im Krieg. Das sind keine schönen Gedanken am Fest der Liebe und des Friedens. Wir alle sollten in Gedanken bei unseren Nachbarn sein, die einen Nächsten im Einsatz haben und ihnen mit freundlichen Worten Mut zusprechen und beim täglichen Leben unter die Arme greifen. Das sind wir den Soldaten im Einsatz schuldig.
Online-Redakteur des
Reservistenverbandes
Bild oben: Soldaten mit Kanzlerin Angela Merkel
(2. von rechts) und Verteidigungsminister
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
(rechts) in Kundus
(Foto: Bundeswehr, Stefan Kugler)