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Lesestoff für den Lockdown: Social Media und Sicherheitspolitik




Symbolbild. Wenn es wieder wärmer wird, kann man zumindest wieder auf dem Balkon in der Sonne schmökern.

Foto: Nathan Aguirre via unsplash.com

buchvorstellung

Immer noch Lockdown. Netflix ist schon komplett durchgeschaut und die Muckibude ist auch noch dicht…mal schauen, was sich so auf Facebook getan hat? Oder doch mal ein bisschen lesen? Beide Themen vereint das Buch „Digitaler Faschismus – die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus“. Social-Media-Redakteur Julian Hückelheim hat sich das Buch mal angeschaut.

Im Netz der Rechtsextremisten

Heute schon einen Beitrag gepostet, einen Kommentar abgesetzt, ein Foto geliked oder nur faul durch den Feed gescrollt? Ja? Ich auch – und ich kann ihnen versichern, es gibt noch mehr von uns da draußen. Kaum jemand kann sich heute noch der Anziehungskraft der Sozialen Medien entziehen. Bedauerliche Tatsache: auch Rechtsextremisten wissen diese Möglichkeiten zu nutzen. Und sie sind damit ziemlich erfolgreich. Konfliktforscher Maik Fielitz und Sozialwissenschaftler Holger Marcks decken in ihrem Buch „Digitaler Faschismus. Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus“ die Mechanismen auf, die dafür eine Rolle spielen.

Die Frage nach einer Begriffsklärung ist dem Buch in den Titel geschrieben. „Faschismus“ ist ein Reizwort, welches in engem Zusammenhang mit Krieg und Gewalt im 20. Jahrhundert steht und daher besondere Assoziationen und Reaktionen hervorruft, dessen Definition in der Fachwelt aber umstritten ist. Fielitz und Marcks lösen sich in ihrem Verständnis von einer festgeschriebenen Bedeutung und plädieren für ein dynamisches Begriffsverständnis, welches sich dem Wandel der Zeit anpasst. Dabei verweisen sie auf die Entwicklung anderer politischer Strömungen, denen auch ein Bedeutungswandel zugestanden würde. In ihrer Arbeitsdefinition nach Robert Paxton begreifen sie den Faschismus zudem weniger als Ideologie, sondern als soziales Phänomen.

Reminder: Freitag, 18 Uhr, Reserve und Demokratie

Für die faschistische Logik sei es zentral, „einen Ausnahmezustand zu konstruieren, der dann außerordentliche Kraftanstrengungen verlangt, damit sich die Nation von feindlichen und schädlichen Elementen befreit.“ Um den Faschismus als „digital“ zu begreifen, verweisen die Autoren auf die erfolgreiche Agitation rechter Gruppierungen in den Sozialen Medien. In ihrem Buch stellen sie daher die These auf, dass Mechanismen und Funktionsweise der Sozialen Medien die Verbreitung rechtsextremen Gedankengutes auf besondere Art und Weise begünstigen: „Das Zusammenspiel aus Beschleunigung, Personalisierung und Emotionalisierung der öffentlichen Kommunikation hilft offenbar jenen Kräften, die einfach und schnelle Antworten auf komplexe Probleme liefern, während die neuen Möglichkeiten der Desinformation es zugleich einfacher machen, der Öffentlichkeit Sündenböcke zu präsentieren.“ Wie das?

Es zählt, wie mitreißend die Geschichte ist

Ein Beispiel: Fielitz und Marcks schreiben, die Mobilisierung gelänge über Narrative, welche Betroffenheit auslösen, wobei Angst eine zentrale Rolle spiele. Genau für diese Art des „digital Storytellings“ sei das faschistische Narrativ von der Bedrohung der Nation besonders geeignet. Beim Stricken dieser Angstgeschichten kommt es nicht auf ihre Stichhaltigkeit an. Eine mangelhafte Faktenlage werde mit moralischer Überlegenheit überspielt. Es zählt, wie mitreißend die Geschichte ist, auch wenn es sich um ein Märchen handelt. „Im digitalen Zeitalter ist ein erfolgreicher Rechtsextremist folglich ein guter Geschichtenerzähler“, folgern Fielitz und Marcks. Viele Krisen bieten Anknüpfungs- bzw. Angriffspunkte für das Spinnen derartiger Narrative.

Fielitz und Marcks arbeiten sich systematisch durch das Ökosystem der Sozialen Medien und legen offen, wie es rechtsextreme Propaganda begünstigt und Rechtsextreme seine Mechanismen geschickt für sich nutzen. Die systematische Hetze hat Folgen. Der polarisierende Kampf um die Köpfe gefährde letztlich die Demokratie, wenn andere Meinungen pauschal als „Bullshit“ abgetan würden. Das Buch öffnet die Augen – für die Bedeutung der Sozialen Medien als Leitmedien und die Bedeutung der Art der öffentlichen Kommunikationsmittel und -wege für unser politisches System. Das macht es zu einem Must-Read, nicht nur für Social-Media-Addicts. Dafür gibt es ein Like.

Maik Fielitz, Holger Marcks: „Digitaler Faschismus. Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus“, Dudenverlag, 18 Euro, ISBN: 978-3-411-74726-9

Über ein Das-sollte-man-mal-gelesen-haben-Buch stolperte Online-Redakteur Sören Peters vor ein paar Wochen bei Twitter. Allein schon, weil der Autor Wolfgang Ischinger heißt, und das ist halt ein Name auf der sicherheitspolitischen Bühne. Obwohl die Schlussredaktion bereits 2018 erfolgte und das Taschenbuch Anfang 2020 erschien, ist das Werk brandaktuell. Komplexe Zusammenhänge werden tiefgründig und dennoch leicht verständlich erklärt.

Europa muss „weltpolitikfähig“ werden

Probleme staatlicher Gesundheitsversorgung können leicht zu Problemen der internationalen Sicherheit werden. Diesen Satz schrieb Wolfgang Ischinger im Sommer 2018 während der Schlussredaktion seines Buches „Welt in Gefahr“. Corona war da noch weit weg. Als Referenzen zog der renommierte Sicherheits- und Außenexperte die Pest und die Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika heran. Im gleichen Zusammenhang bleibt ein Zitat von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr im Gedächtnis: „Die Gesundheit eines Menschen ist zunehmend auch die Gesundheit anderer.“ Hellseherische Fähigkeiten? Wohl kaum, sondern eher ein Beleg für die Aktualität des Buches.

Drei Jahre sind im sicherheitspolitischen Diskurs eine lange Zeit. Zwar ist das ein Jahr weniger als eine Legislaturperiode in der Bundesrepublik dauert, und doch beschäftigen wir uns mit den immer wiederkehrenden Themen: China, Russland, Brexit – und dann ist da auch noch das transatlantische Verhältnis. Umso bemerkenswerter ist es also, dass Wolfgang Ischinger in „Welt in Gefahr“ all jene Themen bereits aufgreift.

Schutz der europäischen Außengrenzen

In neun Kapiteln erklärt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz die aktuelle Gemengelage auf der Weltbühne und gibt einen Ausblick auf die Herausforderungen und Chancen der Außenpolitik im 21. Jahrhundert. Hier müsse Europa handlungsfähiger, also „weltpolitikfähig“ werden. „Dazu gehören konkret außenpolitische Mehrheitsentscheidungen, die Verteidigungsunion und der Ausbau des Schutzes unserer europäischen Außengrenzen“, fordert Ischinger. Deutschland müsse hier zwei Kategorien von europäischen Staaten auf dieselbe Spur bringen: diejenigen, die wissen, dass sie klein sind und diejenigen, die das noch nicht wissen und denken, sie könnten ihre Ziele im nationalen Alleingang erreichen. Ferner müsse Deutschland eine strategische Kultur entwickeln, Bündnisse pflegen und Trennlinien durch Europa überwinden.

In weiteren Kapiteln analysiert der frühere Botschafter in Washington und London die USA, eine Supermacht, die nicht mehr Weltpolizist sein will und geht der Frage nach, ob das Verhältnis zu Russland in einen neuen Kalten Krieg steuert. Der Krieg in Syrien ist ebenso Thema wie die begrenzte Macht der Vereinten Nationen und des UN-Sicherheitsrates, wenn es darum geht, bei militärischen Konflikten zu intervenieren. Mit Blick auf die Europäische Union bekräftigt Ischinger die Einsicht, dass Europa ein fähiger Akteur auf der Weltbühne werden muss und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik deshalb gestärkt werden müsse.

Auch wenn seit dem Erscheinungsdatum drei Jahre in die Welt gegangen sind, haben die Themen an Aktualität nichts eingebüßt. Wolfgang Ischinger erklärt die komplexen Ursachen der zahlreichen heutigen Krisen und skizziert seine Vision einer europäischen Zukunft in Frieden und Stabilität.

Wolfgang Ischinger: „Welt in Gefahr“, Ullstein Taschenbuch-Verlag, 12,99 Euro, ISBN: 978-3-548-06096-5

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