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„Es lohnt sich, sich ehrenamtlich zu engagieren“




Zwei Wochen lang übte der Politiker Alexander Müller im Dienstgrad Oberstleutnant beim Kommando Cyber- und Informationsraum in Bonn.

Foto: Bundeswehr/Stefan Uj

Oberstleutnant der Reserve Alexander Müller ist Mitglied des Deutschen Bundestags, er ist Verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Obmann des Verteidigungsausschusses. Für zwei Wochen zog er seine Uniform an und übte als Reservedienstleistender im Kommando Cyber- und Informationsraum (CIR). Oberst d.R. Thorsten Ziegler aus dem Presse- und Informationszentrum CIR hat ihn dazu interviewt.

Herr Oberstleutnant Müller, bitte beschreiben Sie kurz Ihre Aufgaben während der letzten 14 Tage hier im Kommando Cyber- und Informationsraum!

Ich spiegele als Personalreserve den Stabsoffizier beim Stellvertreter des Inspekteurs Cyber- und Informationsraum. Der eigentliche Stabsoffizier macht gerade ein paar Tage Urlaub und ich vertrete ihn in dieser Zeit. Für meine tägliche Arbeit hier im Kommando CIR bedeutet dies: Ich bin als Stabsoffizier in die Büroroutine des Chief Information Security Officer der Bundeswehr, der in Personalunion Stellvertreter des Inspekteurs des Organisationsbereichs CIR ist, eingebunden. Das bedeutet, dass ich alle fachlichen Vorlagen und Weisungen vorprüfe und nach Rücklauf vom CISOBw (Chief Information Security Officer) deren Überarbeitung überwache.

Sie sind von Ihrer Ausbildung her Diplom-Informatiker. Inwieweit hat Ihnen Ihr Studium bei der Tätigkeit hier im Bereich des CISOBw denn geholfen?

Das hilft schon! Meine Aufgabe ist es ja auch, den General in seiner Rolle als CISOBw bestmöglich zu unterstützen. Da geht es dann natürlich um die ganz harten und aktuellen Themen der Cybersicherheit der Bundeswehr: Wie ist derzeit die Cyberlage? Wo wurden Bundeswehrnetze angegriffen? Mit welchen Mitteln können wir das abwehren? Was sind die Gefahren? Also in der Lage zu sein, diese Dinge auch technisch richtig einzuordnen sowie auch die Begriffe richtig zuzuordnen. Da kommt mir dann der fachliche Hintergrund schon zugute.

Sie sind ja im Prinzip unmittelbar nach Ihrem Studium zum Diplom-Informatiker und somit schon langjährig als IT-Berater und IT-Sachverständiger tätig gewesen. Schafft das Akzeptanz hier, wenn man so einen Lebenslauf hat?

Ja, das denke ich schon. Mein fachlicher Hintergrund passt hier, aber die Akzeptanz war auch unabhängig davon gegeben. Ich bin hier sehr herzlich und kameradschaftlich aufgenommen worden. Das Team ist wunderbar. Es ergänzt einer den anderen. Das funktioniert also wirklich wie ein Räderwerk im Getriebe.

Was motiviert Sie denn persönlich, Ihre Reservedienstleistung gerade hier im CIR zu machen?

Ich kam zufällig auf das Kommando CIRCyber- und Informationsraum. Seitens meiner Grundausbildung und meinem Wehrdienst damals im Jahr 1988/89 war ich Heeresflugabwehrsoldat. Diese Truppe gibt es aber heute nicht mehr. Sie ist vor gut zehn Jahren abgeschafft worden bzw. heute gibt es sie in kleinen Teilen wieder zusammen mit den Niederländern.

Aber Heeresflugabwehr kam für mich dann auch nicht mehr in Frage. Ich habe Informatik studiert und einen ganz anderen Werdegang gehabt. Ich wollte mich nun in diesem Bereich auch fachlich einbringen. Als dann im Jahr 2017 das Kommando CIR neu gegründet wurde, fand ich das sehr attraktiv. Ich habe mich initiativ bei der Bundeswehr gemeldet, weil ich da eine Rolle gesehen habe, in die ich genau reinpassen würde. Das war für mich der Anlass, mich wieder bei der Bundeswehr zu melden.

Oberstleutnant der Reserve Alexander Müller (54 Jahre) ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags. Der Verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion und Obmann des Verteidigungsausschusses lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern im Taunus. (Foto: Bundeswehr/Stefan Uj)

Was sind denn die wesentlichen Unterschiede zwischen der Bundeswehr 1988, wie Sie sie vor mehr als 35 Jahren kennengelernt haben, und heute?

Das sind Riesenunterschiede. Die Bundeswehr im Kalten Krieg der 1980er Jahre war eine ganz andere Bundeswehr. Das lag natürlich auch daran, dass damals noch die Wehrpflicht bestand. Damals gab es die Pflicht zu dienen. Wer sich nicht eingefügt hat oder wer gegen Bestimmungen verstoßen hat, ist dann richtig hart und auch disziplinarisch bestraft worden. Das ist heute auch noch so, kommt aber viel seltener vor. Somit war auch der Umgangston damals rüde und hart.

Heute ist die Bundeswehr eine Profiarmee. Eine Freiwilligenarmee. Da ist der Ton im Umgang miteinander auch ein ganz anderer. Es wird viel mehr Wert auf Innere Führung und sinnstiftende Tätigkeiten der Soldaten gelegt. Deswegen ist die Motivation des Einzelnen eine viel Höhere heute. Die Bundeswehr 2023 ist nicht kaum noch zu vergleichen mit jener der 1980er Jahre.

In der Strategie der Reserve findet sich die Aussage, „Reserveoffiziere sind Multiplikatoren in der Gesellschaft“. Wer weiß denn beispielsweise aus ihrem privaten Umfeld davon, dass Sie Reserveoffizier sind und auch im Moment im Kommando CIR üben?

Ich mache daraus kein Geheimnis. Es weiß im Grunde jeder aus meinem privaten Umfeld und das wissen auch meine Follower auf meinen Social-Media-Kanälen. Ich bekomme unterschiedliches Feedback für meine Beiträge. Interessanterweise ist es tatsächlich so, dass ich das meiste positive Feedback auf Beiträge erhalte, welche mich in Uniform zeigen. Das interessiert offensichtlich die Menschen. Es erzeugt aber auch Reibung. Ich bekomme auch einige Negativ-Kommentare dafür. Aber es ist kein Geheimnis. Ich erachte es auch als Sinn der Sache, die Tätigkeit als Reservist ganz öffentlich zu machen, um deutlich zu machen: Wir sind Staatsbürger in Uniform und es lohnt sich, sich ehrenamtlich zu engagieren.

In welchem Zusammenhang steht Ihre politische Arbeit für Ihre Wirksamkeit im Sinne der Bundeswehr?

Ich kann einiges von meiner Expertise einbringen, welche ich mir durch meine parlamentarische Arbeit angeeignet habe. Ich kenne natürlich die Abläufe der Gesetzgebung. Ich habe ein gewisses Netzwerk. Ich weiß, wie die Ministerien und die Meinungsbildung dort funktionieren. Deshalb kenne ich die Herausforderungen bei der Beschaffung gut. Ebenso die Haushaltsrestriktionen, die wir speziell bei der Bundeswehr haben. Insofern kann ich bei der internen Meinungsbildung und den Entscheidungsvorbereitungen für einer erfolgreiche Durchsetzung meinen Teil beisteuern.

Als Diplom-Informatiker und langjährig öffentlich bestellter und vereidigter IT-Sachverständiger spiegelt Alexander Müller als Reserveoffizier den Dienstposten des Stabsoffiziers im Büro des Chief Information Security Officer der Bundeswehr im Kommando CIR in Bonn. Darüber hinaus ist er Aufsichtsratsvorsitzender der größten Krypto-Handelsbörse in Europa. (Foto: Bundeswehr/Stefan Uj)

Was nehmen Sie denn ganz praktisch aus Ihrer Reservedienstleistung hier aus dem Kommando CIR mit in Ihren parlamentarischen Alltag?

Das ist sogar noch wertvoller. Hier bekomme ich wirklich das „Räderwerk“ der Truppe mit. Diese Inspiration nehme ich mit nach Berlin. Hier erlebe ich den Alltag: den Arbeitsalltag der Soldatinnen und Soldaten. Auch die Dinge, die Arbeit behindern, so zum Beispiel die tägliche Bürokratie. Mir hat gerade vorgestern ein Kamerad berichtet, wie aufwändig und bürokratisch die Anfertigung der Reisekosten- oder Trennungsgeldabrechnungen sind. Das bekommen wir in Berlin gar nicht mit. Das bleibt alles unter der Oberfläche.

Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel. Das Höchstalter der Reserve mit 65 Jahren ist ein großes Ärgernis für viele Reservedienstleistenden, die gerne über die 65 hinaus noch freiwillig Dienst leisten würden. Das habe ich als Problem wahrgenommen. Deshalb arbeiten wir jetzt konkret an einem Gesetz, dass man auch über die Altersgrenze von 65 Jahren hinaus in Zukunft Reservedienst leisten kann. Wir haben die Absicht dies noch in dieser Legislaturperiode zu ändern. Das sind konkrete Dinge, die ich hier aus einer Übung mitnehmen kann und in Berlin dann tatsächlich als Verbesserung für die Soldatinnen und Soldaten umgesetzt werden.

Was können Sie konkret als Politiker persönlich dafür tun, dass der Dienst als Reservist stärker im Meinungsbild der Bürger verankert wird?

Wir haben natürlich als Politiker eine hohe Zahl an Followern in Social Media und können dadurch auch ein positives Bild für die Bundeswehr abgeben. Damit können wir auch andere anregen, zumindest einmal zu überlegen, sich für eine Reserveübung zu entscheiden oder sich überhaupt für den Dienst als Reservist zu interessieren. Man merkt schon, dass das Ansehen der Bundeswehr ein Stück weit gesunken ist, nachdem 2012 die Wehrpflicht ausgesetzt worden ist. Früher, als es die Wehrpflicht noch gab, hatte jeder mit der Bundeswehr zu tun. Das ist heute anders!

Ich merke es an der Anzahl von Hasskommentaren in Social Media, wenn über die Bundeswehr berichtet wird oder Militär involviert ist. Diese Leute sehen zu wenig den Verfassungsauftrag, den die Bundeswehr hat. Die Bundeswehr leistet einen wesentlichen Beitrag zum Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das verbinden einige Leute viel zu wenig mit der Bundeswehr. Indem wir uns selbst als Reservist aktiv einsetzen können wir dieses Verständnis wieder ein Stück weit verstärken. Deswegen werbe ich persönlich auch bei einigen Abgeordneten, Kolleginnen und Kollegen dafür.

Man kann zum Beispiel mit relativ wenig Aufwand eine InfoDVag (Anm.d.Red.: Dienstliche Veranstaltung zur Information) mitmachen. Auch bei uns im CIR. Dieses Angebot nehmen viele Abgeordnete wahr und sorgen damit für ein Stück weit Werbung für den Dienst in der Bundeswehr.

Jetzt ist die Tätigkeit als Reservedienstleistender der Bundeswehr ja nur eine Form des gesellschaftlichen Engagements. Es gibt ja noch andere Institutionen, wie z.B. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk oder andere gemeinnützige Dinge, die man als staatsbürgerliches Ehrenamt machen kann. Was ist Ihrer Meinung nach das besondere, Reservist zu sein in der Bundeswehr?

Die Bundeswehr hat eine besondere Rolle. Es hat für mich persönlich einen bestimmten Grund, dass ich mich zum Beispiel für meine Partei entschieden habe- und nicht für eine andere: Ich liebe die Freiheit und die Freiheit ist bedroht. Das sehen wir gerade in Europa an diesem Krieg in der Ukraine. Da geht es aktiv um die Freiheit der Menschen dort und deren Möglichkeiten, Ihr Leben zu leben wie sie wollen.

Die Bundeswehr schützt unsere Verfassung und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Bundeswehr schützt dieses Land davor, dass jemand anders kommt und uns ein anderes System aufoktroyiert. Es ist für mich ein ganz persönliches Anliegen, mich an dieser Aufgabe zu beteiligen. Ich möchte zum Schutz, den die Bundeswehr unserer Verfassung gewährt, beisteuern und freiwillig meinen Beitrag dazu leisten.

Das ist der Grund, warum ich mich für die Bundeswehr entschieden habe, um ehrenamtlich tätig zu sein.


Das komplette Interview stellt die Bundeswehr hier als PDF-Download zur Verfügung.

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