„Gehen Sie über den Standard hinaus“
Eigentlich hat der Ausbilder an alles gedacht. Er hat sich für sein Vorhaben ein geeignetes Fleckchen in der Kaserne gesucht, das Material liegt bereit und ein laminiertes Schild weist darauf hin, was hier gerade los ist: Tarnen des Einzelschützen, am 21. Oktober 2021 bei Stabsfeldwebel Förster. Und genau da fängt das Schlamassel an.
Es sind die kleinen Details, die einen engagierten Ausbilder von einem sehr guten unterscheiden. Denn zum einen ist der 21. Oktober 2021 längst in den Geschichtsbüchern, zum anderen ist Mattias Förster Oberstabsfeldwebel, das „O“ in „OStFw“ war jedoch überklebt. „Solche Stationsschilder kommen immer gut an. Aber wenn Sie schonmal Ihre Druckerpatrone entleeren und alles einlaminieren, dann machen Sie es doch so, dass Sie das Schild immer wieder verwenden können“, rät Förster.
Gemeinsam mit Oberstabsfeldwebel Manuel Velten hat er am vergangenen Wochenende 17 Reservistinnen und Reservisten gezeigt, wie sie spannende Ausbildungen anbieten können. Die Ausbildung der Ausbilder (AdA) gliedert sich in drei Module: Während das erste noch recht theorielastig ist, geht es beim zweiten – wie nun in Düsseldorf – um die praktische Umsetzung. Für das dritte Modul in rund sechs Wochen bereiten die Teilnehmer dann selbst eine Ausbildung vor. Der Abschluss dieser drei Module, ergänzt durch weitere Online-Schulungen durch die IHK, qualifiziert dann für die Ausbildereignung (AEVO) und ist damit sogar noch ein Zückerli für den zivilen Beruf. Das Sachgebiet Militärische Ausbildung bietet die AdA über das Jahr verteilt in allen Verbandsbereichen an.
Hohes Level erhalten und erweitern
Entstanden ist die AdA im Nachgang zur ersten Ausbildung Ungedienter durch den Reservistenverband. Bei dem Pilotprojekt hatten die Landesgruppen Berlin und Brandenburg die bis dato Ungedienten in nahezu allen militärischen Belangen ausgebildet. Ausnahme war der Gefechtsdienst mit sicherheitsempfindlichem Material, was als hoheitliche Aufgabe einzig und allein der Bundeswehr obliegt. Das Konzept wurde mittlerweile in vielen Bundesländern ausgerollt. Doch nicht nur hier, sondern auch in den Reservistenkameradschaften und Kreisgruppen sind Reservistinnen und Reservisten als Ausbilder unterwegs. Sei es nun beim Formaldienst, ABC-Schutz, Fernmeldedienst oder wie hier im Beispiel beim Tarnen des Einzelschützen. Das Ziel: Motivierte und engagierte Ausbilder sollen die militärischen Fähigkeiten auf einem hohen Level erhalten und erweitern. Die Ausbilder sorgen dafür, dass die Teilnehmer bei der Sache sind und die Zeit, meist das heilige Wochenende, als gewinnbringend erachten und gerne wiederkommen.
Mattias Förster lieferte den angehenden Ausbildern eine Blaupause, dieses Ziel zu erreichen. Er ließ die Gruppe ins Gelände blicken, aber den getarnten Einzelschützen erblickte niemand. „Das ist schon der erste Punkt. Wenn es sich anbietet, nehmen Sie sich einen Hilfsausbilder dazu. Zeigen Sie, was Sie erreichen möchten“, rät Förster. Er zeigte der Gruppe verschiedene Hilfsmittel zum Tarnen im Gelände, aber eben nicht nur. Aus seiner Tasche zieht er ein Buch, zu sehen sind darin getarnte Scharfschützen im urbanen Raum. Der Oberstabsfeldwebel zeigt eine Spraydose mit brauner Farbe, so könnte man dem Gewehr – in der Ausbildung durch eine „Blue Gun“ dargestellt – eine natürliche Farbe verpassen. Er zeigt ein Doppelfernrohr mit teilweise abgeklebten Gläsern, um Spiegelungen zu vermeiden. „Gehen Sie über den Standard hinaus; zeigen Sie, was alles möglich ist. Seien Sie kreativ!“
Kreativ ist auch das sicherheitspolitische Planspiel „Utopia“, das die Reservisten zuvor im Hörsaal gespielt haben. Aufgeteilt in vier Gruppen sollten sie eine Werbestrategie für eine Staatsform entwickeln. Doch zur Präsentation kommt es erstmal nicht. Die Lage ändert sich, der Weltuntergang naht und die Gruppe wird mit einem Raumschiff in Sicherheit gebracht. Am Ende debattiert ein Planetenrat: Welche Gesetze sind verhandelbar, wo sind Kompromisse möglich, von welchen Grundwerten rücken wir nicht ab? „Die Teilnehmer lernen hier einen Methodenmix“, erklärt Manuel Velten den didaktischen Ansatz hinter dem Spiel – vermeintlich trockene Inhalte spannend und mit Freude an der Sache präsentieren. Auch hier wieder: Zeigen, was möglich ist.
Ergänzend dazu unterrichtete Velten die Teilnehmer im Fernmeldedient aller Truppen. Leonhard Edelhäuser, Organisationsleiter aus Traunstein, zeigte via Videokonferenz, was bei der Durchführung von digitalen Ausbildungen zu beachten ist. Bei den Teilnehmern kommen die Inhalte und die Durchführung gut an. Die „qualitativ hochwertige Ausbildung“ lobte beispielsweise Oberfeldwebel d.R. Thomas Jung. Schütze d.R. Martin Riexinger freut sich darauf, das Erlernte in der Praxis anwenden zu können.
Endlich wieder echte Gruppendynamik
Daneben kommt ein weiterer Aspekt nicht zu kurz: das Netzwerken. Trotz der vielen technischen Hilfsmittel zeigt sich hier wieder einmal, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, kein digitales. Der Plausch an der Kaffeemaschine, das Rumflachsen in der Raucherecke – auch das trägt zur Gruppendynamik bei und damit zum „Erlebnis Reserve“. Statt pauschal alles abzusagen, loten Velten und Förster aus, was unter welchen Umständen möglich ist, in diesem Fall „2Gplus“. Bei der Abreise freuten sich die Teilnehmer auf das dritte Modul Anfang März. Mit eben diesem Gefühl sollen sich auch die Reservisten nach ihren Ausbildungen verabschieden – die Zeit war nicht verschenkt, ich komme gerne wieder, Reserve macht Bock!