Interview: Die französische Reserve im Fokus
loyal: Herr Brigadegeneral, wie ist die Reserve in Frankreich generell strukturiert?
Jean-Marc Wasielewski: In Frankreich unterscheiden wir zunächst die Einsatzreserve und die Bürgerreserve. Die Einsatzreserve wird in zwei Stufen unterteilt. Bei der ersten Stufe der Einsatzreserve sind die Reservisten voll in die Streitkräfte integriert, sie bekleiden Dienstposten im In- wie im Ausland. Die Reservisten der Stufe eins gehen einem zivilen Beruf nach, verpflichten sich allerdings für eine bestimmte Zeit – zwischen einem und fünf Jahren – in der Armee zu dienen. Sie sind bis zu 25 Tage pro Jahr aktiv. Künftig soll dies auf 37 Tage pro Jahr erhöht werden. In der Einsatzreserve der Streitkräfte der Stufe eins haben wir zurzeit etwa 30.000 Reservisten. Zusätzlich zur Stufe eins haben wir die Einsatzreserve der Stufe zwei. Das sind ehemalige Soldaten, die im Anschluss an den aktiven Dienst für fünf Jahre freiwillig in einer Verfügungsbereitschaft bleiben. Innerhalb dieser fünf Jahre können sie bei Bedarf eingezogen werden – das geschieht aber nur im Ernstfall. Zu ihr zählen etwa 130.000 Reservisten.
Schließlich gibt es noch die Bürgerreserve. Die Bürgerreserve trägt keine Uniformen und dient freiwillig. Handelt es sich aber um Menschen mit Spezialisierungen, die für die Streitkräfte wichtig sind, können sie auch einberufen werden. Die Bürgerreserve dient der Erhöhung der Reichweite der Streitkräfte und angegliederter Verbände, der Verbreitung verteidigungs- und sicherheitspolitischer Sachverhalte im Bildungsbereich, als Beitrag zur Widerstandsfähigkeit des Landes und zur Lösung von interdisziplinären Problemen im Bereich der nationalen Sicherheit und Verteidigung. Die Bürgerreserve ist ein wichtiges Verbindungselement zwischen Armee und Nation. Für den Bereich der Streitkräfte besteht die Bürgerreserve derzeit aus 4000 Reservisten. Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass auch die Gendarmerie und die Polizei über eine eigene Reserve verfügen. Die Reserve der Streitkräfte, Gendarmerie und Polizei zusammen ergeben die Nationalgarde.
loyal: Seit wann gibt es die Nationalgarde in Frankreich und wofür ist sie zuständig?
Wasielewski: Die Nationalgarde wurde mit Beschluss des ehemaligen Präsidenten der französischen Republik, Francois Hollande, am 13. Oktober 2016 offiziell ins Leben gerufen. Mit der Gründung einer Nationalgarde geht eine massive Aufstockung der vorhandenen Reservekräfte einher. Die Bedrohungslage in Frankreich hat sich mit den Terroranschlägen auf Charlie Hebdo und Bataclan verändert. Junge Menschen möchten sich für ihr Land engagieren. Mit dem Dienst in der Nationalgarde haben sie eine ganz konkrete Möglichkeit, dies zu tun. Gleichzeitig stärkt das Engagement den nationalen Zusammenhalt und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft. Organisatorisch ist die Nationalgarde in die Streitkräfte, die Gendarmerie oder die Polizei integriert. Zu ihr gehören Reservisten, die nach einer entsprechenden Ausbildung befugt sind, eine Waffe zu tragen.
loyal: Was sind die Aufgaben der Nationalgarde beziehungsweise der Reserve?
Wasielewski: Ganz allgemein gesprochen: Die Reserve verstärkt vorübergehend die Streitkräfte und angegliederte Verbände. Vor allem in Zeiten, in denen besonders viele Einsätze zu bewältigen sind. Reservisten werden herangezogen zum Schutz französischer Bürger und Heimatschutz bei Katastrophen und Unglücken. Zudem werden Reservisten verfügen für Ordnungsmaßnahmen bei Großveranstaltungen eingesetzt, zum Schutz von Marinestützpunkten und wichtigen Seehäfen sowie sicherheitsempfindlichen Einrichtungen. Darüber hinaus unterstützen sie durch Knowhow und Erfahrungen in besonders ungewöhnlichen Fachgebieten beispielsweise Umwelt, Kommunikation, Rüstung und Cyberverteidigung.
loyal: Wie weit ist die Aufstellung der Nationalgarde vorangeschritten?
Wasielewski: Zurzeit haben wir insgesamt rund 63.000 Reservisten in der Nationalgarde. Von denen dienen etwa 30.000 in den Streitkräften, 29.000 in der Gendarmerie und 4000 in der Polizei. 5500 Reservisten sind jeden Tag in der Nationalgarde im Einsatz – sie patrouillieren oder bewachen öffentliche Plätze. Bis 2019 sollen 40.000 Nationalgardisten bei den Streitkräften, 40.000 bei der Gendarmerie und 5000 bei der Polizei dienen. In der Nationalgarde kann ein Reservist bis zu 210 Tage im Jahr Dienst tun.
Das vollständige Interview lesen Sie in der Juli-Ausgabe der loyal.
der französischen Botschaft in Deutschland,
Brigadegeneral Jean-Marc Wasielewski
im Interview mit loyal. (Foto: Nadja Klöpping)