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Aus der Truppe

Interview: Als Frau in der Bundeswehr 2001




Albkaserne, Stetten am kalten Markt – ehemaliger Standort des 294. Panzergrenadierbataillons: Hier wurden Ende 2001 einige der ersten Frauen der kämpfenden Truppe in ihrer Grundausbildung von einem Kamerateam begleitet. Das „Feldtagebuch – Allein unter Männern“ gelangte zu zweifelhafter Berühmtheit. Im Nachgang der Ausstrahlung im SWR machte nicht nur der damalige Wehrbeauftragte Willfried Penner in seinem Bericht auf das Fehlverhalten seitens der Ausbilder aufmerksam. Auch wurden zwei Disziplinarverfahren eingeleitet und die Ausbildung der Ausbilder im Heer grundsätzlich überarbeitet. Natalie Giesel durchlief zuvor beim 294. Panzergrenadierbataillon ihre Grundausbildung, als eine von 15 Frauen in der 6. Kompanie – und eine der ersten Frauen in der Bundeswehr. loyal sprach mit der 33-Jährigen über den Dienst als Frau.

loyal: Frau Giesel, welcher Weg hat Sie zur Bundeswehr geführt?

Stabsunteroffizier (RFA) d.R. Natalie Giesel: Mein damaliger Freund war im Jahr 2000 Wehrpflichtiger. Meine Freunde waren auch bei der Bundeswehr. Mir hat gefallen, was die da alles so gemacht haben. Ich fand das total spannend. Zu diesem Zeitpunkt kam für mich als Frau jedoch nur der Sanitätsdienst in Frage. Das wollte ich nicht. Als dann 2001 alle Zulassungsbeschränkungen gefallen sind, habe ich gesagt: „Jetzt bewerbe ich mich!“ Ich bin dann nach München ins Zentrum für Nachwuchsgewinnung gefahren. Zunächst habe ich an einer Truppenwerbung im Versorgungsbataillon in Müllheim/Baden teilgenommen – ähnlich einem Praktikum. Das hat mir gefallen. Da habe ich dann auch nach zwei Monaten Grundausbildung meinen Dienst angetreten.

loyal: War die Bundeswehr damals auf Frauen eingestellt?

Giesel: Es war sehr spannend, in die Kaserne reinzulaufen. Alles war so neu. Nicht nur für mich. Insgesamt waren wir 15 Frauen die den Dienst beim 6. Panzergrenadierbataillon 294 antraten. Da es in der Kompanie nicht möglich war eine räumliche Trennung zu schaffen, hatten wir Frauen ein eigenes Gebäude unweit der Kompanie. Nach der Grundausbildung wurde ich nach Müllheim versetzt, wo ich als erste Frau in der 1. Kompanie und als zweite Frau insgesamt am Standort, die Sanität ausgenommen, meinen Dienst aufnahm. Hier war die räumliche Trennung zwischen den Geschlechtern nicht möglich. Es gab getrennte Duschen. Diese waren aber – wie die Stube auch – im selben Flur wie die der männlichen Kameraden. Was für mich aber auch überhaupt kein Problem darstellte. Meiner Meinung nach haben die sich darüber viel zu viele Gedanken gemacht. Bei einem Ernstfall zum Beispiel kann ich doch auch nicht erwarten, dass sich mein Chef Gedanken darüber machen muss, wo ich untergebracht werde!

loyal: Wie war der Umgang mit den Vorgesetzten?

Giesel: Man hat gemerkt, dass sie versuchten, sich zusammenzureißen. Aber das hat in den meisten Fällen nicht so wirklich funktioniert. Ich habe mich im Vorfeld informiert, wie es da zugeht. Deshalb war das für mich in Ordnung. Ich fühle mich durch einen blöden Spruch nicht angegriffen. Vielleicht hat man schon bei dem einen oder anderen Vorgesetzen ein bisschen gemerkt, dass Frauen nicht so willkommen waren, vor allem auch, weil es eine Kampfeinheit war. Im Großen und Ganzen ging es dann schon. Da wurde zwischen Männern und Frauen kein Unterschied gemacht. Da gab es keinerlei Nachteile.

loyal: Welche Laufbahn haben Sie eingeschlagen?

Giesel: Ich bin gelernte Einzelhandelskauffrau. Mit 18 bin ich zur Bundeswehr gegangen. Als Soldatin auf Zeit habe ich mich für vier Jahre verpflichtet. Eingestellt wurde ich aufgrund meiner Ausbildung als Stabsunteroffizier. Ich hatte auch gleich den entsprechenden vorläufigen Dienstgrad. Das war vielleicht auch von Nachteil. Unser Gruppenführer damals war Unteroffizier. Da hieß es dann nach zwei Wochen Grundausbildung: „Nehmen Sie den Zug und führen Sie ihn zum Essen! Sie sind Stabsunteroffizier, Sie müssen das können.“ Ich würde das so nicht noch einmal machen, sondern von ganz unten anfangen, da ich ja – wie alle anderen auch – sämtliche Lehrgänge zum Unteroffizier nach der Grundausbildung gemacht habe. Wenn man einen Dienstgrad wie Stabsunteroffizier hat, werden halt auch gewisse Dinge von einem erwartet. Die kann man ohne diese Lehrgänge auch einfach nicht wissen. Von dem her verstehe ich den Unmut von manchen Kameraden schon, den sie gegen die so genannten „Neckermann“-Dienstgrade haben. Eingesetzt wurde ich später in einer Versorgungskompanie. Ich war Versorgungsunteroffizier, S4 auf Bataillonsebene, zuständig unter anderem für Betriebsstoffe, Munition und Verpflegung. Ich habe meinen Unteroffizierslehrgang allgemeiner Fachdienst an der Unteroffiziersschule in Weiden gemacht. Der fachliche Teil folgte in Galstedt bei Bremen.

loyal: Sie wurden während Ihrer Dienstzeit schwanger. Wie haben Sie das erlebt?

Giesel: Irgendwie haben die Männer ganz komisch reagiert. Hoppla, die Frauen können auch schwanger werden. Es wusste auch keiner so recht mit mir umzugehen. Niemand wusste, wie es sich mit dem Mutterschutz verhält. Das Teilzeit-Konzept war neu und steckte in den Kinderschuhen. Da wusste auch keiner so wirklich Bescheid. Im Sanitätsbereich gab es schon Frauen mit Kindern. Ich weiß nicht, warum sie dann mit uns überfordert waren. Ich bin in Elternzeit gegangen und da war dann die Bundeswehr für mich erledigt. Eine Rückkehr mit beschränkter Einsatzfähigkeit war für mich, aus persönlicher Überzeugung, ausgeschlossen. Ich wollte nicht sagen müssen „Ich kann keine Wache machen, weil ich ein Kind daheim habe“ oder „Ich kann nicht in den Einsatz“. Ganz oder gar nicht. Davon losgekommen bin ich jedoch nie.

loyal: Sie sind dann in der Reserve aktiv geworden. Wie kam es dazu?

Giesel: Vorerst war mal nichts. Mir hat keiner gesagt, dass es sowas gibt wie Beorderungsdienstposten oder die Reserve. Darauf hat mich mein ziviler Chef im Landratsamt 2011 aufmerksam gemacht. Er ist auch in der Reserve aktiv. Es wurden bei einem internationalen Schießwettkampf Aufsichtspersonen gesucht. Er fragte mich, ob ich nicht als Schießaufsicht mitkommen wolle. Im selben Jahr habe ich mich wieder einkleiden lassen. Seitdem war ich immer mal wieder bei Reserveübungen dabei. Seit 2015 bin ich beim Kreisverbindungskommando Freiburg Land beordert.

loyal: …und sind in der Beorderung auch befördert worden?

Giesel: 2016 habe ich den Reservefeldwebel an der Marineunteroffizierschule in Plön gemacht: acht Wochen Fernlehrgang – drei Wochen Präsenz. Nun warte ich noch auf meine Fachlehrgänge und werde dann hoffentlich bald befördert. Mein gegenwärtiger Dienstgrad ist Stabsunteroffizier Reservefeldwebelanwärter.

loyal: Doch da hört Ihre Planung nicht auf?

Giesel: Ich habe Ende 2016 einen Antrag auf Wiedereinstellung als Feldwebel gestellt. Da die Eignung bereits für den Reservefeldwebel Anfang 2016 festgestellt wurde, warte ich im nächsten Schritt eigentlich nur noch auf eine Einladung ins Karrierecenter zwecks Einplanung. Dann sehe ich, ob ich Zeitsoldatin für 12 Jahre werden kann. Ich würde gerne wieder heimatnah in Müllheim eingesetzt werden.

loyal: Warum wollen Sie unbedingt wieder zur Bundeswehr? Was macht den Reiz aus?

Giesel: Der Dienst in der Truppe ist abwechslungsreicher als das Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung. Klar, man hat auch beim Bund seinen Alltag, vor allem im Stabsdienst. Der ist überwiegend mit Büroarbeit verbunden. Aber man kommt raus, nimmt an Übungen teil. Vielleicht auch mal an einem Einsatz, wenn es soweit ist. Der Sport kommt auch noch mit dazu. Und die Kameradschaft ist einfach unvergleichlich. So etwas hat man draußen nicht.

loyal: Sie haben einen Sohn und sind verheiratet. Was sagt Ihre Familie zu dem Plan?

Giesel: Das geht mittlerweile ganz gut. Mein Sohn ist 13 Jahre alt und freut sich, wenn die Mama auch mal nicht da ist und sieht, was er alles anstellt. Mein Mann ist Ingenieur der Elektrotechnik. Er arbeitet in einer zivilen Firma. Solange ich jetzt nicht bei jedem Einsatz die Hand hebe und sage „Ich will mit!“, hat er auch nichts dagegen. Ihm ist aber durchaus bewusst, dass es dieser Beruf auch mit sich bringt.

Das Gespräch führte Julian Hückelheim
 
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