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Maritimer Heimatschutz: Reservisten sichern Marinestützpunkt

Knapp ein Jahr lang hat ein Team aus Reservedienstleistenden im Stab der Einsatzflottille 1 die Übung „Resolute Guard 2021“ geplant. Ein Pilotprojekt, bei dem ausschließlich Reservistinnen und Reservisten bestimmte Bereiche im Marinestützpunkt Kiel bewachten und in eingespielten Lagen bis zum vermeintlich scharfen Schuss verteidigen mussten. Dabei war unklar ob der Feind aus der Luft, vom Boden oder von der Wasserseite aus angreift.

Demonstranten versuchen, in den abgesperrten Bereich zu gelangen.

Foto: Marcel Kröncke

Der Schütze und sein Spotter bei der Drohnenabwehr.

Foto: Marcel Kröncke

Auch bei Nacht ist am Checkpoint höchste Konzentration gefragt.

Foto: Marcel Kröncke

Die Schutzkräfte haben die Lage vor Ort immer fest im Griff.

Foto: Marcel Kröncke

Abschlussrede von Generalleutnant Laubenthal vor der Reservekompanie.

Foto: Marcel Kröncke

Bereits im Vorfeld begann die Ausbildung der angehenden Schutzkräfte. An zahlreichen Wochenenden trafen sie sich auf dem Truppenübungsplatz Putlos, um ihre Kenntnisse im Umgang mit dem Gewehr G36 sowie der Pistole P8 wieder aufzufrischen – wir berichteten. Im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung sollen sie die Marinestützpunkte an Nord- und Ostsee schützen. Eigentlich eine Aufgabe für die Heimatschutzkompanien der Landeskommandos. Doch diese verfügen nicht über das Zusatzwissen und die spezifische Ausbildung der seeseitigen Bewachung. Dieses ist aber essenziell, wenn die Gefährdungsstufe bei kritischer Infrastruktur wie eben den Marinestützpunkten, Marinefunksendestellen oder der Unterwasserortungsstelle auf Fehmarn hochgesetzt wird.

Der Marinestützpunkt in Kiel mit seinem Tiefwasserhafen dient auch als Anlaufstelle für die NATO-Bündnispartner. Umso wichtiger ist es, vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Weltlage für einen Ernstfall gewappnet zu sein. So sehen es auch die 78 Freiwilligen, die sich in der Woche vor der Volltruppenübung Resolute Guard 2021, der Zusatzausbildung in Kiel stellten. In mehreren Abschnitten durchliefen alle Teilnehmer die Ausbildungen mit den Inhalten Checkpointbetrieb, Drohnenabwehr sowie die seeseitige Absicherung unter Einsatz von Schnellbooten. „Alle sind hoch motiviert. Es gibt niemanden, der nicht mit Freude bei der Sache ist. Wir sind ja auch freiwillig hier“, sagte Bootsmann der Reserve Tim Hoffmeister.

Im September war es dann so weit. Die Ausbildung mündete in eine groß angelegte Objektschutzübung. In einem System aus zwei Wachen teilten sich jeweils 35 Reservedienstleistende eine Sechs-Stunden-Schicht. Zu Beginn jeder Wache teilte der Gruppenführer die Soldaten in die einzelnen Stationen ein. Dann verlegten sie gemeinsam zum Übungsort. Dort war die Lage dann undurchsichtig, es konnte jederzeit etwas passieren.

Sicherung der Zufahrt

Am Checkpoint kontrollierten die Reservisten die Ein- und Ausfahrten der Fahrzeuge und den Personenverkehr. Die Gefährdungs-stufe „Charlie“ war im abgesperrten Bereich ausgerufen. Das bedeutete: Verstärken der Absicherungsmaßnahmen personeller und materieller Art und Aufnahme bzw. Erhöhen der Streifentätigkeit. Der Kontrollpunkt war mit Sperrbarrikaden und Stacheldraht vollständig abgeriegelt. Ein Sicherungssoldat saß zusätzlich auf einem Lkw im Maschinengewehr-Nest und sorgte damit für zusätzli-che Feuerkraft. Ausgebrachte Barrieren sorgten für einen Slalomkurs. So wurden die Fahrzeuge gezwungen, sich langsam dem Checkpoint zu nähern.

Personenkontrolle im Zelt. (Foto: Marcel Kröncke)

Dort überprüfte ein Soldat die Einfuhrgenehmigungen der Passierwilligen: SWaren die Papiere fehlerhaft oder wirkten die Per-sonen nervös, entschied der Checkpointführer, das Fahrzeug in einem separaten Bereich nach Sprengstoff und Waffen abzusuchen. Dabei schauten die Wachsoldaten unter anderem mit einem Spiegel unter die Karosserie. Im Anschluss erfolgte die Personenkontrolle. In einem blickdichten Zelt tastete ein Soldat die zu überprüfende Person ab, immer mit dabei: ein Sicherungssoldat. „Wir sind nett und freundlich, aber bestimmt“, sagte der Checkpointführer, und fügte hinzu: „Haben wir natürlich eine konkrete Gefährdung, wird die ganze Sache intensiviert.“

Drohnenabwehr mit dem Störsender

Drohen gehören mittlerweile zum Alltag. Sie sind im Handel frei verfügbar und können im schlimmsten Fall zu einer echten Bedro-hung werden. Drohnenangriffe auf die Bundeswehr, vereinzelt oder im Schwarm, müssen Sicherungskräfte abwehren können. Zusammen mit der Flugabwehrraketengruppe 61 der Luftwaffe aus Todendorf und der Landespolizei Nordrhein-Westfalen erspähten die Sicherungskräfte anfliegende Drohnen in der Sperrzone. Nach Rücksprache mit dem Gruppenführer machte sich ein Schütze bereit, die feindliche Drohne mit einem schultergestützten Störsender zu erfassen. Der Schütze fixierte die Drohne in der Luft und gab so den anderen Schutzkräften die Möglichkeit, die Drohne mit einem gezieltem Schuss oder mit einem Wurfnetz zu zerstören. Neben dem Schützen hatte auch der Spotter das Flugobjekt immer im Blick. Er war der Zielanweiser des Schützen und beobachtete das Flugobjekt mit einem Fernglas.

„Schüsse vor den Bug“

Die Breite der Einfahrt des Marinehafens in Kiel beträgt knapp 150 Meter. Ein Bereich, den Sicherheitskameras zwar abdecken, bei Erhöhung der Gefahrenlage die Wache jedoch nicht abriegeln kann. In zwei Schlauchbooten patrouillierten die Schutzkräfte entlang der Außenmole. Zusätzliche Absicherung bekamen sie aus dem „Hafenschutzdemonstrator“ der Wehrtechnischen Dienststelle 71 aus Eckernförde. In einem Container liefen alle Kameras, Radarbilder und Sensoren zusammen. Mehrere Soldaten werten die Daten aus und fassen sie in einem Echtzeitlagebild zusammen.

Als ein Boot mit Demonstranten in den Marinestützpunkt einlaufen wollte, konnten die Auswerter die Informationen schnell an die patrouillierenden Einheiten weitergegeben. Die Speedboote reagierten sofort und nahmen Fahrt auf. Durch ruhige Ansprache versuchten die Besatzungen, das Boot zur Umkehr zu bewegen. Die Demonstranten ließen sich nicht beirren und drangen in den Sicherheitsbereich ein. Jetzt war eine reelle Gefahrenlage gegeben. Durch gekonnte Manöver drängte die Schlauchbootbesatzung das Boot ab. Mit „Schüssen vor den Bug“ schafften es die Soldaten, die Demonstranten zur Umkehr zu bewegen.

Unterbringung vor Ort

Mitten im Marinestützpunkt stand ihr Camp. Dort lebten und schliefen die 78 Reservedienstleistenden während ihrer zwölftägigen Übung. In sogenannten Typ-2-Zelten waren sie untergebracht – ein kleines Dorf mit zusätzlichem Versorgungszelt, Geschäftszimmer und Lagezentrum. Für das leibliche Wohl der Kompanie sorgten sieben Köche. In ihrer Feldküche standen sie von morgens um vier bis abends um 23 Uhr. Denn neben den Übenden mussten auch die Ausbilder sowie die Lagedarsteller, insgesamt knapp 120 Personen, mit ausgewogenem Essen versorgt werden.

Während der zwölftägigen Übung waren die Reservistendienstleistenden in Typ-2-Zelten untergebracht. (Foto: Marcel Kröncke)

Sanitätsübung Schneller Delphin

Am letzten Tag der Übung wurden die Objektschutzkräfte auf eine besondere Weise gefordert. Im eigenen Sperrbereich fand die Sanitätsrettungsübung Schneller Delphin statt. Dabei kam es unter anderem auf dem Tender Rhein, der an der Pier lag, zu einer Explosion mit acht Verletzten. Rettungskräfte und Sanitätsfahrzeuge benötigten einen sofortigen, uneingeschränkten Zufahrtsweg, was die Sicherungskräfte am Checkpoint vor eine Herausforderung stellte. Gemeinsam mit der Besatzung des Tenders halfen die Reservisten beim Abtransport der Verletzten. Auch ein Lagezelt der Drohnenabwehreinheit wurde kurzer Hand für die Versorgung der Verletzungen umfunktioniert.

Ein besonderes Projekt

Der Besuch des Befehlshabers der Flotte und der Unterstützungskräfte, Vizeadmiral Rainer Brinkmann, und des Stellvertretenden Generalinspekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant Markus Laubenthal, zeigte den Stellenwert dieses Pilotprojekts der Marine: „Da müssen sich junge aktive Kampfeinheiten lange strecken, bis sie dahin kommen, was Sie leisten. Die Summe vieler Karrieren, Lebenserfahrung, militärischer Erfahrung, vielfältige Einsatzerfahrung und die verschiedensten Truppengattungen machen dieses Projekt besonders“, sagte Laubenthal.

Insgesamt waren die Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine durch die Reserveleistenden vertreten. Auch Vizeadmiral Brinkmann zog nach seinem Besuch ein abschließendes Fazit: „Wir haben uns versprochen, dass wir Erkenntnisse sammeln über das Gewinnen von Reservisten, das Trainieren von Reservisten und die notwendige Infrastruktur zur Unterbringung dieser Kräfte. Viele Informationen, die wir jetzt vor der Brust haben, müssen wir in weitere Überlegungen und künftige Ausbildung einfließen lassen.“

Für den maritimen Heimatschutz benötigt die Marine auch in Zukunft motivierte und fähige Reservistinnen und Reservisten.

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