Loyal-Titelthema des Monats Mai 2010
Der Feind
Das Gespräch mit General Bashir wird zur Lehrstunde über den Feind der Bundeswehr in Nordafghanistan. Ein Gegner, der den deutschen Truppen inzwischen so sehr zusetzt, dass in Berlin auch die politische Führung nicht mehr daran zweifelt, was die Soldaten schon seit geraumer Zeit empfinden: Es herrscht Krieg, zumindest in einigen Gebieten. Die lassen sich recht genau benennen. Es sind sechs Distrikte (Landkreise) im Raum Kunduz und zwei Distrikte im Raum Baghlan. In diesen beiden Gebieten, genauer in dem Ort Isa Khel bei Kunduz und nahe der Stadt Baghlan, sind in den vergangenen Wochen sieben deutsche Soldaten bei Gefechten mit den Taliban gefallen, ein knappes Dutzend wurde teils schwer verletzt. Die Vorgehensweise der Angreifer erfolgte beide Male ausgesprochen koordiniert und militärtaktisch geschult, teils unter Verwendung moderner Waffen wie Panzerfäusten.
Mit wem hat es die Bundeswehr zu tun? Die Paschtunen im Norden, erklärt General Bashir, siedeln vorwiegend in der Provinz Kunduz und im Norden der Provinz Baghlan, wo sie jeweils die größte ethnische Gruppe repräsentieren. Die Mehrzahl von ihnen stammt von der Stammeskonföderation der Ghilzai ab, deren Hauptsiedlungszone erstreckt sich über den Südosten Afghanistans bis nach Pakistan. Neben den Stämmen der Durrani sind die Ghilzai die größte Konföderation in Afghanistan. Beide konkurrieren traditionell um die politische Macht in der Region, schlossen sich aber dennoch Mitte der 1990er Jahre den Taliban an. Ein wesentlicher Anlass für die Ghilzai war, dass Taliban-Führer Mohammad Omar, bekannt als Mullah Omar, dem Stamm angehört, auch Gulbuddin Hekmatyar, der nach wie vor wichtigste Anführer der Hezb-i-Islami, ist ein Ghilzai. Die Hezb-i-Islami ist nach den Taliban die zweitgrößte Terror- und Widerstandsgruppe in Afghanistan. Sowohl Taliban als auch Hezb-i-Islami operieren im Raum Kunduz, vor allem die Taliban erhielten aus der paschtunischen Bevölkerung in der Region in den vergangenen drei Jahren verstärkten Zulauf. Bei den meisten der lokalen Taliban handelt es sich um "Teilzeitkämpfer", die sich gelegentlich und gegen Bezahlung anheuern lassen. Sie werden, sagt General Bashir, unterstützt von Kräften aus dem Süden des Landes, die vor der verstärkten Präsenz und Aktivität der US-Amerikaner in den Norden ausgewichen sind. Eine Einschätzung, die Afghanistan-Experten in Deutschland teilen, in der Nato so jedoch nicht bestätigt wird.