Landes- und Bündnisverteidigung ist wieder auf der Agenda
Der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber, selbst Reservist und seit mehr als 20 Jahren Mitglied im Reservistenverband in Hessen, brachte die beiden Seiten dieser Frage bereits in seiner Begrüßung auf den Punkt: "Wir müssen erreichen, dass Arbeitgeber es als eine Bereicherung empfinden, ihre Mitarbeiter freizustellen. Es schadet aber auch nicht, sie an ihre vaterländische Pflicht zu erinnern." Denn die Bedeutung der Reserve wächst, während der natürliche Zustrom nach Aussetzung der Wehrpflicht ausbleibt. Daher gelte es auch, den Reservistinnen und Reservisten den Sinn ihres Dienstes klar zu vermitteln, z.B. in den neuen Landesregimentern.
Im kommenden Jahr startet das Pilotprojekt. "Damit das erste Landesregiment ein Erfolg wird, braucht es klare Aufgaben und eine gute materielle Ausstattung. Wir müssen den Menschen, die ihre Freizeit opfern und ihre Familien und die Arbeit für den Dienst verlassen, zeigen, dass es sich lohnt." Tauber vertrat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Tagung, die aufgrund ihrer Asien-Reise verhindert war.
Landesregimenter und Ausbildung von Ungedienten
Die Idee der Landesregimenter ist eine Antwort auf die veränderte sicherheitspolitische Lage, in der sich Deutschland befindet. In der Allgemeinen Reserve schlummert noch großes, ungenutztes Potenzial, das es zu aktivieren gilt. "Wenn wir Wohlstand, Frieden und Freiheit schützen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass dieses Land sicher und wehrhaft bleibt", sagte der Präsident des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Oswin Veith MdB eingangs. Zusammen mit Tauber eröffnete er die gemeinsame Tagung in der Hauptstadt. "Vor zwei Jahren habe ich hier von der Idee der Landesregimenter geträumt und auch skeptische Blicke geerntet. Heute stehen wir kurz vor der Indienststellung des ersten Regimentes. Die Ausbildung Ungedienter in Berlin entwickelt sich gut, die Teilnehmer sprühen vor Begeisterung, Motivation und Patriotismus. Wir wären verrückt, wenn wir der Bundeswehr diese Ressource nicht zugänglich machten", fuhr Veith fort.
Artikelgesetz bringt verbesserte Bedingungen
Und Ressourcen braucht die Bundeswehr aufgrund der veränderten Anforderungen. Der Stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Vizeadmiral Joachim Rühle, machte deutlich: "Landes- und Bündnisverteidigung ist wieder auf der Agenda, und zwar gleichrangig zu Missionen und Einsätzen." Das werde auch in der für das kommende Jahr geplanten "Strategie der Reserve" deutlich. Um die Rahmenbedingungen für den Dienst noch attraktiver zu gestalten, sei derzeit ein Artikelgesetz auf dem Weg, das eine ganze Reihe von Neuregelungen beinhaltet. So solle u.a. die rentenrechtliche Absicherung verbessert werden, Teilzeit-Dienste sollen Flexibilität bringen, die Kennzeichnung von Reservisten durch die kleine schwarz-rot-goldene Kordel soll entfallen. Verbesserungen, die notwendig sind, um ehemalige Soldatinnen und Soldaten zu motivieren, sich nach Ausscheiden aus der Bundeswehr weiter zu engagieren.
Den eigenen Wert erkennen und damit werben
Genauso entscheidend ist auch die Bereitschaft der Arbeitgeber in Deutschland, ihre Mitarbeiter für den Dienst in den Streitkräften freizustellen. Um diese Seite zu beleuchten, war Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft, zur Tagung gekommen. Er sensibilisierte die Zuhörer für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, vor allem aber auch für den eigenen Wert: "Ehemalige Soldaten werden im Mittelstand gerne eingestellt, sie sind flexibel, führungsstark und stresserprobt." Doch die Streitkräfte müssten auch selbst mehr für ihre Reserve werben, um Anerkennung und die Bereitschaft zu erhöhen, sich zu engagieren und Mitarbeiter freizustellen. Eine Verpflichtung ist aus Sicht Ohovens aber der falsche Weg: "Staatliche Zwangsmaßnahmen wären kontraproduktiv." Stattdessen müsse den Unternehmern bewusst gemacht werden, dass ihre Mitarbeiter immer mit neuen Fähigkeiten und einer neuen Perspektive aus der Bundeswehr zurückkehren.
Unternehmen profitieren von Freistellung
Dass Unternehmen in hohem Maße von der Erfahrung der Reservistendienstleistenden profitieren können, bestätigte Dirk Hoke, Chief Executive Officer (CEO), bei Airbus Defence and Space: "Die Bundeswehr ist in den vergangenen 30 Jahren drastisch geschrumpft, gleichzeitig hat sich die Welt dramatisch verändert. Das Thema Sicherheitspolitik ist heute wichtig wie nie. Das zeigt, wie hoch die Bedeutung der Reserve ist." Die Bereitschaft zur Freistellung von Mitarbeitern bei Airbus sei groß, man wolle der Verantwortung gerecht werden – in Deutschland, genauso wie z.B. in Frankreich, wo nach den Anschlägen in Paris auch Airbus-Mitarbeiter als Reservisten gemeinsam mit der französischen Polizei Streife liefen. Gleichzeitig profitiere das Unternehmen, dessen größter Kunde die deutsche Bundeswehr ist, von der Erfahrung, mit der die Angestellten aus den Übungen zurückkehren: "Sie helfen uns, die gleiche Sprache zu sprechen."
Zeiten des Umbruches erfordern Pragmatismus
Der Generalinspekteur der Bundeswehr gab den Tagungsgästen am Samstag persönlich einen Überblick über die aktuelle Lage und Entwicklungen in den Streitkräften. Über die Bedrohungsanalyse, die veränderten Herausforderungen und die materielle Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten trug General Eberhard Zorn mit vielen persönlichen Eindrücken aus den ersten sechs Monate seiner Arbeit als "GI" vor. Der truppendienstliche Vorgesetzte aller Soldaten ist viel unterwegs, er nimmt seine Aufgabe der Dienstaufsicht ernst. In der Folge weiß er auch, wo den Menschen in der Bundeswehr der Schuh drückt. Reservisten spielen unabhängig von ihren Kernaufgaben in der Bundeswehr derzeit noch eine besondere Rolle: Bis zur Zielgröße von 173.300 Männern und Frauen bis Ende 2018 ist es noch ein weiter Weg, zu lange dauert die Ausbildung von Feldwebeln und Offizieren, um die vakanten Stellen in der Kürze der Zeit zu füllen. "Um diese Dienstposten zu besetzen, brauche ich Wiedereinsteller, Seiteneinsteiger und Reservisten. Alle drei Zielgruppen sind unverzichtbar, um die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erhöhen."
Vorträge aus der Bundeswehr und den Partnernationen
Die Tagung wurde bereichert von einem Grußwort des Vorsitzenden des Beirats Reservistenarbeit, Generalmajor a.D. Robert Löwenstein und dem Bundesgeschäftsführer des Reservistenverbandes, Oberstleutnant d.R. Christoph Max vom Hagen. Oberstleutnant i.G. Andreas Haggenmiller und Oberstleutnant Detlef Schachel trugen für das Referat für Reservisten und Veteranen, FüSK III 4, im Verteidigungsministerium vor; Oberst Benedict Freiherr von Andrian-Werburg, Leiter des Kompetenzzentrums für Reservistenangelegenheiten beim Streitkräfteamt, und Oberst i.G. Gerhard Dette, Abteilungsleiter der Abteilung IV im Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr informierten über den aktuellen Sachstand der Reserve. Zum Ende der Tagung, die auch vom Austausch mit dem Publikum geprägt war, wagten die Gäste noch einmal einen Blick über den Tellerrand: Der Niederländer Colonel Ernst Lobbezoo und Oberst Reinhard Guggenberger aus Österreich gaben Einblick in die Reservestrukturen ihrer Nationen und deren Herausforderungen.
Die Weichen für die Zukunft sind gestellt
"Wir können aus den letzten beiden Tagen der Diskussion mitnehmen, dass wir auf einem guten Weg sind, vieles ist angestoßen. Wir, die Politik, die Streitkräfte und Sie als Reservistinnen und Reservisten, haben es in der Hand. Lassen Sie und für die gemeinsame Sache eintreten, für die Reserve werben und die Sicherheit unseres Landes damit festigen", resümierte der Präsident. Es geht voran für die Reserve.
Symbolbild oben:
Soldaten trainieren die Landes- und Bündnisverteidigung
bei der Übung Trident Juncture, hier 2015 auf Sardinien.
(Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt)
Zweites Bild:
Oberst d.R. Oswin Veith MdB,
Präsident des Reservistenverbandes.
(Foto: Bundeswehr/Weber)
Drittes Bild:
Mario Ohoven, Präsident des
Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft.
(Foto: Archiv/Bundeswehr/Wilke)
Bild unten:
Generalinspekteur Eberhad Zorn.
(Foto: Nadja Klöpping)