Diesen Sommer hätte es eine echte Premiere auf dem Wacken-Festival gegeben: U.D.O. und das Musikkorps der Bundeswehr. Anders als bei dem gemeinsamen Auftritt im Jahr 2015 hätten die Band um Udo Dirkschneider und das Musikkorps ihr gemeinsames Album präsentiert. Obwohl das Festival ausfällt, die Überraschung bleibt. Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung eines Songs für alle Corona-Helfer („Where The Angels Fly“) erfolgte am Wochenende die zweite Auskopplung „Neon Diamond“. Im Interview sprach Heavy-Metal-Sänger Udo Dirkschneider über das Album „We Are One“ und welche Verbindung er zur Bundeswehr hat.
Haben Sie sich mit diesem Album einen Traum erfüllt?
Ja, das würde ich schon sagen, dass man sich mit diesem Album einen Traum erfüllt hat. Wir wollten so etwas eigentlich vor 15 Jahren schon immer einmal machen. Ein paar Mal sind wir die Sache auch angegangen. Aber das war mit einem Streichorchester. Und dann wurde das, ich sage einmal, zu weich. Dann haben wir gesagt: ‚Ne, wir wollen Heavy-Metal behalten‘ und haben die Sache zunächst nicht weiterverfolgt.
Es gab 2015 schon einmal einen Auftritt mit dem Bundeswehrmusikkorps auf dem Wacken-Festival. War das der Anfang?
Nicht ganz. Angefangen hat es eigentlich, als ich einmal oben an der Nordsee in Wilhelmshaven war. Dort hatte ein Bekannter, Martin Schlager, mit dem Marinemusikkorps einen Auftritt in der Kirche. Es war in der Weihnachtszeit und ich dachte: Ich gucke mir das an, vielleicht spielen die ein paar Weihnachtslieder. Dann fingen die an mit Michael Jackson und Abba. Ich saß da und habe gedacht: Das ist es. Das ist genau der Sound, nach dem ich gesucht habe. Damit hat die ganze Geschichte angefangen. Wir haben dann Accept-Songs genommen, umarrangiert und eine Show und eine DVD mit dem Marinemusikkorps Wilhelmshaven gemacht. Nachdem das Marinemusikkorps aufgelöst wurde, kamen unsere lieben Herrschaften aus Siegburg, (Anm. d. Red.: Oberst Christoph Scheibling und das Musikkorps der Bundeswehr) auf mich zu. Sie meinten, wir sollten die Sache noch weiterverfolgen. Wir haben den Auftritt auf Wacken gemacht. Und dann kam die Geschichte in Elspe. Danach haben wir gesagt: Warum machen wir nicht ein Album zusammen?
Was war in Elspe?
In Elspe haben wir 2018 praktisch zusammen mit dem Musikkorps der Bundeswehr die Bühne über zwei Stunden allein gehabt. Da waren mehr Songs dabei. An dem Auftritt wurde mehr gearbeitet. Das Interessante war, dass man sehen konnte: Ein Zwei-Stunden-Programm funktioniert.
Wie kam es dann zum Album zusammen mit dem Musikkorps der Bundeswehr?
Es war eigentlich klar, dass wir ein gemeinsames Album machen wollen. Wir haben uns noch einmal mit Herrn Scheibling getroffen und noch einmal über das Projekt gesprochen. Er musste danach wohl noch einige Sachen abchecken. Anschließend haben wir uns gemeinsam Songs angehört und entschieden, welche passend sind fürs Orchester, womit man arbeiten kann. Die Geschichte ging dann mit dem Arrangieren los und es dauerte noch einmal ein Jahr, bis es zum Aufnehmen kam. Ich würde sagen, es hat sehr gut funktioniert.
Was ist das Besondere an dem Album?
Ich glaube, das Album ist sehr abwechslungsreich, auch mit einer Doublebass-Nummer (Anm. d. Red.: „We Strike Back”). Dass die im Endeffekt genommen wurde, damit haben wir nicht gerechnet.
Ich finde, bei „We Are One“ erinnert eine kurze Passage nach dem Refrain ein bisschen an „Princess Of The Dark“. Ist das Album auch eine Hommage an die Accept-Zeiten?
Ich sag mal, „We Are One” ist der Titelsong. Den hat unser lieber Andrey Smirnov geschrieben. Ja, ob da jetzt Accept-Songs durchkommen, ist schön zu hören. Das war aber nicht beabsichtigt. Das ist reiner Zufall. Ich meine, die Songs, die ich singe, gehen immer ein bisschen in diese Richtung. Da gibt es kein wirkliches Herumkommen, weil ich eine gewisse Art von Melodieführung brauche, die einfach mit Heavy-Metal zu tun hat.
Udo ist eben Udo…
Udo ist Udo, das ist richtig (lacht).
Was ist das Besondere an diesem Album?
Ich glaube, wir haben da eine Sache gemacht, die hat es so in der Form auch noch nicht gegeben. Ich habe viele Bands gesehen, die mit einem Klassikorchester zusammengearbeitet haben; aber dann doch meistens mit Streichern. Oder sie haben die eigenen Songs mit etwas anderen Arrangements aufgepäppelt. Das haben wir anfangs auch gemacht, nur eben nicht mit Streichern, sondern, wenn man so will, mit Blech. Das war wesentlich härter. Jetzt haben wir neue Songs geschrieben, die mit dem Orchester komponiert worden sind. Die Arrangements kamen vom Orchester. Ich glaube, da sind ganz schön viele Rock’n’Roller dabei. Die Komponisten Guido Rennert und Alexander Reuber haben den Nerv getroffen. Das hat direkt gepasst.
War die Zusammenarbeit mit dem Musikkorps der Bundeswehr anders als sonst, wenn ein neues U.D.O.-Album entstehen soll?
Ja auf jeden Fall. Wenn wir ein neues U.D.O-Album machen, wo wir gerade dran arbeiten, weil wir sehr viel Zeit im Augenblick haben, geht das in eine bestimmte Richtung. Bei dem Album mit dem Musikkorps der Bundeswehr waren alle Wege offen. Wichtig war, dass wir diese Freiheit hatten: ‚Wir machen kein U.D.O.-Album in diesem Sinne, sondern wir machen ein Projekt.‘ Wir haben gegenseitig viel voneinander gelernt, zum Beispiel dass man in Begleitung das eine oder andere Arrangement anders spielen muss. Für das Orchester gab es Momente, die sie sich einfacher vorgestellt haben. Für beide Seiten war das ein Lernprozess. Wunderbar. Man lernt nie aus.
Haben Sie einen Lieblingssong auf dem Album?
Das Duett („Neon Diamond”) mit Manuela Markewitz ist ein ganz toller Song. Auf jeden Fall ist „Love And Sin” einer meiner Lieblingssongs. Auch die Instrumentalsongs sind sehr gut. Das ist ein Album, das von vorne bis hinten rund ist.
Mit dem Song „Pandemonium“ positioniert sich die Band U.D.O. und die Bundeswehr offensiv gegen rechts, heißt es im Promotion-Text zum neuen Album. Wie interpretieren Sie diesen Song?
Ja, bei „Pandemonium“ geht es nicht nur gegen rechts, sondern gegen das allgemein Böse in dieser Welt. Das passt im Augenblick auch auf das Coronavirus (lacht). Es geht gegen rechts und gegen Diktatoren, die ihr Land unterdrücken. Das ist die Aussage von „Pandemonium“.
Ist „We Are One“ ein politisches Album geworden?
Ja, es sind einige politische Sachen darauf. „Rebel Town“ erinnert an die friedliche Revolution, die zum Ende der DDR geführt hat. Ansonsten geht es um Themen wie den Klimawandel. („Future Is The Reason Why”, „Mother Earth”). Die Erde rächt sich, wenn wir Wälder abholzen oder in Brand legen. Der Song „Blindfold (Last Defender)” handelt von Einsamkeit. Früher sind wir mit der Clique rausgegangen und hatten viel Spaß. Heute sitzt man mit dem Handy oder Laptop in der Gegend und ist im Prinzip allein.
Sie sind früher schon mit Accept im Military-Look aufgetreten und haben diesen Stil schon vor anderen Bands geprägt. Wie kam es dazu?
Das war eigentlich eher Zufall. Wir suchten mit Accept Ende 1981 nach einem Bühnenoutfit für die ganze Band. Ich bin zufällig in einen Nato-Shop gegangen, habe Flecktarn angezogen und die Bandmitglieder meinten: ‚Das ist es. Jetzt musst du dir nur noch die Haare schneiden lassen. Dann passt das.‘ Das fand ich eigentlich gar nicht so lustig. ‚Wie, Haare abschneiden jetzt?‘, habe ich gefragt. Ja, das muss ja zum Militär passen. Das habe ich dann gemacht. Das war am Anfang allerdings gar nicht so einfach, weil uns die Leute in eine bestimmte Richtung gedrückt haben, wo wir gar nicht waren. So wie die Jungs damals rumgelaufen sind, mit Mänteln, Kutten und langen Haaren, das waren keine Soldaten. Und somit hat das auch aufgehört, uns da in irgendeine militärische Richtung zu stoßen. Ich habe seitdem versucht, mehr oder weniger dem Tarnanzug zu entsagen. Das hat nicht so wirklich funktioniert. Jetzt mache ich ein Mischmasch. Die Flecktarn-Hose und die Schuhe sind übriggeblieben.
Welche Verbindung haben Sie zur Bundeswehr?
Ja Gott, Bundeswehr. Ich war bei der Bundeswehr zu dem Zeitpunkt, als man noch lange Haare haben durfte. Das war sehr schön. Ich habe meine Grundausbildung im Jägerbataillon bei Flensburg gemacht und bin dann ich nach Hamburg gekommen, wo ich im San-Bereich tätig war. Das war sehr interessant, aber so gesehen habe ich eigentlich keine Beziehung zur Bundeswehr, außer jetzt mit der Musik.
Mit welchem Dienstgrad haben Sie die Bundeswehr verlassen?
Als Gefreiter Unteroffizieranwärter (UA). Ich hätte noch eine Wehrübung machen können. Die habe ich nicht gemacht, weil ich dann einen eigenen Betrieb hatte, wo ich schlecht wegkonnte. Sonst wäre ich Unteroffizier geworden.
Wie stehen Sie zur Bundeswehr?
Ich habe keine Berührungsängste mit der Bundeswehr. Da könnten wir jetzt auch lange drüber sprechen. Das Ziel der Bundeswehr ist eine Friedenstruppe, die auch in Krisenherde geschickt wird. Das ist auch okay. Da habe ich persönlich kein Problem mit. Die Bundeswehr im Allgemeinen kann ein sehr guter Arbeitgeber sein. Man kann sich bei der Bundeswehr verpflichten lassen und im Prinzip einen Beruf erlernen, den man später brauchen kann.
Dass das Musikkorps der Bundeswehr bereit ist, mit einer Heavy-Metal-Band zusammenzuarbeiten, zeigt ja auch, dass die Bundeswehr keine Berührungsängste hat. Gerade für die Bundeswehr, die ja Nachwuchssorgen hat, ist das ein guter Aufhänger: Guckt mal, wir haben keine Berührungsängste. Das ist für beide Seiten gut. Für uns ist das gut, und für die Bundeswehr ist das auch kein Problem.
Ihre alten Accept-Weggefährten Stefan Kaufmann und Peter Baltes haben auch an dem Album mitgearbeitet. War es wie eine kleine Reunion?
Was das Songwriting angeht, war es das. Stefan Kaufmann hat uns damals ausgeholfen, als wir die Elspe-Show gemacht haben. Zu Stefan Kaufmann habe ich irgendwie den Kontakt verloren. Er sagte zu mir, dass das für ihn ein Highlight in seiner Karriere gewesen sei. Als es dann darum ging, dass wir ein Album machen wollen, kam er und sagte, er hätte ein paar Ideen. Ich sagte: ‚Du Stefan, kein Problem, Ideen sind immer gut und wir wollen versuchen, richtig gute Songs fürs Album zu haben. Da, wo die Ideen herkommen, ist egal.‘ Dann hat es sich ergeben, dass Peter Baltes bei Accept ausgestiegen ist. Er hat mit Stefan im Studio an irgendwelchen Songs gearbeitet. Ich hatte Peter Baltes 14 Jahre nicht gesehen. Im vergangenen Jahr haben wir uns getroffen und uns unterhalten. Er hatte von der Album-Idee gehört und wollte mitmachen. Dann haben Stefan und Peter Songs eingebracht, von denen sieben auf dem Album gelandet sind.
Das Konzert auf dem Wacken-Festival fällt leider aus. Gibt es Pläne für eine gemeinsame Tour mit dem Musikkorps der Bundeswehr?
Ja, Pläne gibt es auf jeden Fall. Wir wollen versuchen, dass wir eine Tour machen können. Das Musikkorps der Bundeswehr ist zeitlich ein wenig beschränkt, weil es auf vielen Galas etc. auftritt. Da müssen wir mal gucken. Die eigentliche Überraschung sollte Wacken sein, dass wir dort das Album präsentieren.
Der Veröffentlichungstermin ist der 17. Juli 2020. Die Überraschung ist dann ein bisschen weg, wenn wir im nächsten Jahr etwas machen wollen. Wacken wird aber mit Sicherheit nächstes Jahr nachgeholt. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Vielen Dank für das Gespräch!