MBA Studiengänge für Offiziere – Qual der Wahl?
Zeitoffiziere verpflichten sich in der Regel für zwölf Jahre bei der Bundeswehr. Um sich optimal auf die zivile Wirtschaft vorzubereiten, absolvieren viele von ihnen ein MBA (Master of Business Administration) Programm. Mittlerweile gibt es drei solcher Programme, die sich auf die Zielgruppe der Offiziere spezialisiert haben. Ein Vergleich.
"Das Studium an den Universitäten der Bundeswehr liegt beim Ausscheiden bereits fünf Jahre zurück. Da die Halbwertzeit des Wissens immer weiter sinkt, sticht dieser Trumpf des Hochschulstudiums immer weniger. Daher erachte ich es als besonders wichtig, sich mit aktuellen Problemstellungen der Ökonomie zu beschäftigen und konkrete gegenwärtige Fälle zu durchleuchten", sagt Hauptmann André Riedl, der vor mehreren Jahren an der Universität der Bundeswehr München Wirtschafts- und Organisationswissenschaften studierte und bald die Bundeswehr verlassen wird.
Weiterbildung durch die Gfw mit ESB Reutlingen
Wie er stehen viele ausscheidende Offiziere vor der Frage, wie sie sich weiterqualifizieren sollen. Bisher nahm vor allem die Gesellschaft für Weiterbildung (Gfw) in München mit speziellen Weiterbildungsprogrammen eine wichtige Rolle ein. So gründete das Institut zusammen mit der European School of Business (ESB) Reutlingen vor zwei Jahren den "MBA für Offiziere". Dieser Studiengang war vom Aufbau auf Offiziere ausgerichtet. Das Studium teilte sich so auf, dass die Studenten einen Part während ihrer aktiven Dienstzeit und den anderen Teil nach dem Ausscheiden absolvieren konnten. Damit sollte das Arbeitsaufkommen und die zeitliche Belastung nach dem Ausscheiden geringer gehalten werden. Außerdem war es somit möglich die finanziellen Ansprüche durch den Berufsförderungsdienst während und nach der Dienstzeit voll nutzen zu können. Damit waren die ausscheidenden Zeitoffiziere sicher, einen hoch qualifizierten Abschluss erwerben zu können.
Aus eins mach drei Studiengänge
Die ESB Reutlingen hat sich mittlerweile von der Gfw abgespalten und führt das Programm "Internationaler MBA für Offiziere" in Zusammenarbeit mit der Universität der Bundeswehr München weiter. Die Gfw auf der anderen Seite hat mit der Hochschule Deggendorf einen neuen Partner gefunden, der das MBA Programm "Der MBA für Offiziere" durchführt. Neu ist auch das Programm der Hochschule Kempten, die mit dem "International Officers MBA" im März 2009 starten.
Vergleichende Kriterien
Da jetzt für die Zeitoffiziere der Bundeswehr drei verschiedene Anbieter am Start sind, gilt es diese zu vergleichen. Für die Offiziere, die hauptberuflich bei der Bundeswehr ihren harten Dienst versehen und in den Auslandseinsätzen eingesetzt sind, kommt es in erster Linie darauf an, ihre kostbare Freizeit sinnvoll einzusetzen. Außerdem gilt es zu prüfen welche Inhalte der jeweilige Studiengang bietet, zudem spielen die Reputation der Universität und natürlich die Kosten eine Rolle. Zusammenfassend sollen folgende Kriterien untersucht werden: Organisation und Durchführung, Bundeswehrerfahrung, Studieninhalte, Kosten, Auslandsaufenthalt, Sprache, Reputation und Karrierechancen, Bekanntheitsgrad, Akkreditierung, Besonderheiten.
Organisation und Durchführung
Die Organisation und Durchführung ist bei allen drei Anbietern ähnlich aufgebaut. Alle gestalten ihr Studium in einer berufsbegleitenden Phase, einer Präsenzphase und einer abschließenden Masterarbeit. Unterschiede bestehen darin, wie häufig die Teilnehmer in den ein bis zwei Jahren vor dem Ausscheiden am Hochschulstandort erscheinen müssen.
- Reutlingen setzt neben sechs Wochenendpräsenzen in dieser Phase stark auf das Fernstudium, um die Anwesenheit zu reduzieren und hat neben München auch eine Zweigstelle in Hamburg errichtet. Die sechsmonatige Präsenzphase findet daher neben Reutlingen an diesen Orten statt.
- Beim Deggendorfer Programm sind die Präsenzphasen in Wochenendblöcken in Deggendorf und in München im ersten Semester. Der Rest des zweiten und des dritten Semesters bildet eine zehnwöchige Präsenzphase in München plus drei Wochen Auslandsaufenthalt. Das vierte Semester besteht aus der Masterarbeit. Insgesamt sind 19 Workshops á zwei Tage und zehn Wochen Präsenzphase plus zehn Tage mit Aufenthalt im Ausland vorgesehen.
- Das Programm der Hochschule Kempten beinhaltet neben sechs Wochenendseminaren zusätzlich zwei Präsenzwochen in Kempten. Die Präsenzphase erstreckt sich über drei Monate in Kempten und weiteren sechs Wochen im Ausland.
Die Anbieter besitzen große Erfahrung im Bereich der MBA Ausbildung, bieten Sie doch seit einigen Jahren mehrere weitere MBA Programme an. So sind es in Reutlingen 150, in Deggendorf etwa 100 und Kempten über 50 MBA Teilnehmer pro Jahr (ohne Offizier MBA). Obwohl alle Standorte bezüglich der Rankings ihrer normalen Diplomstudiengänge werben, liegt noch kein Ranking bezüglich der MBA Abschlüsse vor. Alle Anbieter weisen darauf hin, dass die Teilnehmer nach dem MBA Abschluss eine deutlich steilere Karriere hingelegt haben und sich die Karrierechancen dadurch enorm verbessert haben.
Hauptmann der Reserve Bastian Kuhl hat bereits einen MBA für Offiziere mitgemacht und sagt aus eigener Erfahrung: "Der MBA mit einem hohen Praxisbezug gibt dem Offizier den letzten Schliff, den er als Führungskraft in der freien Wirtschaft braucht."
Voraussetzungen
Alle Hochschulen verlangen von den Teilnehmern mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Bundeswehr, ein abgeschlossenes Studium sowie bestimmte Englischkenntnisse. Meist weisen die angehenden Studenten ihre Kenntnisse durch ein Bewerbungsgespräch an der jeweiligen Hochschule nach.
Alle Studiengangsleiter haben Erfahrungen mit der Bundeswehr. Prof. Stefan Busch ist ehemaliger Zeitsoldat und unterrichtet seit mehreren Jahren an der ESB Reutlingen. Prof. Dr. Rainer Marr bringt als Vorstandsvorsitzender der Gfw seine Erfahrungen als emeritierter Professor der Universität der Bundeswehr München in Deggendorf mit ein. Und in Kempten ist mit Prof. Dr. Martin Göbl ebenfalls ein ehemaliger Zeitsoldat Studiengangsleiter des MBA Studiengangs, der mit Herrn Etschmann einen langjährigen Mitarbeiter (und Oberstleutnant d.R.) der Gfw an seiner Seite hat.
Die Programme bieten eine solide MBA Ausbildung an, die in ihrem Aufbau genau auf die ausscheidenden Zeitoffiziere zugeschnitten ist. Reutlingen, deren Programm bereits seit einiger Zeit läuft, hat die höchste Erfahrung im Bereich des Offizier MBAs. In Deggendorf wurde dieses Jahr der erste Durchgang gestartet, so dass noch keine Erfahrungen vorliegen. Erwähnenswert ist das neue Kemptener Programm, bei dem man merkt, dass viele Wünsche und Anregungen der bisherigen Ausbildung eingeflossen sind. Die englische Sprache und der Auslandsaufenthalt lehnen sich stark an den internationalen MBA Abschlüssen an und schaffen die internationale Vergleichbarkeit und Berufschancen.
Weitere Informationen
ESB Reutlingen/UniBw München
Deggendorf
Hochschule Kempten
Warum einen MBA Abschluss?
"Ein MBA ist international anerkannt. So stellt sich ein Einstieg bei einem ausländischen Arbeitgeber leichter dar", erklärt Hauptmann Sascha Hertel, der derzeit seinen MBA in Reutlingen macht. Der MBA Abschluss ist nämlich durch den Bologna Prozess noch wichtiger geworden. Denn mit diesem Bologna Prozess werden in Europa alle akademischen Studiengänge vereinheitlicht. Für die Nachwuchskräfte von morgen soll es möglich sein, sich überall in Europa bewerben zu können und dabei nicht immer den eigenen Studiengang erklären zu müssen. Deshalb wird das in Deutschland bekannte Diplom sukzessive durch Bachelor- und Masterabschlüsse abgelöst.
Der MBA stellt in diesem Zusammenhang den "höchsten" Abschluss dar, da er nicht konsekutiv – also direkt im Anschluss an das Bachelorstudium in Vollzeit – sondern exekutiv, das heißt meist berufsbegleitend durchgeführt wird. Zugelassen werden nur Teilnehmer, die über eine gewisse Berufserfahrung verfügen und durch deren Hintergrund das umfassende Managementdenken innerhalb von Unternehmen erwerben sollen. Der Abschluss "Master of Business Administration" ist über 100 Jahre alt und stammt aus den USA. Er besitzt ernorme internationale Bekanntheit. Wurde er früher als "allgemeine, generelle" BWL Ausbildung gesehen, gibt es seit einiger Zeit immer mehr Programme, die darüber hinaus eine Spezialisierung anbieten, um nicht zu "generalistisch" zu bleiben.
Studieninhalte
Die Studieninhalte der Programme integrieren alle wichtigen Fächer des "General Management". Eine Besonderheit bietet das Programm von Kempten. Neben dem generellen Studiengang "International Business Management and Consulting" gibt es Vertiefungen in "Projekt Management", "Human Ressources" und "Logistics Management". Programmplaner Prof. Göbl erläutert: "Mit diesen Fächern haben ehemalige Zeitoffiziere die besten Karrierechancen, da sie darin am besten ihre Berufserfahrung nutzen können. Wir sind der Meinung, dass für generalistisch tätige Offiziere eine Spezialisierung vor dem Berufseinstieg von hoher Bedeutung ist."
Auch Reutlingen hat jetzt die Spezialisierungsidee aufgenommen. Es besteht die Möglichkeit zwischen den Schwerpunkten "Marketing und Sales", "International Management Consulting and Leadership" und "International Finance and Control" zu wählen. Weiterhin bietet Kempten auch einige Wahlfächer, um möglichst jedem Teilnehmer den für ihn höchsten Nutzen zu generieren. Durch den Abschluss bestimmter Wahlfächer in Verbindung mit einer weiteren Veranstaltung kann der Teilnehmer zusätzlich den Abschluss "Business Mediator" erlangen.
Text: Thomas Brackmann