Loyal – Titelthema des Monats Januar 2015
Die Furcht vor einem kalten Winter
Es war im vorigen Sommer, als Baufirmen in der Ukraine mit der Wärmedämmung von Häusern viel Geld verdienten. Der Grund: Die Bewohner fürchteten einen kalten Winter und versuchten, ihre Immobilien gegen die Kälte zu rüsten. Das war kein Aktionismus, sondern pure Not. Die Ukrainer hatten ihre Erfahrungen gemacht: Der russische Präsident Wladimir Putin hatte ihnen im Juni 2014 das Gas abgedreht. Was war passiert?
Nach dem Sturz des Kreml-nahen Präsidenten Viktor Janukowitsch und der außenpolitischen Neuorientierung der ukrainischen Übergangsregierung in Richtung Europäischer Union hatte der russische Gasmonopolist Gazprom den Gaspreis für die Ukraine von 285 US-Dollar je 1.000 Kubikmeter Erdgas auf fast das Doppelte erhöht. Das war für die Ukraine nicht hinnehmbar. Sie zahlte nicht und Russland stellte das Gas ab.
Dieser Lieferstopp ist nur ein Beispiel dafür, wie Russland den Gaspreis als außenpolitisches Instrument nutzt. Ein anderes findet sich mit Litauen. Das baltische Land musste für sein Gas bis April 2014 ein Drittel mehr als Deutschland bezahlen. Erst nachdem die litauische Regierung angekündigt hatte, sich mit einem Flüssiggasterminal von russischem Gas unabhängig zu machen, senkte Russland den Preis. Litauen hat jetzt Verhandlungsmacht, kann im Gaspoker selbstbewusst auftreten und günstigere Preise heraushandeln. Für andere ost- und mitteleuropäische Länder sind Preisaufschläge von zehn bis 30 Prozent für russisches Gas im Vergleich zu Deutschland aber immer noch ganz normal. Vor allem russland-kritische Regierungen in ehemaligen Staaten der Sowjetunion bestraft Putin gern mit hohen Gaspreisen oder er dreht ihnen gleich ganz den Hahn ab. Die Ukraine kann davon ein Lied singen. Wer sich hingegen genehm verhält, dem macht Russland auch gern mal einen günstigen Preis.