Koalitionsvertrag: Was steht drin zu Bundeswehr und Verteidigung?
Die Parteispitzen von CDU/CSU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Auch die Verteidigungspolitik wird thematisiert. Zwar muss die Regierungskoalition noch einige Hürden nehmen, aber das Schriftstück bietet bereits einen Ausblick auf die möglichen politischen Weichenstellungen für die nächsten vier Jahre. Wer allerdings ein Statement zur Reserve sucht, liest besser die aktuelle loyal.
Auf die Reserve nimmt der vorliegende Entwurf des Koalitionsvertrages keinen expliziten Bezug. Im Fokus stehen die Befähigung der Bundeswehr zur Landesverteidigung, die Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten sowie die internationalen sicherheitspolitischen Verpflichtungen Deutschlands.
International: Mehr Verantwortung
Außenpolitisch solle Europa „eigenständiger und handlungsfähiger werden“. Das bedeute keine Abwendung von den USA, aber den Aufbau eigener arbeitsfähiger Strukturen im Sinne einer Europäischen Verteidigungsunion. An dieser Stelle nennt der Koalitionsvertrag die Fortführung der Permanent Structured Cooperation (Pesco; zu deutsch: permanente strukturierte Zusammenarbeit) innerhalb der EU und die Steuerung von gemeinsamen Rüstungsvorhaben über den Europäischen Verteidigungsfonds. Die Beschaffung von Rüstungsgütern werde in Zukunft noch stärker auf die europäische Ebene verlagert. Zusätzlich solle ein europäisches Hauptquartier errichtet werden, welches zivile und militärische Einsätze führen könne. Darüber hinaus müsse Deutschland „mehr eigene Verantwortung für seine Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit übernehmen“. Es soll also nicht nur die EU, sondern auch Deutschland, mehr Engagement zeigen und selbstbewusster in der internationalen Politik auftreten.
Keine zwei Prozent?
Eine konkrete Summe, mit der die Bundeswehr ausgestattet werden soll, wird nicht genannt. Grundlage für die Finanzplanung sei der 51. Finanzplan. Die drei Parteien erkennen die Notwendigkeit von Militäreinsätzen, bekräftigen aber zugleich die Bedeutung von „Krisenprävention, humanitäre[r] Hilfe, auswärtige[r] Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit“. Aus diesem Grund sollen Ausgaben im Bereich Verteidigung eins zu eins an Etaterhöhungen im Bereich Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung gekoppelt werden. Ziel sei es, die Verteidigungsausgaben anzuheben, um „dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO [zu] folgen“ und „die vereinbarten NATO-Fähigkeitsziele [zu] erreichen“. Ein explizites Bekenntnis zur Investition von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes – wie vom Verteidigungsbündnis vorgegeben – bleibt damit aus. Entstehende Haushaltsspielräume würden aber genutzt, um den Verteidigungs-Etat aufzustocken.
Rüstung und Ausrüstung
Das Bekenntnis zur Nuklearen Teilhabe bleibt weiter Teil der sicherheitspolitischen Agenda Deutschlands. Im Koalitionsvertrag steht dazu verklausuliert: „Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben“. Dies geht nur, wenn die Bundeswehr auch weiterhin Trägerflugzeuge für amerikanische Atomwaffen zur Verfügung stellt.
Die von Verteidigungsministerin von der Leyen „eingeleiteten Trendwenden Personal, Material und Finanzen“ würden fortgeführt. Auch für die kommende Legislaturperiode gelte: „[d]ie Bundeswehr beschafft, was sie braucht, und nicht, was ihr angeboten wird“. Obwohl, wie bereits beschrieben, Rüstungsprojekte nach Möglichkeit multilateral angegangen werden sollen, wolle die Koalition „[z]um Erhalt nationaler Souveränität bei Schlüsseltechnologien […] vergaberechtliche Spielräume konsequenter nutzen“. Bestimmte Aufträge würden also trotzdem nur inländisch vergeben. Dies solle auch dann gelten, wenn bei Auslandseinsätzen Versorgungslücken umgehend geschlossen werden müssten. Dafür würden „Auslegungshilfen für den Verzicht auf den EU-weiten Teilnahmewettbewerb“ bereitgestellt. Damit diese gar nicht erst entstünden, stelle die Bundeswehr den Soldatinnen und Soldaten die „bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung […] – dies gilt insbesondere auch für den Bereich der persönlichen Ausstattung“. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Versorgungssituation auch tatsächlich verbessert.
Tradition
Die Bundeswehr soll eine neue Tradition bekommen. Der Koalitionsvertrag legt fest: „Ein zukunftsweisender Traditionserlass wird vornehmlich die eigene Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunkt stellen.“
Erhöhung der Forschungsausgaben
Zur Anhebung der Verteidigungsausgaben zählt auch die verstärkte Investition in „außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Sachverstand[…]“. Gemeint ist damit zum Beispiel die Erhöhung der Finanzmittel der Bundesakademie für Sicherheitspolitik.
Cybersicherheit
In Sachen Cybersicherheit soll zusätzlich zum Kommando Cyber- und Informationsraum die „Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ aufgestellt werden. Dabei handele es sich um ein Gemeinschaftsprojekt von Verteidigungs- und Innenministerium. Zusätzlich werde „zum Schutz sicherheitsrelevanter Schlüsseltechnologien“ ein IT-Sicherheitsfonds geschaffen.
Wie geht es weiter?
Im nächsten Schritt müssen die Parteien dem ausgehandelten Entwurf des Koalitionsvertrages zustimmen. Im Falle der Zustimmung bei CDU/CSU und SPD kann der Bundestag zusammentreten, um auf Vorschlag des Bundespräsidenten Angela Merkel erneut zur Kanzlerin zu wählen. Diese wiederum schlägt dem Bundespräsidenten ihr Kabinett zur Bestätigung vor.