Auf dem Weg zu einer einsatzbereiten Reserve – Meilensteine 2025“ – unter diesem Motto steht die diesjährige Jahrestagung der Reserve der Bundeswehr. „Das Jahr 2025 steht nicht erst seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar in den Büchern, sondern beruht vielmehr auf dem Zeitstrahl für die Konsolidierung der Bundeswehr“, erläuterte gleich zu Beginn Generalleutnant Markus Laubenthal, Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und in dieser Funktion auch Beauftragter für Reservistenangelegenheiten.
Das Sondervermögen sei dabei der nötige Anschub („Boost“), mit dem nun viele Lücken geschlossen werden. Laubenthal meint damit in erster Linie die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten, parallel aber auch die großen Rüstungsprojekte. „Wir müssen modern sein, um abschrecken zu können.“ Zeitgleich laufe die Unterstützung für die Ukraine weiter. „Unsere Wirkmittel waren ein entscheidender Faktor, insbesondere im Kampf um Kiew“, berichtet Laubenthal. Die deutsche Hilfe werde wertgeschätzt. Und auch die Wahrnehmung der US-Amerikaner sei, dass Deutschland wieder „back in the game“ ist, berichtete der „Stellv. GI“ nach einem Arbeitstreffen in Washington DC.
Dennoch dürfe man die eigenen Verpflichtungen nicht vernachlässigen. Bis zum 1. April des kommenden Jahres soll die Struktur für die Grundbeorderten fertig sein, um diese „aus dem Container zu lassen“, wie Laubenthal es bildhaft ausdrückte. „Für all diejenigen, die sich um Schutz und Sicherung kümmern, müssen wir einfacher denken“, mahnte er an, vor allem mit Blick auf den „Flaschenhals BAPersBW“. Und: „Die Operationsräume, die wir in Deutschland haben, müssen wir auch schützen können.“ Als Beispiele nannte er Wilhelmshaven, Rostock oder auch Nörvenich. Frei nach dem Motto „Jeder schützt sich selbst“ soll im kommenden Jahr ein Pilotprojekt anlaufen. Das Heer ist hier erst einmal ausgeklammert, prinzipiell soll es jedoch so aussehen, dass die Marine ihre Standorte land- und seeseitig schützt und auch die Luftwaffe mit vier Sicherungszügen für vier Objekte für ihren eigenen Schutz sorgt. 30 Prozent der hier beorderten Reservisten – inkl. Material – soll spätestens nach 48 Stunden „auf der Straße sein“. Nachzulesen ist dieses Konzept in der neuen Weisung für die Reservistenarbeit, die Laubenthal nach der Jahrestagung öffentlich zur Verfügung stellen wird. Darin ebenfalls enthalten: Die Heranziehung per App ab Sommer 2023. „Die Reserve marschiert bei der Digitalisierung voraus“, sagte der „Stellv. GI“.
Bei Grundbeorderung nachjustieren
Ebenso wie Laubenthal bereitet auch Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg die Umsetzung der Grundbeorderung (GBO) noch einige Bauchschmerzen. „Die ersten Zahlen waren nicht befriedigend. Wenn bei Ausscheidergesprächen nicht für GBO geworben wird oder auch Abschlussuntersuchungen nicht durchgeführt werden, dann klemmt was. Da müssen wir nachjustieren“, mahnt der Präsident des Reservistenverbandes. „Die GBO ist ein Gewinn für beide Seiten und genau das muss in diesen Gesprächen klar kommuniziert werden. Vor allem aus den Bereichen Sanität und Cyber können wir die qualifiziertesten Leute für die Reserve gewinnen. Viel Zeit zum Überlegen sollten wir hier nicht verlieren, die Welt um uns herum wartet nicht“, sagte Sensburg mit Blick auf die geopolitische Großwetterlage.
Ferner begrüßte er, dass die Vollausstattung jedes einzelnen nun angegangen wird. „Mit 10.000 Gewehren für 60.000 oder gar 100.000 Mann kann ich nicht abschrecken.“ Doch auch diejenigen, die keine Waffe (mehr) brauchen, könnten ihren Beitrag leisten. „Wir haben in Deutschland zehn Millionen Menschen, die mal in der Bundeswehr gedient haben. Die können besser in die Gesellschaft wirken als jede Social-Media-Division.“
Der Mensch im Mittelpunkt
Findet auch die Verteidigungsministerin. „Diese Multiplikatoren sollte man nicht geringschätzen. Die Bundeswehr hatte noch nie ein so hohes Ansehen wie jetzt“, sagte Christine Lambrecht. Sie rückte in ihrer Ansprache die Menschen in der Bundeswehr – und in der Reserve – in den Mittelpunkt. „Wir reden viel über Zahlen, Geld, Waffensysteme. Wir müssen aber mindestens genauso viel über die Menschen reden. Denn ohne diejenigen, die alle ihre Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, nutzen auch die besten Systeme nichts.“ Die Ausrüstung sei deshalb auch nur ein Puzzlestück im komplexen Gebilde. Hier bestätigte die Ministerin noch einmal, dass die Truppe bis 2025 voll ausgestattet sein soll. Aber: Erstmal nur aktive, das müsse man auch so offen und ehrlich kommunizieren. Die Reservisten sind danach Schritt für Schritt an der Reihe. Zudem kündigte sie an, den bisher als Pilotprojekt laufenden Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz („Dein Jahr für Deutschland“) in den Regelbetrieb überführen zu wollen.
Darüber hinaus warb auch Lambrecht noch einmal für die Grundbeorderung. „Sie bietet eine militärische Heimat, sie gibt Planungssicherheit – auch den Arbeitgebern. Und sie ermöglicht eine heimatnahe Verwendung in der Reserve.“ Denn: „Die Bundeswehr funktioniert nur mit einer leistungsfähigen Reserve. Sinnvoll aufgestellt, personell voll besetzt, ausgestattet, integriert und voll motiviert – nur dann ist die Reserve sichtbar und wirksam. Darum müssen wir die richtigen Entscheidungen treffen, damit das Erforderliche auch ankommt.“
Morgen geht’s weiter
In weiteren Beiträgen stellte Generalleutnant Carsten Breuer „sein“ jüngst aufgestelltes Territoriales Führungskommando vor, die Chefs der Landeskommandos Bayern und NRW, Brigadegeneral Thomas Hambach und Brigadegeneral Dieter Meyerhoff, teilten ihre Erfahrungen rund um die Aufstellung der jeweiligen Heimatschutzregimenter und Oberst i.G. Frank Baumgard, Referatsleiter FüSK II 2 im BMVg, vertiefte nochmal den Einblick in den FWD Heimatschutz. Am morgigen Samstag geht die Jahrestagung der Reserve weiter, dann geht es unter anderem noch einmal um die bisherigen Erkenntnisse aus der Grundbeorderung und um ausgewählte Aspekte aus der Reservistenarbeit.