Kneip: Streitkräfte brauchen mehr Flexibilität
"Wir brauchen in unseren Streitkräften – und auch in der Reserve – mehr Flexibilität, um auf hybride Bedrohungen mit der entsprechenden Wirkung reagieren zu können", sagte Generalleutnant Markus Kneip bei der vierten Veranstaltung der RAG Bundestag in diesem Jahr in Berlin. Flexibilität war eines der Schlagworte des Abends. Das andere: "Hybride Kriegsführung" – ein Phänomen, das spätestens seit der Annexion der Krim im vergangenen Jahr eine Renaissance erfährt. "Das wird eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre", sagte Bundestagsabgeordneter Prof. Dr. Patrick Sensburg, der die RAG Bundestag leitet.
Verwirrung und Destabilisierung
Kneip referierte: Schon seit der Antike werden hybride Taktiken in Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen angewandt – insofern sei es keine neue Erscheinungsform. Allerdings habe es der russische Präsident Wladimir Putin in der Ukrainekrise geschafft, die verschiedenen Werkzeuge und Mittel dieser auf Verwirrung und Destabilisierung zielenden Art der Kriegsführung in einer perfekten Weise miteinander zu kombinieren.
Vernetzter Ansatz unter umgekehrten Vorzeichen
Für westliche Gesellschaften sei hybride Kriegsführung ein Schlag ins Gesicht: Die Werte einer offenen Gesellschaft würden ad absurdum geführt. "Wir hingegen sind Soldaten der Menschenrechte und der Menschwürde", erklärte Kneip. Diese Ambivalenz baue einen Druck auf, der die Handlungsspielräume empfindlich einenge. Was übrig bleibt: "Wir müssen darauf mit Flexibilität reagieren, allerdings ohne den Rechtsrahmen zu verlassen und unsere Werte zu verraten." Das sei sowohl in den Strukturen und Regulierungen der Bundeswehr als auch in der Sicherheitspolitik eine große Herausforderung.
Eckpfeiler Rechtsstaatlichkeit
Hybride Kriegsführung sei der vernetzte Ansatz unter umgekehrten Vorzeichen, erklärte der Generalleutnant. Der vernetzte Ansatz als sicherheitspolitisches Konzept westlicher Staaten beruhe auf der Verflechtung von diplomatischen, ökonomischen, ökologischen, entwicklungspolitischen aber auch militärischen Mitteln zur Krisenprävention, Krisenbewältigung sowie Krisennachsorge. Rechtsstaatlichkeit, sogenannte Rules of Engagement sowie das Völker- und Kriegsrecht seien dabei moralische Eckpfeiler.
Anpassen an die neuen Herausforderungen
Kneip führte aus: Bei hybrider Kriegsführung scheren sich die Akteure indes nicht um Moral und Ethik. Sie benutzten dieselben ökonomischen, politischen oder militärischen Mittel, verzerrten sie aber ins Negative. Es gehe um Verwirrung und das auf allen Ebenen. Medien dienten nicht der Aufklärung, sondern der Propaganda, Soldaten würden ohne Hoheitsabzeichen in Kampfgebiete geschickt und seien als Kombattanten nicht mehr zuzuordnen, Geheimdienste operierten nicht mehr in der Nachrichtengewinnung, sondern wiegelten Minderheiten auf – die Palette sei groß. Wahrheit und Recht würden bis zum Brechen gebeugt.
Krisen richten sich nicht nach uns
Die Bundeswehr – und letztlich auch ihre Reserve – müsse flexibel sein, um den Herausforderungen hybrider Bedrohungen gerecht zu werden. Gefordert seien schnelle Reaktions- und Anpassungsfähigkeit. "Krisen richten sich schließlich nicht nach uns", betonte der Generalleutnant vor den Teilnehmern, zu denen regelmäßig auch Verbandspräsident Roderich Kiesewetter gehört. Die RAG Bundestag ist ein fraktionsübergreifendes Forum für alle im Bundestag als Abgeordnete tätigen Reservisten, sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses.
Victoria Eicker
Bild oben: Generalleutnant Markus Kneip (links) referierte
bei der Reservistenarbeitsgemeinschaft (RAG) Bundestag.
Bundestagsabgeordneter Patrick Sensburg (rechts)
ist Vorsitzender der RAG (Foto: Victoria Eicker).