Im Einsatz ein offenes Ohr für Soldaten
reservistenverband.de: Herr Dekan, Sie und Frau Röhle sind sich schon einmal begegnet. Woher kennen Sie sich?
Artur Wagner: Wir kennen uns noch aus meiner Zeit als Standortpfarrer in Walldürn. 2012, kurz vor meinem ersten Auslandseinsatz, hatte ich am "Marsch der Verbundenheit" teilgenommen, den Frau Röhle ja seit vielen Jahren organisiert. Das Engagement aller Beteiligten für die Soldaten – ehemalige wie auch aktive – hat mich sehr beeindruckt. Im November habe ich dann die gelben Schleifen, die wir dort für die Soldaten im Einsatz beschriftet hatten, mit nach Masar-i-Scharif genommen, wo ich für gut vier Monate Militärpfarrer war.
reservistenverband.de: Wie sieht der Alltag im Feldlager für einen Militärpfarrer aus?
Wagner: Man ist sieben Tage die Woche im Dienst, immer auf engstem Raum mit den Kollegen. Das ist zunächst eine Herausforderung. Beim Sport und im Gebet findet man Ruhe, durch die festen Termine für Mahlzeiten, Gottesdienste und Besprechungen entwickelt sich ein Rhythmus. Seelsorgerisch ist die Arbeit im Einsatzgebiet aber unheimlich spannend: Man begegnet den unterschiedlichsten Charakteren, die sich mit kleinen und großen Problemen an die Beratung wenden. Heimweh spielt gerade bei den frisch angekommenen Soldaten eine große Rolle, die Sorge um die Familie daheim oder das kranke Kind. Dann gibt es Ausnahmesituationen, wie den Verlust eines Angehörigen zu Hause. Dann betreut die Militärseelsorge nicht nur, sondern setzt sich auch dafür ein, dass der Betroffene zur Trauerfeier nach Deutschland fliegen kann. Und manchmal wenden sich auch Angehörige mit ihren Sorgen an uns und bitten telefonisch darum, ein Auge auf den Sohn, den Partner oder die Schwester zu haben. Die Vielfältigkeit ist das Schönste an der Arbeit.
reservistenverband.de: Gibt es Ereignisse, an die Sie besonders gern zurückdenken?
Wagner: Da gibt es einige Erlebnisse. Zum Beispiel, als sich im Feldlager plötzlich ein kleiner Kirchenchor zusammenfand, in dem die Männer und Frauen die Freude am Singen teilten. Oder eine Geschichte, die mich erst kürzlich wieder einholte: Während meiner Zeit im Feldlager hatten ein deutscher Soldat in Masar-i-Scharif und eine Soldatin aus einem anderen Lager miteinander angebandelt. Das wird von der Führung natürlich nicht gern gesehen, aber das Paar hatte sich mir offenbart. Vor einigen Wochen bekam ich dann einen Anruf: Sie fragten, ob ich das erste gemeinsame Kind taufen könne. Auch wenn sich die meisten Kontakte aus dem Einsatz nach der Rückkehr verlieren, gibt es doch diese Verbindungen, die bleiben. Das Wiedersehen ist dann umso schöner.
reservistenverband.de: Wie geht man mit dem Gedanken um, dass jeden Moment auch ein Soldat fallen könnte?
Wagner: Man wird innerhalb der Ausbildungseinheiten zum Militärseelsorger gut darauf vorbereitet, arbeitet dort und in der Einsatzvorbereitung eng mit erfahrenen Notfallseelsorgern zusammen. Dennoch betet man natürlich jeden Tag dafür, dass der Fall nicht eintreten wird.
reservistenverband.de: Die Militärseelsorge kümmert sich um aktive Soldaten. Wie ist Ihre Verbindung zur Reserve?
Wagner: Natürlich sind wir im Schwerpunkt für die aktiven Kameraden zuständig. Aber ansprechbar sind wir auch für Ehemalige, also für Reservisten. Der Anteil derer, die innerhalb einer Reservedienstleistung zurück in die Truppe kommen, wird im Zuge der Veränderungen in der Bundeswehr künftig auch eher größer. Das Thema Reserve ist also präsent. Und man freut sich schon, wenn man ein bekanntes Gesicht wiedersieht und weiß: Wenn der da ist, dann funktioniert es einfach.
Das Interview führte Nadja Klöpping
Bild oben: Der leitende Militärdekan Artur Wagner im
Gespräch mit Irmengard Röhle, Vizepräsidentin für Betreuung
im Reservistenverband (Foto: Nadja Klöpping).
Archivbild unten aus dem Jahr 2012: Marschpause beim
"Marsch der Verbundenheit". Rechts: Artur Wagner,
links von ihm Irmengard Röhle (Foto: Herbert Hausmann).