In der Krise Köpfe kennen – die Territoriale Reserve
"Ich war schon auf dem Weg in den Feierabend, als im Lagezentrum das Telefon klingelte", erinnert sich Oberstleutnant der Reserve Frank Zinnow. Er absolvierte im Sommer eine längere Reservedienstleistung im Landeskommando Brandenburg. Es war bereits sechs Uhr. Der Anruf kam aus dem Innenministerium in Potsdam: Waldbrand in der Nähe der Autobahn A 10! "Sie baten uns um Unterstützung", sagt Zinnow. Also hängte er seine Jacke wieder an den Haken, fuhr das Lagenzentrum hoch und aktivierte die Reservisten in den Kreisverbindungskommandos vor Ort. In den folgenden Wochen ging es Schlag auf Schlag: Waldbrand in Treuenbrietzen, Flächenbrand in der Lieberoser Heide, Waldbrand nördlich von Cottbus.
Landeskommandos und Katastrophenschutz
Bei Waldbränden, Fluten oder Flugzeugabstürzen ist neben Bundespolizei, Rotem Kreuz, Technischem Hilfswerk in letzter Instanz auch die Bundeswehr eine wichtige Säule der Katastrophenabwehr und des Zivilschutzes. Zuständig dafür ist das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin, dem in den Bundesländern ein Landeskommando unterstellt ist. Den bundesweit insgesamt 15 Landeskommandos und dem Koammndo Standortaufgaben in Berlin unterstehen wiederum insgesamt 30 Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien, 31 Bezirksverbindungskommandos und 404 Kreisverbindungskommandos. So wird das ganze Land mit einem Netz aus zuständigen Kommandos überzogen, welches im Falle von Hilfsanträgen schnell in der Region helfen kann.
Das Bundesinnenministerium und die jeweiligen Landesregierungen sind die zuständigen Behörden für den Katastrophenschutz. Entsprechend setzt sich das auch nach unten hin fort, Landesregierung, Bezirke und Landkreise sowie kreisfreie Städte. Im Falle einer Katastrophe fordern sie von der zivilen Seite und bei Bedarf auch von der militärischen passende Unterstützung an. Ansprechpartner sind dann die Landeskommandos und die Bezirks- und Kreisverbindungskommandos. Bei der Bewältigung einer Katastrophe können auch die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien sowie das Großgerät der Bundeswehr eingesetzt werden, wie bei den Waldbränden im Juli und im August geschehen.
Die Bedeutung der Reserve im Katastrophenschutz
Reservistinnen und Reservisten spielen in der territorialen Präsenz der Bundeswehr eine wichtige Rolle. Sie bilden nicht nur die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien; auch die Bezirks- und Kreisverbindungskommandos sind ausschließlich mit Reservisten besetzt. Das ist die sogenannte territoriale Reserve. Im Landeskommando Brandenburg beispielsweise sind 75 Prozent der 350 Dienstposten von Reservisten besetzt.
"Jedes unserer 18 Kreisverbindungskommandos in Brandenburg setzt sich aus zehn Reservisten zusammen, davon ist einer der Leiter und einer der Stellvertreter. Die sind in einem besonderen Wehrdienstverhältnis, das auf Knopfdruck aktiviert werden kann. Diese Flexibilität und Schnelligkeit brauchen wir. Hinzu kommen noch zwei weitere Reservisten aus dem Sanitätsbereich", erklärt Oberstleutnant Stephan Potschka, der für Einsatz, Übung und Planung zuständige Stabsoffizier im Landeskommando Brandenburg. Analog dazu bilden die Reservisten auch in anderen Bundesländern als Bindeglied zur aktiven Truppe eine entscheidende Stütze.
Die Leiter der Kreisverbindungskommandos werden durch den Kommandeur des Landeskommandos, Oberst Olaf Detlefsen, höchstpersönlich ernannt. "Bevor ich jemanden ernenne, möchte ich ihn kennenlernen. Ich achte bei der Auswahl darauf, dass sie in der Lage sind, zu führen, und dass sie operatives Gespür haben. Sie müssen in einer unübersichtlichen Lage die entscheidenden Fragen stellen, um die Dinge so zu erfassen, dass auf dieser Grundlage eine geeignete Entscheidung getroffen werden kann", erklärt er.
Von Hubschraubern über Panzer
Bei den Waldbränden in Brandenburg wurden in diesem Sommer acht Reservisten aktiviert. Sie standen der Einsatzleitung der Feuerwehren bei den unterschiedlichen Bränden rund um die Uhr zur Seite. Gleichzeitig lieferten sie dem Landeskommando regelmäßig ein aktuelles Lagebild. Das Landeskommando steht in enger Verbindung zum Innenministerium des Landes und meldet an das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr. "Unser Reservist muss sich aber nicht nur ein Bild der Lage verschaffen, er muss auch abschätzen, was vor Ort gebraucht wird und den Einsatzleiter entsprechend beraten", erklärt Zinnow. Der ehemalige Soldat ist selbst Leiter des Kreisverbindungskommandos im Landkreis Elbe-Elster.
In Treuenbrietzen wurde schnell deutlich: Der in Brand geratene Wald war munitionsbelastet. Dort konnte nur aus der Luft gelöscht werden. "Unsere Hubschrauber haben eine Vorlaufzeit von bis zu acht Stunden, bis sie am Einsatzort sein können. Das muss ein erfahrener Leiter eines Verbindungskommandos wissen", sagt Potschka. Dafür wird das Jahr über mehrere Male geübt. Mindestens viermal im Jahr treffen sich die Reservisten im Landeskommando, um die verschiedenen Katastrophenlagen durchzuspielen oder mit der Lagekarten-Software umgehen zu können. Hinzu kommen gemeinsame Katastrophenschutzübungen in den Landkreisen mit den anderen Akteuren der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit, bei denen man verschiedene Szenarien probt und sich auch gegenseitig kennenlernt. So kennt man am Ende in der Krise Köpfe und alles geht schnell und reibungslos.
Bild 1: Stabsfeldwebel d.R. Jörg Kirst informiert sich
vor Ort über die Gefahr von Glutnestern im Waldboden.
(Foto: Landeskommando Brandenburg)
Bild 2: Oberstleutnant d.R. Zinnow (rechts) bespricht sich
mit seinem Kameraden Oberstleutnant d.R. Martin Ruske vor der Lagekarte.
(Foto: Victoria Eicker)
Bild 3: Oberst Olaf Detlefsen ist Kommandeur
des Landeskommandos Brandenburg.
(Foto: Victoria Eicker)
Bild 4: Stabsfeldwebel Jörg Kirst vom Kreisverbindungskommando
Potsdam-Mittelmark bespricht sich mit den Behördenvertretern.
(Foto: Landeskommando Brandenburg)