Loyal-Titelthema des Monats Juli/August 2010
Die Bundeswehr steht vor dem größten Umbau ihrer Geschichte. Noch ist nicht ausgemacht, was er bringen wird. Einstweilen gilt: In jeder Krise liegt eine Chance. Von Marco Seliger.
Alles wird anders
Anfang Juni tritt im Kanzleramt in Berlin die Bundesregierung zusammen. Dass die beiden Klausurtage turbulent würden, war in Anbetracht der Euro- und Finanzkrise sowie der prekären Haushaltslage schon vorher absehbar. Doch was das Kabinett dann beschließt, kommt in seinen Auswirkungen auf die Streitkräfte einem Erdrutsch gleich. Bis Ende 2014 soll das Verteidigungsressort 8,3 Milliarden Euro einsparen, unter anderem durch die Streichung von 40.000 Dienstposten für Zeit- und Berufssoldaten. Verteidigungsexperten in Berlin zufolge, ginge dies mit einem Einstellungsstopp und weitreichenden Folgen für die Regeneration der Bundeswehr einher. Zeitgleich wären damit erhebliche Einschnitte in die Struktur, die Ausrüstung und die militärischen Fähigkeiten sowie – zwangsläufig – Standortschließungen verbunden. Zur Zukunft der Wehrpflicht, von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zuletzt mehrfach in Frage gestellt, trifft das Kabinett keine abschließende Entscheidung. Kanzlerin Angela Merkel kündigt eine "ergebnisoffene" Diskussion darüber an, doch halten es Verteidigungsexperten für vorstellbar, dass die Wehrpflicht zum 1. Januar 2011 ausgesetzt und damit quasi abgeschafft wird. Dient die Euro- und Finanzkrise also als probates Argument, um die Reform der Bundeswehr und ihre Umwandlung von der Wehrpflicht- zur Berufsarmee zu beschleunigen? Deutschland bekommt eine andere Armee. So viel scheint jedenfalls sicher.