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Die Reserve

Kriegstüchtigkeit – eine Herausforderung

Wer sich als Reservist in der Bundeswehr engagieren möchte, kommt an ihr nicht vorbei: der Abteilung VI des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw). Bei vielen Reservisten stellen sich die Nackenhaare auf, wenn sie diese Abkürzung hören. Und Geschichten gibt es fast so viele wie über Verspätungen bei der Deutschen Bahn. Mal fehlte eine Akte, mal dauerte es von der Bewerbung bis zur ersten Heranziehung länger als ein Jahr. Oder zwei. loyal hat diese Anekdoten zum Anlass genommen, beim Leiter der für die Reserve zuständigen Abteilung VI, Oberst Wilhelm Neißendorfer, nachzufragen: Warum klappt es nicht mit meiner Beorderung, Herr Oberst?

Symbolbild: Soldatinnen und Soldaten eines Heimatschutzregiments auf Streife im Rostocker Hafen während der Übung "National Guardian".

Foto: Archiv/Sören Peters

personalreserve

Allzu einfach lässt sich die Frage nicht beantworten, zu viele Faktoren fallen bei der Einplanung von Reservistinnen und Reservisten ins Gewicht. „Zunächst einmal ist der dienstliche Bedarf entscheidend“, erklärt Neißendorfer. Die Truppe kommuniziert ihren Bedarf Richtung BAPersBw. Daraufhin werden die Kameraden dort aktiv und suchen nach Personal. Wenn es um die Reserve geht, ist das eben die Abteilung VI. Rund 330 Kameradinnen und Kameraden kümmern sich dort um die Personalführung der Reserve. Das sind derzeit etwa 15.000 Grundbeorderte und 30.000 Beorderte in der Verstärkungs- und Personalreserve, hinzu kommen ca. 110.000 unbeorderte Reservistinnen und Reservisten. „Es ist zunehmend herausfordernd, doch für das, was aktuell Auftrag ist, noch auskömmlich“, sagt Neißendorfer. Über mangelndes Personal kann er nicht klagen, 97 Prozent der ihm zur Verfügung stehenden Dienstposten sind besetzt. Praktisch: Auch hier kommen zahlreiche Reservedienstleistende in den verschiedenen Sachgebieten zum Einsatz.

Personalmangel ist es schonmal nicht, was den Prozess von außen betrachtet so träge erscheinen lässt. Wir spielen einige Szenarien durch. Als aktuelles Beispiel sprechen wir zuerst über den Heimatschutz und die Ausbildung Ungedienter für die Laufbahnen der Mannschaften der Reserve als unterster Einstiegshürde. Gleich beim Assessment im Karrierecenter wird die Sicherheitsüberprüfung durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) eingeleitet – ein erstes Nadelöhr. Wie lange diese Überprüfung dauert, hängt nämlich vom einzelnen Fall ab und kann pauschal zumindest an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Die Erfahrungswerte schwanken zwischen vier Wochen und sechs Monaten. Um das Personal aber bereits an die Bundeswehr zu binden, erfolgt schon zu diesem Zeitpunkt die Beorderung – quasi als „Rahmenvertrag“, wenn man es so nennen möchte. Der Bewerber kann schonmal eingekleidet werden, aber noch nicht üben, bzw. an der Waffe ausgebildet werden.

Der Bedarf ist entscheidend

Dann steht noch die ärztliche Untersuchung an. Wichtig: Die Tauglichkeitskriterien sind über den Dienstposten vorgegeben, festgelegt von der Truppe in enger Abstimmung mit dem Kommando Sanitätsdienst. Wer also in einem Heimatschutzregiment Wach- und Sicherungsaufgaben übernehmen möchte, muss hier mit 50 Jahren die gleichen Anforderungen erfüllen wie ein 18-Jähriger. Gleiches gilt für dringend benötigte Spezialisten. Im Heimatschutz sind das IT-Fachleute, Feldköche oder Kfz’ler. Zivile Qualifikationen müssen hier mit den rechtlichen Vorgaben der Bundeswehr und den daraus abgeleiteten Vorschriften zusammenpassen. Um diese Thematik geht es später noch einmal. „Ja, die Bundeswehr sucht Personal, aber nicht jeden“, sagt Neißendorfer. Denn am Ende müssen Reservisten die gleichen Anforderungen erfüllen wie Aktive. Um es noch einmal zu betonen: Der Bedarf ist entscheidend, der Kommandeur muss sich am Ende des Tages darauf verlassen können, dass der Reservist den Auftrag genauso gut erfüllt wie der Aktive.

Um beim Beispiel des Mannschaftssoldaten im Heimatschutz zu bleiben, ist das vor allem die körperliche Eignung. Als zweites Nadelöhr kommen in diesem Zusammenhang die Kapazitäten bei den Musterungs-, bzw. Truppenärzten aufs Tableau. Nicht selten wird bei lebenserfahreneren Bewerbern noch eine zweite Untersuchung oder ein Termin beim Facharzt fällig. „Hier kollidieren in einigen Fällen Motivation und Tauglichkeit“, weiß Neißendorfer. Zum Personalmanagement gehören manchmal eben auch Erwartungs- und Enttäuschungsmanagement. Zwar gibt es auch Verwendungen ausschließlich im Stabsdienst, doch die sind selten. Wenn jemand einen steifen Rücken hat oder zu klein ist für sein Gewicht, ist das nicht die Schuld des Truppenarztes. Kriegstüchtigkeit setzt eben auch Kriegstauglichkeit voraus.

Oberst Wilhelm Neißendorfer an seinem Schreibtisch in der Siegburger Brückberg-Kaserne. Im Herbst übernimmt er im BMVg das „Reservistenreferat“ EBU I 2 von Oberst i.G. Peter Haupt. (Foto: Bundeswehr)

Was dann noch fehlt ist das polizeiliche Führungszeugnis, das in der Regel binnen zwei Wochen vorliegt. Das BAPersBw steht hier in engem Austausch mit dem Bundesamt für Justiz. In einigen Fällen müssen die ungedienten Bewerber noch ihre Kriegsdienstverweigerung widerrufen, das geschieht durch ein Schreiben an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Liegt dann auch die Sicherheitsüberprüfung durch das BAMAD vor und ist an allem ein grüner Haken dran, kann es endlich losgehen, oder?

Nichts gegen den Willen der Arbeitgeber

Rund vier Wochen vor dem Reservedienst kommt der Heranziehungsbescheid. Jedoch sollte eine Dienstleistung bei beorderten Reservistinnen und Reservisten mindestens acht Wochen vorher durch die Truppe beim BAPersBw VI angefordert werden. Bei unbeorderten Reservistinnen oder Reservisten sollte ein größerer Vorlauf eingeplant werden, wenn die letzte Dienstleistung schon länger zurück liegt. Rein formell können Reservistinnen und Reservisten dem widersprechen. Das kommt nur höchst selten vor und klingt erstmal recht bürokratisch, ist jedoch dem Freiwilligkeitsprinzip geschuldet. Noch eine letzte Hürde muss der Reservist nehmen. „Unsere Doktrin ist: Wir machen nichts gegen den Willen der Arbeitgeber“, sagt Neißendorfer. Zwar beobachtet er hier seit Beginn des Ukrainekrieges, dass das Verständnis der Arbeitgeber zunimmt. „Aber es ist ein Unterschied, ob VW einen Reservisten freistellt oder ein Zimmermannsbetrieb mit zwei Gesellen.“ Schon allein deshalb ergebe der lange Vorlauf Sinn. „Sowohl Reservistinnen und Reservisten als auch der Arbeitgeber brauchen Planungssicherheit“, betont Neißendorfer.

Dann können die Reservistinnen und Reservisten aber endlich üben. Oder die Ungedienten ihre Grundausbildung antreten.

Noch komplexer wird es bei Bewerbenden, und nun ihre zivilberufliche Qualifikation in die Truppe einbringen wollen. Häufig ist die Verwertbarkeit des Zivilberufs eine Hürde, da diese nicht mit dem Bedarf der Truppe zusammenpasst. Die Personalführung orientiert sich hier an der aktiven Truppe, also auch an den Gesetzen und Vorschriften. Möglicherweise muss die Reservistin oder der Reservist also noch eine Schulung oder einen Lehrgang absolvieren, um die Fähigkeiten in die Bundeswehr einbringen zu können – bisweilen ein drittes Nadelöhr. Zwar ist es grundsätzlich so, dass 20 Prozent aller Lehrgangsplätze Reservistinnen und Reservisten vorbehalten sein sollen, doch bei Bedarf hat die aktive Truppe Vorfahrt. Hier spielen Faktoren wie beispielsweise das Laufbahnrecht eine entscheidende Rolle. „Das ist unbefriedigend, wenn Lehrgänge kurzfristig abgesagt werden müssen“, bedauert Neißendorfer und bittet um Verständnis. Vor allem nach der Pandemie habe es einen regelrechten Ausbildungsstau gegeben. Eine Gegebenheit, die sich zumindest kurzfristig nicht ändern lässt. Betroffenen Reservistinnen und Reservisten rät Neißendorfer, mit der Personalführung Verbindung aufzunehmen. Auch wenn das an der Situation nichts ändert, so wird die Lage zumindest erklärt.

Reservistenberatung im Karrierecenter

Doch es gibt auch andere Wege zurück in die Truppe. Der kürzeste führt über die Reservistenberatung im Karrierecenter. „Die Kameraden sind mit den Einheiten in der mittelbaren Umgebung vernetzt und haben tagesaktuelle Bedarfslisten vorliegen. Sie können die Bewerberinnen und Bewerber entsprechend lenken“, weiß Neißendorfer. „Hier wurden bei der Bewerbung auf einen bestimmten Dienstposten schon Qualifikationen entdeckt, die an anderer Stelle dringend gebraucht wurden.“ Jeden Monat kommen auf diesem Weg rund 100 Anfragen von unbeorderten Reservisten rein, die der Truppe ihre Unterstützung anbieten. Rund die Hälfte von ihnen findet in kurzer Zeit über eine Einzelvermittlung durch die Abteilung VI den Weg in die Truppe.

Eine andere Möglichkeit ist es, mit seiner (früheren) Einheit Verbindung aufzunehmen oder einen nicht-aktiven Truppenteil zu kontaktieren. Die S1-Abteilung (Personal und Reservistenangelegenheiten) nimmt anschließend Kontakt zur Abteilung VI auf und formuliert ihren Bedarf. Die Abteilung VI prüft dann, ob der Bewerber auf den Dienstposten passt ist und ob die nötigen Untersuchungen vorliegen. Aber: Der Truppenteil muss die Beorderungssicherheitsüberprüfung beim BAMAD selbst einleiten

Unterm Strich ist es so wie in der freien Wirtschaft: Die Nachfrage und der Bedarf bestimmen den Markt. „Die Truppe fordert an und wir versuchen, diesen Bedarf mit qualifiziertem Personal zu decken. Wenn die Parameter auf allen drei Seiten passen – bei der Truppe, beim Reservisten und bei seinem Arbeitgeber – dann können wir auch verlässlich planen und diesen Bedarf decken“, fasst Neißendorfer zusammen.


Wer sich direkt in der Reservistenabteilung des BAPersBw informieren möchte, erreicht die Kameraden über die kostenlose Hotline (+49 800 7246856) und über den Org-Briefkasten: BAPersBwVIReservistenanfragen@bundeswehr.org. Beorderten Reservistinnen und Reservisten steht selbstverständlich auch der den Dienstweg über den Beorderungstruppenteil jederzeit offen. Eine Übersicht mit allen Karrierecentern, die allesamt über eine Reservistenberatung verfügen, finden Sie hier.

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