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„In einer Sekunde ist man vergessen“ – loyal-Gespräch mit Gerd Höfer




loyal-Gespräch mit Gerd Höfer, dem (ehem. – Stand 2010) Stellvertreter des Präsidenten des Reservistenverbandes.
Fotos: Bernd Schoelzchen für loyalHerr Höfer, sind Sie in diesen Tagen sentimental?
Nein.
Warum nicht? Sie scheiden nach 15 Jahren aus dem Bundestag aus.
Warum sollte ich? Ich habe einen Entschluss gefasst, den ich mir zuvor reiflich überlegt habe.
Warum treten Sie nicht noch einmal an?
Ich werde demnächst 67 Jahre alt. Es muss mal Schluss sein mit dem Vagabundenleben.
Das Politikerleben ist ein Vagabundenleben?
Das als Abgeordneter des Deutschen Bundestages auf jeden Fall. Die Hälfte eines Jahres habe ich nicht in meiner Heimat zugebracht, sondern in Berlin, Brüssel, Washington oder sonst wo. Das ist eine ganze Zeit lang toll. Aber irgendwann beginnt es zu nerven.
Hat Ihr Privatleben darunter gelitten?
Selbstverständlich.
Wie haben Sie Ihrer Karriere Tribut zollen müssen?
Einige enge Freunde aus dem privaten und politischen Umfeld gingen verloren. Geblieben sind diejenigen, die akzeptieren können, dass man sich sechs von zwölf Monaten im Jahr nicht sieht, und dennoch den Kontakt halten wollen. Das sind Freunde, mit denen es, wenn man sie nach Monaten der Abwesenheit wieder trifft, so ist, als sei man erst gestern zusammen gewesen.
Ist die politische Karriere das wert?
Das ist ja kein spezifisches Problem der Politik. Das ist in anderen Berufsgruppen ähnlich.
Ist Politik wie eine Droge: einmal probiert und man kommt nicht mehr los?
Diese Vermutung kommt der Realität sehr nahe.
Haben Sie die Lust an der Politik verloren?
Nein, ich werde auf Kommunalebene weitermachen. Seit fast 40 Jahren sitze ich im Kreistag des Schwalm-Eder-Kreises. Dieses Mandat nehme ich weiter wahr.
Gibt es Kameradschaft in der Politik?
Sie meinen, einander mehr oder weniger fremde Leute aus der ganzen Republik finden in einer Einheit zusammen und verfolgen gemeinsam ein Ziel? Kameradschaft in dem Sinne, wie wir sie aus dem Militär kennen? Nein, die gibt es nicht in der Politik. Aber es gibt Freundschaften, und die gehen auch über Parteigrenzen hinweg.
Sie sind mit Peter Struck befreundet.
Das kann man so sagen.
Hätten Sie unter dem Verteidigungsminister Struck Staatssekretär werden wollen?
Das stand nie zur Debatte. Dazu waren andere erkoren. Aber ich konnte jederzeit zu ihm kommen, wenn es etwas zu besprechen gab. Er schätzte meinen Rat als Bundeswehrkenner und hat ihn oft eingeholt. Das war damals für den Verband, als es auch um die Zukunft der Reservisten in der neuen Bundeswehr ging, durchaus von Vorteil.
Ihre Kandidatur für das Amt des Wehrbeauftragten scheiterte nur knapp. Sind Sie noch sauer?
Die Niederlage im zweiten Wahlgang gegen Reinhold Robbe wird mir in bleibender Erinnerung bleiben. Ich hätte das Amt gern übernommen. Aber in der Politik muss man mit Niederlagen leben. Wer das nicht kann, ist dort falsch. Nach kurzer Zeit hatte ich das verdaut, obwohl ich mir in meiner Fraktion schon gute Chancen ausgerechnet hatte.
Sie entstammen der 68er Generation.
Unbedingt.
"Love and Peace" hieß damals das Lebensmotto. Dann haben Sie dafür gestimmt, die Bundeswehr in den Kosovo-Krieg und nach Afghanistan zu schicken. Wie ist das miteinander vereinbar?
Damit, was einige Leute damals unter "Love" verstanden, konnte ich nie viel anfangen. "Peace" war schon eher mein Motto. Ich diente zwischen 1964 und 1966 bei der Bundeswehr. Als die Zeit der 68er kam, war ich bereits Leutnant der Reserve. Die Bundeswehr ist bis heute dazu da, den Frieden zu bewahren: für unser Land, und das kann auch im Ausland sein. Für mich ist das kein Widerspruch zum Friedensmotto der 68er. Seit dem ersten Beschluss, Truppen nach Afghanistan zu entsenden, verlängerte der Bundestag Jahr für Jahr mit großer Mehrheit das Mandat. Inzwischen haben es unsere Soldaten mit einer gut organisierten Guerilla zu tun, es gibt im Kampf Gefallene. Dennoch scheint es, als seien die Mandatsverlängerungen nicht mehr als politischer Automatismus. Glauben Sie mir, die meisten Abgeordneten machen sich die Entscheidung für einen Einsatz nicht leicht. Sie wissen, dass es dabei auch um das Leben unserer Soldaten geht. Natürlich kommt vor jeder Mandatsverlängerung die Stunde der Verteidigungsexperten, die den fachfremden Fraktionskollegen stets aufs Neue die Hintergründe des Einsatzes erläutern. Aber letztlich gilt für außenpolitische Themen im Parlament das, was der Bundespräsident bereits für die Bundeswehr ausgemacht hat: "freundliches Desinteresse".
Das heißt, einige wenige Experten tragen vor, geben eine Empfehlung und die meisten Fraktionsmitglieder heben im entsprechenden Augenblick die Hand?
So kann man es sagen. Die Spezialisierung im Deutschen Bundestag ist so hoch, dass die meisten Abgeordneten zwischen Rente, Gesundheitsreform und Steuerrecht überhaupt keine Zeit für Themen der Außen- und Sicherheitspolitik finden. Das kann auch nicht verwundern. Mit Einsätzen und Bundeswehr gewinnen sie keine Wahl.
Hat die Politik in den zurückliegenden 15 Jahren die richtigen Entscheidungen zur Zukunft der Bundeswehr getroffen?
Das Parlament ist in seinem Einfluss eher beschränkt. Es bestimmt die Stärke der Armee, ihren Etat und definiert gegebenenfalls ein Einsatzmandat. Der Rest fällt in den Kernbereich der Regierung. Und ob dort alles richtig gelaufen ist, wage ich erheblich zu bezweifeln.
Ein Beispiel bitte?
Seit ich die Bundeswehr kenne, also seit 1964, jagt eine Strukturreform die nächste. Keine Reform ist wirklich zu Ende gebracht worden, die Streitkräfte sind ein ständiger Steinbruch. So war es auch in den vergangenen 15 Jahren. Meist erwies es sich, dass bei der Ausgangsplanung zuvor gepfuscht worden war. Also mussten kurzfristige Korrekturen her. Der Umbau eines so sensiblen Körpers wie den Streitkräften sollte jedoch mit Ruhe und Sorgfalt vorgenommen werden. Wir sehen schon heute, dass auch die aktuelle Bundeswehrreform wieder erheblicher Korrekturen bedarf.
Werden solche Fehlentwicklungen aus der Bundeswehrführung heraus an die Politik kommuniziert? Haben ranghohe Offiziere noch die Courage, politischen Entscheidungen entgegenzutreten?
Haben sie, aber nur hinter vorgehaltener Hand. Wenn ich das, was mir ein General erzählt hat, etwa mit dem Minister oder Staatssekretär im Verteidigungsausschuss besprechen wollte, war es nicht möglich, die Quelle zu nennen. Der General befürchtete wohl, mit der politischen Führung im Ministerium Probleme zu bekommen. Das könnte nämlich sehr schnell das Karriereende bedeuten.
Weiß die Politik, wie es in der Bundeswehr aussieht?
Ob Sie es glauben oder nicht: Ein Großteil meiner Kollegen weiß das schon.
Werden Sie mit den weiteren bundespolitischen Entwicklungen, vor allem natürlich im Bereich der Bundeswehr, verbunden bleiben?
Natürlich, denn schließlich ist der Reservistenverband von zahlreichen Entscheidungen in der Verteidigungspolitik betroffen. Aber eine direkte Verbindung, sozusagen in den Bundestag oder die Bundesregierung hinein, wird es nicht mehr geben. Da mache ich mir keine Illusionen. Wenn man sich aus der Politik verabschiedet hat, dauert es eine Sekunde, und man ist vergessen. Das gilt jedenfalls für die meisten Bundestagsabgeordneten.
Wie hat sich das Politikmachen in den vergangenen 15 Jahren verändert?
Es geht nicht mehr um die Nachhaltigkeit politischer Entscheidungen, sondern um den kurzfristigen, medialen Erfolg. Es hat sich eine große Beliebigkeit breit gemacht, so wie das für große Teile der Gesellschaft gilt. Das kann man beispielsweise an den Bundestagswahlkämpfen der zurückliegenden Jahre sehen. Wenn ein einzelner Kandidat in seinem Wahlkreis aus eigener Kraft zwei Prozent mehr oder weniger als bei der vorigen Wahl erzielt, ist das eine enorme prozentuale Veränderung. Der Rest des Ergebnisses wird größtenteils von der zumeist durch die Medien inszenierten Stimmungslage bestimmt.
Sind die Menschen politikverdrossen?
Politikverdrossenheit ist ein falscher Begriff, um das Phänomen des wachsenden Desinteresses der Menschen an Politik zu beschreiben. Die Menschen beurteilen die Politik nach ihrer eigenen Befindlichkeit, also was nützt sie mir, was nicht? Nützt mir die Politik, gehe ich zur Wahl. Nützt sie mir nicht, bleibe ich zu Hause, dann interessiert sie mich auch nicht.
Nach dem 27. September werden Sie vermutlich mehr Zeit für außerpolitische Betätigung haben. Widmen Sie diese Zeit künftig dem Reservistenverband?
Einen Teil. Ich bin als Stellvertreter des Präsidenten bis 2011 gewählt. Auch wenn es gute Tradition des Verbandes ist, seine Führungsspitze in der Regel mit zwei Bundestagsabgeordneten zu besetzen, beabsichtige ich, mein Mandat bis zuletzt wahrzunehmen. Was danach kommt, werde ich sehen.
Und bis dahin bringen Sie sich stärker als bisher für den Verband ein?
Ja. Ich habe jetzt ein Büro in der Bundesgeschäftsstelle in Bonn und beabsichtige, mich künftig stärker um die Belange des Verbandes zu kümmern. Ich will an die Basis, an die Kameradschaften. Mir ist der Abstand zwischen dem Präsidium, also der Verbandsspitze, und dem Nukleus des Verbandes, der "RK", zu groß. Das muss sich ändern.
Herr Höfer, vielen Dank für das Gespräch.

Text: loyal
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