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Invictus Games: Die Bühne für ein Wunder

Alexander Ulrich nimmt Stufe für Stufe. Die Treppe neigt sich im dritten Stockwerk dem Ende zu. An der Glastür klingelt er. Es ist die Bundesgeschäftsstelle Bonn des Reservistenverbandes. Dort trifft sich der Soldat aus Hannover zu einem Pressegespräch. Thema: Seine Teilnahme an den Invictus Games in Den Haag im April 2022.

Alexander Ulrich vor der Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne in Hannover.

Foto: privat

Invictus Gamesveteranen

Dass Alexander Ulrich überhaupt Treppen steigen kann, ist ein Wunder. Der Stabsfeldwebel ist einer von vielen Einsatzsoldaten, die einen langen und mühsamen Weg hinter sich haben. Er gehört zu jenen Soldatinnen und Soldaten, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen aus dem Einsatz leben müssen. Ulrich hat es geschafft. Er hat sich mit Sport zurück ins Leben gekämpft, sich Alltagsroutinen erarbeitet. Bei den Invictus Games in Den Haag will er ein zweites Wunder schaffen.

Vor mehr als 20 Jahren war Alexander Ulrich als Feldjäger in einem KFOR-Kontingent in Mazedonien. Dieser Einsatz habe tiefe seelische Spuren hinterlassen. Bemerkt habe er dies aber erst Jahre später, als er aus einem Einsatz in Afghanistan heimgekehrt ist, berichtet Alexander Ulrich. Er habe verschiedene Situationen gemieden, unter Albträumen und Schlafstörungen gelitten. Fachärzte diagnostizieren Anfang 2021 eine einsatzassoziierte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Ulrich begibt sich in Behandlung. Doch die Albträume und Schlafstörungen halten weiterhin an. Unterschiedliche Situationen im Alltag erschweren ihm ein seine Teilhabe in der Gesellschaft. Ein langer Weg steht vor ihm. Aber Stabsfeldwebel Ulrich geht den ersten wichtigsten Schritt und nimmt eine helfende Hand an. 2016 kommt dann die schockierende Diagnose: Schädelbasistumor. Ulrich wird operiert. Die Ärzte können den Tumor nicht vollständig entfernen. Das Risiko einer körperlichen Lähmung ist zu groß. Seitdem kämpft Alexander Ulrich unter anderem mit Gleichgewichtsstörungen und motorischen Defiziten.

„Erst musste ich am Rollator und am Gehstock laufen. Dann wollte ich unabhängig davon sein“, sagt Alexander Ulrich. Er beginnt eine Langzeittherapie an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf. An der Sportschule genießen im Einsatz versehrte Kameradinnen und Kameraden eine Therapie, die interdisziplinär aufgebaut ist. Die Maßnahmen reichen von der allgemeinen ärztlichen Versorgung über psychologische Betreuung bis hin zu sportlichen und physiotherapeutischen Therapie-Einheiten. Die Zusammenarbeit erfolgt im Team mit anderen Kameraden.

Schritt für Schritt zurück zu sich selbst

Nach der Diagnose sei er plötzlich ein anderer Mensch gewesen, sagt Alexander Ulrich. Er habe sich gefragt: „Was kann ich noch?“ „Warum gehorcht mein Körper nicht mehr?“ Der Feldjäger habe zudem schnell festgestellt, dass er andere Wege gehen muss, um seine persönlichen Ziele erreichen zu können. Er muss professionell angeleitet werden. Das geschieht im Zentrum Sportmedizin der Bundeswehr mithilfe der Gruppe Sporttherapie. Diese leitet die Teilnehmer dazu an, sich erreichbare Ziele zu setzen, Schritt für Schritt. So ist ein Ziel, sich ohne Gehstock und Rollator bewegen zu können. Das schafft Alexander Ulrich nun trotz seiner motorischen Einschränkungen.

Nun hat der Stabsfeldwebel den nächsten großen Meilenstein vor Augen: die Invictus Games in Den Haag. Invictus bedeutet unbesiegt. Der Begriff zeugt von dem täglichen Kampf, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmer täglich durchleben und erfolgreich bestreiten. Es bedeutet, sich ins Leben zurückzukämpfen, ohne Trauma, ohne Stigma und ohne Vorurteile. Die Invictus Games gehen auf Harry, den Duke of Sussex, zurück. Er diente als Einsatzsoldat des britischen Heeres von 2007 bis 2008 in der afghanischen Provinz Helmand. Diese war zu dieser Zeit stark umkämpft. Nachdem er mit schwer verwundeten Kameraden in die Heimat zurückgekehrt war, entstand die Idee der Invictus Games. Harry wollte Antworten darauf finden, wie Soldatinnen und Soldaten nach schweren Traumata und seelischen Verletzungen zurück ins Leben finden. Seitdem ist Harry prominenter Schirmherr der Wettkämpfe.

Bei den Invictus Games in Den Haag werden 20 Wettkämpfer aus Deutschland an den Start gehen. Einer von ihnen wird Stabsfeldwebel Alexander Ulrich sein. Er wird in den Disziplinen Indoor-Rudern (eine Minute), Liegerad-Zeitfahren und seiner Paradedisziplin, dem Diskuswurf, antreten. Diese Disziplin ist für den Feldjäger, der mit Gleichgewichtsstörungen zu kämpfen hat, eine besondere Herausforderung. „Mein Ziel ist es, aus der Drehung zu werfen“, sagt Alexander Ulrich. Darauf arbeitet der Stabsfeldwebel, der an der Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr in Hannover seinen Dienst leistet, hin. Er bekommt Trainingspläne von der Sportschule Warendorf und begibt sich dorthin zusammen mit den anderen Wettkämpfern auch ins Trainingslager. Ulrich ist sehr dankbar für die Gelegenheit und Wertschätzung. Denn die Teilnahme ist nicht selbstverständlich. Nicht alle Athleten werden für die Invictus Games freigestellt, weil oft Unkenntnis darüber herrsche, welch wichtige Arbeit in diesen Trainingslagern geleistet werde, sagt Fregattenkapitän Lars Koch. Er ist Pressesprecher für die Invictus Games 2023, die die Bundeswehr zusammen mit der Stadt Düsseldorf in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens organisiert.

Training ist Teil der Therapie

Das Training für die Invictus Games ist für Alexander Ulrich Teil der Sporttherapie. „Ich versuche, mich physisch und psychisch immer zu verbessern“, sagt der Stabsfeldwebel. Mentale Stärke ist es neben dem Techniktraining, worauf es im Wettkampf ankomme. Denn die werde er brauchen, wenn er die Diskus-Drehung hinbekommen möchte. Bis dahin trainiert er den Diskuswurf aus dem Stand und versucht auch dabei, sich koordinativ zu verbessern. Dafür bekommt Ulrich auch außerhalb der Bundeswehr Unterstützung von seiner Familie und Freunden, die abseits des Wurfringes an seiner Seite stehen. Verstecken braucht sich Alexander Ulrich nicht. 2020 wurde er in seiner sportlichen Klasse M40 Deutscher Para-Meister im Diskuswurf.

Unter Druck lässt sich aber Alexander Ulrich nicht setzen. Es geht bei den Wettkämpfen nicht um Medaillen, Gold, Silber und Bronze. „Die Person, die an den Invictus Games teilnimmt, hat schon gewonnen. Denn die Teilnahme und der Weg dahin, sind schon ein riesiger Erfolg“, erläutert Alexander Ulrich. Bei den Invictus Games gehe es darum, das Vermächtnis derer zu ehren, die so viel gegeben haben. Sie verdienen eine Plattform die man sehen und feiern kann. „Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben und denjenigen danken, die mich unterstützt haben“, sagt Ulrich. In seiner Kaserne am Standort in Hannover ist er die Vertrauensperson der örtlichen Schwerbehindertenvertretung. Es sei wichtig, die Gesellschaft dafür zu sensibilisieren, Menschen mit Einschränkungen zu unterstützen und ihnen eine helfende Hand zu reichen, damit sie in den Alltag zurückfinden. Um diese Botschaft herüberzubringen, nehme er auch an den Invictus Games teil.

Alexander Ulrich freut sich auf die Wettkämpfe, zu denen ihn seine engsten Weggefährten und seine Familie begleiten werden. Vielleicht schafft er die Sensation und wirft den Diskus aus der Drehung. Seine Angehörigen sowie Kameradinnen und Kameraden drücken ihm die Daumen für so ein zweites Wunder. Die Bühne dafür sind die Invictus Games.

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