Sicherheitspolitische Hochschularbeit
„Junge Menschen interessieren sich sehr wohl für Sicherheitspolitik“
Jan Heidbüchel und Lukas Huckfeldt vom Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) haben ein Interview mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, geführt.
Herr General Zorn, als Generalinspekteur der Bundeswehr thematisieren Sie öffentlich sicherheitspolitische Themen in einer Vielzahl verschiedener Kontexte. Als studentischer Verband interessiert uns dabei natürlich, wie oft Sie mit Studierenden zu tun haben und welche Erfahrungen Sie dabei mitgenommen haben.
Ich habe die Veranstaltung mit dem BSH und der RWTH Aachen zum Thema Desinformation seinerzeit in Aachen sehr geschätzt, sowohl die große Diskussion in der Aula, als auch im kleineren Kreis mit Ihren Mitgliedern. Das hat mir viel Freude gemacht und das war für mich tatsächlich der Initialpunkt, immer wieder speziell auf studentische Organisationen und Veranstaltungen zu achten. Auch bei der Münchener Sicherheitskonferenz treffe ich jedes Jahr Studentinnen und Studenten unserer Hochschulen.
In diesen und anderen Gesprächen stelle ich immer wieder fest: Junge Menschen interessieren sich sehr wohl für Sicherheitspolitik. Sie nähern sich dem Thema aus einem anderen Blickwinkel. Meine Beobachtung ist, dass Sicherheitspolitik oftmals in stark eingerahmten Diskussionsforen behandelt wird, also innerhalb der “sicherheitspolitischen Community” und unter Fachleuten. Das kann mitunter einen etwas exklusiven Charakter bekommen und dazu führen, dass die Einbindung jüngerer, oftmals noch studentischer Interessierter in diesem Themenbereich erschwert wird. Ich halte das für problematisch, weil wir den sicherheitspolitischen Diskurs in die Breite der Gesellschaft bringen müssen und dafür braucht es die aktive Beteiligung junger Menschen. Sicherheitspolitik muss greifbar sein. Erklärt an konkreten Beispielen, unter Einbezug aller relevanten Themenfelder, müssen wir uns fragen: Wie wirkt sich ein bestimmter Aspekt auf die sicherheitspolitische Praxis aus? Welche Implikationen können beispielsweise Klima oder Migration haben?
Im Vergleich zu vergangenen Jahren interessieren sich junge Menschen nicht nur vermehrt für Sicherheitspolitik, es werden auch Positionen in einem Maße unterstützt, wie das vor einigen Jahren noch nicht der Fall war; beispielsweise, dass Deutschland sich stärker engagieren müsse, im Zweifel im Rahmen von militärischen Auslandseinsätzen. Woher kommt das?
Ihre Kommilitonen wissen, dass wir nicht alleine auf einer Insel leben. Wir sind global vernetzt. Cyber- und IT-Sicherheit sowie Klimaschutz machen nicht vor Landesgrenzen halt. Themen, die gerade in Ihrer Altersklasse ungemein stark besetzt sind. Die junge Generation erkennt, welche Chancen und Risiken in diesen Themenkomplexen stecken sowie deren sicherheitspolitische Relevanz. Aus militärischer Sicht muss man sich die Frage stellen, wie man solchen Herausforderungen begegnet. Neben den klassischen Teilstreitkräften braucht man entsprechende Fähigkeiten, um beispielsweise Cyber Angriffe auf kritische Infrastrukturen abzuwehren. Wenn, wie bei der jüngsten Hochwasser-Katastrophe, plötzlich das Handynetz zusammenbricht, kein Internet mehr funktioniert, der Strom mehrere Tage ausfällt, der Informationsfluss versagt und es in Schlagzeilen heißt, dass 1300 Menschen vermisst werden, dann merkt man plötzlich, welche Relevanz dies hat und wie abhängig wir jeden Tag von solchen Technologien sind.
Da wir gerade beim Thema Umwelt sind: Was sind Ihrer Erfahrungen nach Themen, mit denen man junge Menschen sicherheitspolitisch erreicht?
Was ich schon ansprach, ist sicherlich die Rolle des Klimawandels und dessen Konsequenzen für sicherheitspolitisches Handeln und andere Politikfelder. Die Bilder der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind uns allen bewusst und der Wiederaufbau wird Jahre dauern. Die Bundeswehr hat mit der Evakuierungsoperation aus Afghanistan heraus gerade einen schwierigen Einsatz abgeschlossen. Die Bilder von Frauen, Männern und Kindern, die von jetzt auf gleich alles zurückgelassen haben, um ihre Heimat zu verlassen, haben uns alle schwer berührt. Migration ist weder eine militärische Bedrohung, noch primär ein militärisches Betätigungsfeld, sondern eine Aufgabe der zivilen Krisenprävention. Dennoch bringt sie wie zuletzt in Kabul, aber auch im Rahmen des IRINI-Mandates [Militäroperation der Europäischen Union zur Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen – Anm. d. Redaktion] einen militärischen Einsatz mit sich. Dabei kann das Militär eine unterstützende Funktion bei der zivilen Krisenprävention darstellen.
Themen wie Umwelt, Migration oder Cyber-IT haben eine sicherheitspolitische Komponente und sind gleichzeitig in Ihrer Altersklasse stark verankert. Ich glaube es ist sinnvoll, dass etablierte Experten auf die jüngere Generation zugehen und ihre Ansichten sowie Erfahrungen einbringen. Allerdings ist das keine Einbahnstraße: Beide Generationen müssen mehr in den Diskurs eintreten.
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