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Im Einsatz kann man sich nicht hinter Bibelversen verstecken




Pascal Kober MdB bei seinem Vortrag vor der RAG Landtag Niedersachsen in Hannover.

Foto: Sören Peters

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Seit dem vergangenen November ist Militärpfarrer a.D. Pascal Kober MdB Stellvertreter des Präsidenten des Reservistenverbandes. Für die Dauer seines Bundestagsmandats ruht seine Tätigkeit in der Seelsorge. Doch ist diese überhaupt noch „en vogue“ oder gar ein Auslaufmodell?

Diese Frage formulierte die Reservistenarbeitsgemeinschaft (RAG) Landtag Niedersachsen unter der Leitung von Frank Oesterhelweg. „Ich denke, die Antwort darauf kennen wir alle, noch bevor ich überhaupt anfange hier zu referieren“, sagte Kober bei seinem Vortrag im gut gefüllten Sitzungssaal in Hannover. Zwar nehme die kirchliche Bindung der Soldatinnen und Soldaten ab, vor allem durch die zahlreichen Kameraden aus den neuen Bundesländern. Dazu klagen die Kirchen in ganz Deutschland über rückläufige Besucherzahlen in den Gottesdiensten. Doch im Einsatz sei genau das Gegenteil der Fall.

Kober selbst war zwei Mal in Mali im Einsatz. Dabei ist der Militärgeistliche kein Soldat im eigentlichen Sinne und hat auch keinen Dienstgrad, protokollarisch wird er aber behandelt wie ein Oberstleutnant. Für die Dienstdauer wird er von der Landeskirche, bzw. der Diözese freigestellt und wird Bundesbeamter auf Zeit. Gemäß Artikel 4 des Grundgesetzes, der die Freiheit des Glaubens und die ungestörte Religionsausübung gewährleistet, haben die Disziplinarvorgesetzten dem Geistlichen jedoch Unterstützung zu gewähren, etwa wenn es um  die Mobilität und den Schutz im Einsatz oder Ähnliches geht.

Banalitäten können weitreichende Folgen haben

Quelle: PAO MINUSMA GAO; Bundeswehr

Aus seinen Einsätzen weiß Kober: Fingerspitzengefühl und Empathie sind gefragt, wenn es um die Betreuung der Soldatinnen und Soldaten geht. „Wenn 400 Soldaten im Einsatz sind, hängen da 400 Familien dran. Da können scheinbare Banalitäten weitreichende Folgen haben.“ Beispiel: Der Sohn eines Soldaten vergisst zum dritten Mal in diesem Jahr seine Jacke in der Schule. „Der Soldat mag sich denken ,Von meinem Verwendungszuschlag können wir drei neue Jacken kaufen‘, doch für die Frau ist das in diesem Moment ein großes Ärgernis, das sie mitteilen will und für das sie von ihrem Partner im Einsatz Verständnis und Trost erwartet. Ein Streit, der am Ende allen leid tut, kann da schnell entstehen.“

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Militärseelsorge bei Weitem nicht obsolet ist, ist der Fall eines jungen Soldaten, der nach nur wenigen Wochen Beziehung von seiner Freundin per WhatsApp verlassen wurde. „Der war zu nichts mehr in der Lage. Gemeinsam mit dem Vorgesetzten musste ich dann klären, wo der junge Mann alternativ eingesetzt werden konnte, um ihn nicht nach Hause zu schicken. Da ist manchmal auch Beziehungsberatung à la Dr. Sommer dabei.“ Eine Unterscheidung nach Konfession oder gar Glaubenszugehörigkeit gebe es für ihn nicht.

Gerade für die Hilfe in solchen emotional schwierigen Situationen genießen die Militärseelsorger einen großen Vertrauensvorschuss, weiß Kober. „Diesen Bonus kann man ganz schnell verspielen, aber man kann auch etwas daraus machen.“ Was er aus eigener Erfahrung weiß: Zu Beginn des Einsatzes sind alle mit dem Auftrag und mit sich selbst beschäftigt. Gegen Ende sei der Himmel dann wieder blauer.

Sich nicht hinter Bibelversen verstecken

Ungefähr zur Halbzeit aber setze eine Phase der Reflektion ein und es kommen die ersten Probleme in der Heimat auf. Um die Soldatinnen und Soldaten an sich zu binden und diese in ihrer Realität abzuholen, rief Kober einige Aktionen ins Leben. Da er nach eigenen Angaben ein äußerst schlechter Sänger ist und auch kein Instrument spielt, war dies beispielsweise das Tattoo des Tages. „Viele Soldaten trugen Tätowierungen mit christlichen Motiven, ohne sich des Ursprung und Bedeutung immer genau bewusst zu sein. Zu diesen Tattoos habe ich dann eine kurze Andacht geschrieben und diese ausgehangen.“ Prinzipiell gelte aber: „Im Einsatz kann man sich nicht hinter Bibelversen verstecken.“ „Wenn ein Soldat über Gott und die Welt reden möchte, er sich fragt, wie Gott das zulassen kann, dass wir in Europa so reich sind und die Menschen hier in Mali so arm, dann ist das nicht einfach zu erklären.

Welche Momente bleiben besonders in Erinnerung?

Besondere Erinnerungen hat Kober neben dem Weihnachtsfest im Einsatz an einen Gottesdienst auf einem Berg im Morgengrauen. „Gemeinsam mit internationalen Kameraden sind wir noch in der Nacht aufgebrochen und haben dort eine Messe gefeiert“, berichtet Kober. Oder auch die Gottesdienste auf dem Dach des Stabsgebäudes in Bamako mit einer Teilnehmerquote von 100 Prozent. „Später wäre das aufgrund der verschärften Sicherheitslage nicht mehr möglich gewesen“, sagte Kober.  Ein Gespräch hat er in besonderer Erinnerung: Eine Soldatin, die ihre Dankbarkeit äußerte, in einer Welt mit sieben Milliarden Menschen, also rund 3,5 Mrd. Frauen, als eine von wenigen in Europa geboren zu sein.

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