Die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Standorte geschlossen. Die Soldatinnen und Soldaten mussten die Kasernen verlassen. In den meisten Fällen halten Chroniken, Traditionsräume und Reservistenkameradschaften die Erinnerung an die Standorte hoch. Wo gab es einmal eine Bundeswehr-Kaserne? Wie viele und welche Liegenschaften gehörten früher zur Nationalen Volksarmee (NVA)? Gibt es eine Bundeswehr-Dienststelle auf Hawaii? Wer Antworten auf diese Fragen sucht, wird bei der Standortdatenbank der Bundeswehr fündig.
Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften (ZMSBw) hat in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin Karlshorst eine Datenbank geschaffen, die sämtliche deutschen Militärstandorte seit 1945 im In- und Ausland zusammenfasst. Was hinter dem Projekt steckt, beantworten Dr. Rüdiger Wenzke und Kathrin Henke vom ZMSBw. Wenzke ist verantwortlich für das Projekt Standortdatenbanken der Bundeswehr. Seine Kollegin Kathrin Henke hat die Datenbanken seit 2009 mitaufgebaut.
Welche Motivation steckt hinter dem Projekt?
Datenbanken gehören seit längerem zu den unverzichtbaren Arbeitsinstrumenten des Historikers. 2007 hatten wir am damaligen Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Potsdam, dem Vorläufer des heutigen ZMSBw, begonnen, alle uns bekannten Angaben über Stationierungsorte der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Grenztruppen mühsam aus der Literatur, aber auch aus Archivunterlagen zusammenzustellen und elektronisch zu erfassen. So entstanden die ersten einfachen Datenbanken zu den Standorten des ostdeutschen Militärs, der sowjetischen/russischen Streitkräfte in der ehemaligen DDR sowie wenig später auch zu den Stationierungsorten der Bundeswehr. Dies waren letztlich nur einfache Datensammlungen und Datenverknüpfungen.
In der wissenschaftlichen Arbeit ging es aber schon bald um weiterführende Fragestellungen. Wonach waren die Militärstandorte ausgewählt worden? Warum wurden Truppen umdiszloziert? Wie veränderten sich Liegenschaften? Um diese und andere Fragen beantworten zu können, war es notwendig, das Projekt technisch und auch inhaltlich grundlegend zu modernisieren. Das Ergebnis ist jetzt auf der Website des ZMSBw zu finden: Überarbeitete und neu gestaltete Datenbanken, die nicht nur für Spezialisten von Interesse sind, sondern auch für Hobby-, Regional- und Heimatforscher einen besonderen Service bieten.
Woher kommen die Daten zu den Standorten?
Die wichtigste Arbeitsgrundlage dafür bildete eine sogenannte Stationierungs- bzw. Anschriftenliste mit Stand von 1985/1986, welche im Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, in Freiburg im Breisgau vorlag. Es stellte sich allerdings ziemlich schnell heraus, dass die besagte Liste nicht ganz vollständig war. Zudem mussten und müssen weiterhin alle Verbände, Truppenteile, Einheiten und Einrichtungen der Bundeswehr, die vor 1985 und nach 1986 existierten, neu recherchiert und hinzugefügt werden. Die Quellenlage ist aber prinzipiell gut. Für den weiteren Aufbau der Bundeswehr-Standortdatenbank wurden beispielsweise auch rund 500 Standortbroschüren ausgewertet.
Weitere Daten stammen aus Chroniken, Büchern, einschlägigen Bundeswehr-Zeitschriften, aus Archivmaterial und der Internetrecherche. Viele Informationen wurden uns auch direkt von Nutzern, von aktiven Soldaten, Reservisten und Zivilbediensteten der Bundeswehr, zur Verfügung gestellt. Unsere Datenbank ist quasi ein „lebendes Dokument“. Die Aufgabe ist es nun, die Datenbanken kontinuierlich zu betreuen, das heißt, fast jeden Tag werden Daten hinzugefügt oder korrigiert.
Wie kann ich nach Daten suchen?
Interessierte finden in den einzelnen Datenbanken unterschiedliche Suchkriterien. In der Standortdatenbank der Bundeswehr kann nach der Dienststellenbezeichnung, nach dem Kasernennamen, dem Ort und der Postleitzahl gesucht werden. Darüber hinaus sind in der Datenbank unter anderen die Liegenschaftsbezeichnungen mit der genauen Anschrift und den geografischen Koordinaten, aber auch Aufstellungs-, Auflösungs- und Verlegedaten zu finden. Zukünftig wird es möglich sein, Bilder von Kasernen und Liegenschaften und Kartenmaterial in die Datenbank einzubinden. Standortbroschüren und Chroniken können derzeit nicht über die Online-Datenbanken eingesehen werden. Die gedruckten Broschüren befinden sich aber im Bestand der ZMSBw-Bibliothek und sind dort jedem Interessenten zugänglich. Ein großer Teil der schriftlichen Hinterlassenschaften der Bundeswehr, darunter auch Chroniken, befindet sich im Freiburger Militärarchiv. Benutzerinnen und Benutzer können dort das Archivgut einsehen.
Welche Daten heben sich von anderen ab?
Die drei der Öffentlichkeit bisher zur Verfügung stehenden Datenbanken zu den militärischen Standorten in Deutschland nach 1945 bieten schon jetzt eine Fülle von spannenden Informationen. Nicht jeder wird wissen, dass es in der DDR über 1000 sowjetische Liegenschaften gab, die insgesamt eine Fläche einnahmen, die größer war als die des Saarlandes. Mit einem Klick kann man auch erfahren, wie viele Dienststellen der NVA und der Grenztruppen sich in den jeweiligen DDR-Bezirken befanden. Im Bezirk Potsdam waren es in den 1980er Jahren beispielsweise 247. Karten machen zudem deutlich, wo Militär in der Bundesrepublik und in der DDR während des Kalten Krieges disloziert waren. Diese Standortverteilung lässt wiederum Rückschlüsse auf die jeweiligen Handlungsrichtungen und Aufgaben der Verbände im Ernstfall zu.
Langfristiges Ziel ist es freilich, noch viel mehr Informationen zu vermitteln. Letztlich wollen wir in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern, so unter anderen mit dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst, einen vollständigen Überblick nicht nur über alle Standorte von Bundeswehr und NVA, sondern auch über die Standorte der ausländischen Truppen in Deutschland seit 1945 erstellen. Dafür nehmen wir weiterhin gern Anregungen, Hinweise und Kritiken der Nutzer entgegen.