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Militär und Entrepreneurship

Politik und Militär in Deutschland und Frankreich stehen an der Spitze sicherheitspolitischer, militärischer und wirtschaftlicher Herausforderungen in Europa. Die Ansätze damit umzugehen, unterscheiden sich markant. Während Deutschlands Militär trotz fast zweijähriger Zeitenwende noch um Strukturen und Risikominimierung ringt, hat Frankreich mit seiner Startup-Nation-Strategie und der Einbindung des Militärs als wirtschaftlichen Akteur den Wandel bereits eingeleitet.

(Bild: Tima Miroshnichenko via pexels.com)

Durch Kriege und Krisen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Deutschland verstärkt in seine Verteidigungsfähigkeiten investieren muss. Dies gilt in Qualität und Quantität. Der Bedarf an Innovativen wird dabei größer. Gleichzeitig werden Innovationszyklen in der Forschung und Wirtschaft schneller, doch die Bundeswehr scheint davon nur begrenzt profitieren. In der Vergangenheit war das Militär eine führende Kraft bei technologischen Fortschritten. Bahnbrechende Innovationen wie Satelliten, moderne Flugzeuge und Halbleiter gingen oft aus militärischen Initiativen hervor, bevor sie sich in der zivilen Welt durchsetzten. Doch in der Periode um das Ende des Kalten Krieges kam es zu einem bedeutenden Wandel. Der Schwerpunkt der Innovation verlagerte sich vom Militär auf den zivilen Sektor. Im Wesentlichen begann das Militär, sich auf die Privatwirtschaft zu stützen, mit ihr zusammen zu entwickeln oder direkt ihre Innovationen zu beschaffen.

Innovationen im Verteidigungssektor

In der Geschäftswelt führen Startups und Tech-Unternehmen mit ihrer Agilität und Wendigkeit oft bahnbrechende Technologien ein und lassen größere, etablierte Unternehmen hinter sich zurück. Diese Dynamik lässt sich auch auf den Verteidigungssektor übertragen. Innovation muss dabei nicht immer von außen kommen. Es können auch innerhalb von Organisation neue Ideen entwickelt und umgesetzt werden, von sogenannten Intrapreneuren. Intrapreneure können genauso wie ihre Pendants aus der Wirtschaft die Innovationsfähigkeit steigern, indem sie interne Projekte und Innovationsvorhaben mit einem großen Maß an Autonomie und Eigenständigkeit umsetzen. Dies gilt auch für den öffentlichen Sektor und die Bundeswehr. Das Fördern der Startup-Wirtschaft und die damit zusammenhängende Art des Arbeitens bekommt dadurch eine Bedeutung für die Verteidigungsfähigkeit des Landes.

Es gibt jedoch Unterschiede zwischen Ländern in der Art und Weise, wie sie ihre Startup-Kulturen betrachten, fördern und nutzen. Schon der Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich zeigt große Unterschiede. Diesen Unterschieden liegen kulturelle, historische und struktureller Faktoren zugrunde. Die Betrachtung dieser Nuancen kann Aufschluss darüber geben, wie das Potential des Entrepreneurships für die Innovation im Militärbereich weiter genutzt werden kann. Die Idee dahinter ist simpel. Wer, wenn nicht die Soldatinnen und Soldaten, die die militärischen Herausforderungen kennen wie sonst niemand, ausgestattet mit den richtigen Ressourcen und Methodik, können an den Lösungen für die militärischen Innovationen der Zukunft arbeiten. Als Grundlage dafür muss es aber klare Rahmenbedingungen und auch eine Strategie der Führung geben. Der Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland ist dabei aufschlussreich, was bereits funktioniert, welches Potential besteht und welche Hürden noch überwunden werden müssen.

Zentralisierung in Frankreich, Verantwortungsdiffusion in Deutschland?

Trotz Gemeinsamkeiten im Bereich Forschung und Entwicklung sowie der Beschaffung wird das Thema Innovation in den Armeen in Frankreich und Deutschland unterschiedlich gehandhabt. Auf der deutschen Seite ist das inzwischen berüchtigte Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) für die Anschaffungen verantwortlich. Daneben unterstützt es die Streitkräfte zusammen mit den wehrtechnischen Dienststellen und der Forschung aus den Bundeswehruniversitäten mit Technologien und Innovationen. Es gibt aber keine zentrale Stelle in der Bundeswehr, die die Förderung von Innovation und deren Steuerung zentral steuert. Auch wenn die Forderung zur Schaffung einer neuen Arbeitsgruppe, einer Abteilung oder Stabes in der bereits kopflastigen Organisation Bundeswehr Skepsis hervorrufen sollte, zeigen sich Probleme, wenn dieses Thema nicht zentral bearbeitet wird. Schwerfälligkeit in der Anpassung von Vorschriften oder überkommene Strukturen sind Hemmschuhe, die agile Innovation verhindern. Angehörige der Bundeswehr mit pfiffigen Ideen, die sie gerne testen und umsetzen würden, müssen damit rechnen, dass die Organisation Bundeswehr so viele Steine in den Weg legen wird, bis diese vermeintlich ungewollte Initiative außerhalb der Strukturen wieder leise gestoppt wird.

Frankreich hat Bedeutung des Themas erkannt und mit der Schaffung der zentralen Innovationseinheit Defence Innovation Agency (DIA) im Jahr 2018 reagiert. Die DIA ist direkt der Beschaffungsbehörde des militärischen französischen Militärs, Direction générale de l’armement (DGA, deutsch: Generaldirektion für Rüstung) nachgeordnet und bearbeitet und verantwortet das Thema für die gesamten französischen Streitkräfte. Neben technischen Innovationsprojekten bekommen dort Soldatinnen und Soldaten praktische Unterstützung für Ideen und Innovationsvorhaben, während gleichzeitig die grundsätzlichen Bedingungen für erfolgreiche Innovation im Militär erarbeitet werden. Die Vision der DIA geht dabei explizit über die traditionelle Forschung und Entwicklung hinaus und bezieht auch die Startup-Kultur ein. Diese Bereitschaft, neue Wege zu gehen, hat zur Einrichtung spezialisierter Einrichtungen wie dem Innovation Defence Lab, einem auf Startups ausgerichteten Programm, um Innovation auf schnellem Wege in die Truppe zu bringen, beigetragen. Hinzu kommen die regional ausgerichteten Innovations-Cluster, die auf die Förderung bestimmter Fachgebiete abzielen. Dazu kommt ein jährliches Dokument des Verteidigungsministers, das die Innovationshaben für die französische Armee benennt und Schwerpunkte setzt.

In Frankreich werden militärische Innovationen zentral über eine Agentur, die der Beschaffungsbehörde nachgeordnet ist, gesteuert. (Foto: Mat Napo via unsplash.com)

In Deutschland gibt es Akteure, die Innovationsvorhaben auf kleiner Skala umsetzen und diese in Startup-Manier umsetzten. Um schnelle Innovationen, gerade im digitalen Bereich, zu ermöglichen, wurde der Cyber Innovation Hub (CIH) der Bundeswehr gegründet. Zugehörig zum bundeswehreigenen IT-Dienstleister BWI, hat dieser die Aufgabe, Innovation innerhalb der Bundeswehr zu beschleunigen. Dabei stellt der CIH bei Bedarf eine Verbindung zwischen dem Militär und der Startup-Welt her und sorgt dafür, dass neue Lösungen ihren Weg in die Armee finden. An der Universität der Bundeswehr München sind die sogenannten „Founders“ angesiedelt, eine Einrichtung, die sich der unternehmerischen Innovation innerhalb der Streitkräfte widmet. All diese Akteure sind jedoch auf die Richtlinien und Vorschriften angewiesen, die von höherer Stelle festgelegt, beziehungsweise nicht festgelegt werden. Dies erschwert das Arbeiten an neuen Ideen unnötig.

Gründerinnen und Gründer in der Bundeswehr

Die Bundeswehr hat das Potenzial prinzipiell erkannt, das in der Einbeziehung der Soldatinnen und Soldaten in die Entwicklung neuer Innovationen liegt. Traditionelle Vorschlagswege wie das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP) reichen nicht aus, um tiefgreifende technologische Fortschritte zu erzielen. Ein neuer Weg sind Inkubationsprogramme, in denen Bundeswehr-Angehörige mit einem hohen Grad an Autonomie an ihren Ideen arbeiten können. Ein Beispiel sind die regelmäßig vom Cyber Innovation Hub organisierten Challenges, bei denen Bundeswehr-Angehörige gezielt an Ideen und Lösungen zu maßgeblichen Herausforderungen arbeiten und dabei gezielt unkonventionelle Wege gehen können. In einem kurzen Zeitrahmen wird die Idee validiert und idealerweise zu einer ersten produkttauglichen Lösung entwickelt. Ein anderes Programm ist die IntraXperience, die von dem Founders-Team der Universität der Bundeswehr München organisiert wird. Dieses Programm ist für alle Bundeswehrangehörige offen und zielt darauf ab, Ideen in einem kurzen Zeitraum zu testen und in praktikable Lösungen umzusetzen. Durch die Nutzung des Fachwissens und der unterschiedlichen Perspektiven der Bundeswehrangehörigen fördert das Inkubationsprogramm eine Kultur der Innovation und Zusammenarbeit.

Die Organisatoren der IntraXperience versuchen die Kluft zwischen militärische Organisation und Startup-Methoden zu überbrücken, um einen agileren und effektiveren Ansatz zur Problemlösung im Verteidigungssektor zu fördern. Ein wichtiger Punkt berührt dabei das Thema der Kultur, um die beispielsweise die für Innovation notwendige Fehlerkultur stärker im Bundeswehr-Körper zu verankern. Insgesamt macht die Bundeswehr Fortschritte, wenn man sich erste Erfolge anschaut. Wie zum Beispiel, wenn das aus aktiven Soldaten bestehende Team der ARX Landsysteme in München einen Millionenbetrag von privaten Investoren einsammelt, um eine Art Mini-Panzer zu bauen. Die Prototypen werden bereits in mehreren europäischen Armeen getestet, einen Verkauf in die Bundeswehr gab es aber bisher nicht.

Der Verkauf an die Bundeswehr ist weiterhin eines der größten Herausforderungen für Militärinnovation durch Entrepreneurship, da auch die beste Idee ohne Kunden nicht überleben kann. Gründerinnen und Gründer, aber auch interne Akteure, die das Thema anschieben wollen, beklagen, dass das gesamte System der Beschaffung auf die traditionellen Rüstungsunternehmen ausgerichtet ist. Startups haben kaum Chancen einen staatlichen Auftrag zu gewinnen. So lange dies so ist, werden Startups und Entrepreneure, egal ob in oder außerhalb der Bundeswehr, weiterhin Schwierigkeiten damit haben, ihre Ideen von einem Prototyp hin zu einer funktionierenden Unternehmung zu entwickeln.

Startup-Nation Frankreich und das Militär

Als Präsident Emmanuel Macron das Projekt der Startup-Nation Frankreich ausrief, war damit der Wille gemeint, durch die Schaffung und Förderung einer starken Startup-Industrie zu schaffen. Vorbild war dabei Israel, wo zahllose Tech-Unternehmen gleichzeitig Innovation und Wertschöpfung schaffen. Wie es Tradition in Frankreich ist, spielt der Staat bei dieser Strategie eine aktive Rolle und das Militär ist ganz vorne mit dabei. Es sollen zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen werden. Startups sollten Innovationen für Staat und Gesellschaft schaffen und gleichzeitig Wertschöpfung in das von Deindustrialisierung betroffene Land zurückholen. Für das französische Militär bedeutet das, interne Innovationen zu fördern (und auch als Privatunternehmen auszugründen) und gleichzeitig offen für Marktlösung von Startups und Kleinunternehmen zu sein, um Innovation in die Truppe zu bekommen.

Immer mehr Armeen arbeiten mit Startups zusammen, zum Beispiel bei der Entwicklung von Drohnen. (Foto: Ricardo Gomez via unsplash.com)

Heute gibt es zahlreiche Programme, in der Soldatinnen und Soldaten an Ideen arbeiten können, ähnlich wie in der deutschen IntraXperience. Anders als in der Bundeswehr, wird dabei aber explizit in Kauf genommen, wenn nicht sogar aktiv gefördert, dass es zu einer Ausgründung kommen kann und das Projekt als privates Startup mit dem Militär als erstem Kunden weitergeführt wird. Sorgen um Compliance sind dabei von zweitrangiger Bedeutung. Das bedeutet, dass das Militär als Akteur in Wirtschaftsförderung gesehen wird. Das System der Ausschreibungen wurde so angepasst, dass Startups leichter Zugang zu staatlichen Aufträgen bekommen können. Für Startup-Gründer gilt die Prämisse, dass ein Euro als Auftrag so viel wert ist wie zehn Euro an staatlicher Förderung, da sich mit Umsätzen leichter Geld von Investoren einsammeln lässt. Der Staat soll direkt bei Startups einkaufen und erhält in dieser Form auch die Möglichkeit, innovative Technologien zu erhalten, die sie in dieser Form nicht von den traditionellen Rüstungsunternehmen erwarten können.

Ausblick

Deutschland bleibt noch verhalten in dem Verhältnis von Bundeswehr und Startup-Kultur. Der Fokus auf korrekte Prozesse und Risikominimierung macht es für Startups schwieriger, als es vielleicht sein müsste. Zwar werden erfolgreiche deutsche Rüstungsstartups als Leuchtturmprojekte heroisiert, kommen in der Breite aber noch selten vor. Es fehlt nicht an Bekenntnissen zu Entrepreneurship, Intrapreneurship und dem Interesse an Startup-Lösungen von Seiten der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums. Doch in den konkreten Handlungen rund um die Zeitenwende gibt es auch in diesem Themenbereich noch viel zu tun. Ein Blick nach Frankreich verspricht zumindest einiges an Ideen und Ansatzpunkten.

 

Literaturtipps:

 


Dieser Beitrag stammt aus den SiPol-News des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Die SiPol-News können Sie hier abonnieren.
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