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Moldaus Weg in die EU und Russlands Gegenstrategie

Der 25. Juni 2024 stellt ein historisches Datum für Moldau dar: An diesem Tag starteten offiziell die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Ausschlaggebend für das Beitrittsgesuch war Russlands Überfall auf die Ukraine. Doch Moldau steht vor großen Herausforderungen. Zum einen sind die Parteien und Bevölkerung zwischen pro-westlichen und pro-russischen Kräften gespalten, wie das EU-Referendum am 20. Oktober 2024 unterstrichen hat. Zudem hat die Regierung keine Kontrolle über die abtrünnige Provinz Transnistrien. Die im Februar 2025 begonnenen Gesprächen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Machthaber Wladimir Putin über einen möglichen „Ukraine-Deal“ zugunsten Moskaus heizen die Verunsicherung weiter an. Wird Moldau das nächste Ziel Russlands?

(Foto: European Commission, 2023 via Wikimedia Commons)

eueuropamoldaurusslandUkraine

Unwesentlich kleiner als Nordrhein-Westfalen, aber eine Bevölkerung von nur etwa 3 Millionen: Die zwischen Rumänien und der Ukraine gelegene Republik Moldau stellt trotz ihrer geringen Einwohnerzahl einen Vielvölkerstaat dar. Rumänischsprachige Moldauer bilden zwar die deutliche Mehrheit (72 Prozent), es gibt aber noch bedeutsame Minderheiten wie Ukrainer (14 Prozent), Russen (9 Prozent) und turksprachige Gagausen (4 Prozent). Die meisten Ukrainer und Russen leben in der Provinz Transnistrien. Hierbei handelt es sich um einen langen, schmalen Landstreifen im Nordosten an der Grenze zur Ukraine. Die russische Sprache ist landesweit in den Medien und in der Öffentlichkeit verbreitet und große Teile der Bevölkerung – auch die rumänischsprachige – gelten aufgrund der Sowjethistorie als kremlfreundlich. Dies wird insbesondere in Transnistrien ersichtlich, über das die moldauische Regierung mit Sitz in der Hauptstadt Chișinău keine Kontrolle hat.

Unabhängigkeit mit Hindernissen

Moldau war von 1940 bis 1991 eine Republik der Sowjetunion. Bereits 1990 fanden die ersten demokratischen Wahlen statt und das Land erklärte seine staatliche Souveränität. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Loslösung von der Sowjetunion nahmen die ethnischen Spannungen zu. Sowohl in der Region Transnistrien als auch unter Gagausen waren pro-sowjetische und nationalistische Separatisten stark vertreten. Beide Gebiete proklamierten sich 1990 zu eigenen Republiken. Im August 1991, wenige Monate vor der offiziellen Auflösung der Sowjetunion, erklärte Moldau seine Unabhängigkeit. Das Land wurde eine parlamentarische Republik mit instabilen politischen Verhältnissen und hoher Korruptionsrate.

Während Gagausien mithilfe von Autonomierechten Jahre später wieder eingegliedert werden konnte, brach in Transnistrien 1992 ein Krieg aus. Dank militärischer Unterstützung Russlands erlangte die Region nach einem Waffenstillstand de facto ihre Unabhängigkeit. Allerdings wird die staatliche Souveränität Transnistriens von keinem UN-Mitgliedsstaat anerkannt. International gilt die Region weiterhin als Teil Moldaus. Die Bevölkerung von rund 480.000 setzt sich vor allem aus Russen (29 Prozent), rumänischsprachigen Moldauern (29 Prozent) und Ukrainern (23 Prozent) zusammen. Mit den ebenfalls durch tatkräftige Unterstützung Russlands abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien in Georgien wird Transnistrien zu den post-sowjetischen „eingefrorenen“ Konflikten gezählt.

Transnistrien verfügt über eine eigene Regierung, Polizei und Verwaltung und stellt eigene Pässe aus. Weite Teile der Bevölkerung verfügen neben der moldauischen Staatsbürgerschaft auch über russische, ukrainische oder rumänische Pässe. Des Weiteren besitzt die Provinz eigene Streitkräfte, davon 5.000 aktive Soldaten und 16.000 Reservisten. Hinzu kommt eine russische Militärpräsenz von geschätzt 1.500 Soldaten. Die transnistrische Bevölkerung gilt als ausgesprochen kremlfreundlich und votierte 2006 mit über 97 Prozent für den Anschluss an Russland. Auf ganz Moldau bezogen ist die Bevölkerung tief gespalten zwischen „Ost“ und „West“. Dies wird vor allem anhand der Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit der Unabhängigkeit ersichtlich.

Gefangen zwischen „Ost“ und „West“

Im Zuge der Unabhängigkeit machte sich die „Moldauische Volksfront“ für eine Vereinigung mit Rumänien stark. Hintergrund ist die gemeinsame Sprache und Geschichte beider Länder. Da bei den Wahlen 1994 jedoch pro-russische Parteien siegten, war diese Vereinigung politisch nicht umsetzbar. Vor allem Sozialisten und Kommunisten propagierten eine eigene „moldauische Identität“ und distanzierten sich von Rumänien. In der Verfassung 1994 legte Moldau schließlich politisch seine „permanente Neutralität“ fest. Folglich trat es weder der NATO noch einem Russland geführten Militärbündnis bei. Dennoch wurde 1997 eine Militärkooperation mit dem Kreml unterzeichnet, um eine Lösung im Transnistrien-Konflikt zu erreichen.

Auf den Wahlsieg pro-westlicher Parteien 1997 folgte ein Jahr später ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU. Doch der Wandel Moldaus zu einer Marktwirtschaft gestaltete sich äußerst schwierig. Die schwache Wirtschaftsentwicklung und hohe Arbeitslosigkeit förderten die Abwanderung. Trotz der westlichen Ausrichtung der Regierung kam es 1999 im Rahmen eines Wirtschaftsabkommens zu einer weiteren Annäherung an Russland. Hierbei versprach der Kreml innerhalb von drei Jahren alle Truppen aus Transnistrien abzuziehen. Dazu ist es jedoch nie gekommen, obwohl seit 2001 mit den Kommunisten wieder russlandfreundliche Kräfte an der Macht waren. Nachdem ein russischer Vorschlag zur Lösung des Transnistrien-Konflikts von Moldau abgelehnt wurde, folgte aus Rache 2006 ein Importstopp moldauischer Weine nach Russland. Dies traf die Wirtschaft des kleinen Landes hart.

Russische Soldaten an der Grenze zwischen Transnistrien und Moldau. Entgegen Versprechungen hat Moskau bis heute seine Streitkräfte nicht aus der Provinz abgezogen. (Foto: Clay Gilliland via Wikimedia Commons)

Die Parlamentswahlen im April und Juli 2009 stellten eine Zäsur dar. Erstmals seit acht Jahren waren wieder pro-westliche Parteien in der Mehrheit. Diese strebten eine Annäherung an die EU mit dem langfristigen Ziel einer Mitgliedschaft an. Nach der völkerrechtswidrigen russischen Annexion der Krim 2014 konnte die Regierung ein Assoziierungsabkommen mit der EU abschließen. Doch aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und hohen Korruption brach nur ein Jahr später eine Welle an Protesten los. Daraufhin traten sowohl die Regierung als auch der Präsident zurück. Einerseits wurde anschließend mit Igor Dodon ein kremlfreundlicher Präsident gewählt. Andererseits entstand im Zuge der Proteste die von Maia Sandu 2016 gegründete liberale „Partei der Aktion und Solidarität“, die zur dominanten politischen Kraft aufstieg. Sandu wurde 2019 Ministerpräsidentin und ist seit 2020 Präsidentin.

Gestern Kyjiw, morgen Chișinău?

Russlands Invasion der Ukraine im Februar 2022 übte einen starken Einfluss auf die Politik und Gesellschaft Moldaus aus. Zum einem nahm das Land eine große Anzahl an Flüchtlingen auf und stellte ein wichtiges Transitland dar. Bis Juli 2022 waren es über eine halbe Million ukrainische Flüchtlinge, die weltweit höchste pro-Kopf-Quote. Die meisten hielten sich jedoch nur temporär in Moldau auf und reisten weiter nach Rumänien. Dennoch war der zunächst hohe Flüchtlingsstrom eine immense Herausforderung für die kleine Republik, die zu den ärmsten Ländern Europas zählt. So betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Jahr 2020 lediglich 4.523 Euro. Zum Vergleich: Der Wert des „großen Bruders“ Rumänien ist dreimal so hoch.

Noch relevanter war – und ist – die Befürchtung innerhalb der moldauischen Regierung und Bevölkerung, dass man nach der Ukraine das nächste Opfer Putins sein könnte. Mit Transnistrien existiert bereits eine dank Unterstützung des Kremls abgespaltene Region, wo sowohl eigene als auch russische Soldaten patrouillieren. Mit einem Sieg über die Ukraine könnte Russland einen Landkorridor zu Transnistrien herstellen. Des Weiteren kommen bei Moldau noch die geringe Größe sowie die politisch gespaltene Bevölkerung und Parteienlandschaft hinzu. Zudem stünde das Land bei einem großangelegten Angriff russischer Truppen allein dar. So ist Moldau weder Mitglied der NATO noch der EU, die beide eine Verteidigungsklausel haben.

Obwohl Russland ein schneller Sieg über die Ukraine nicht gelungen ist, bleibt Moldau bis heute im Visier des Kremls. Moskau betrachtet die ex-Sowjetrepublik als Teil der Einflusssphäre und setzt auf gezielte Desinformation und Destabilisierung. Bestes Beispiel ist von kremfreundlichen Parteien organisierte und von Russland unterstützte Protestwelle von September 2022 bis Juni 2023. Die Demonstrationen richteten sich gegen die die politische Annäherung an die EU und forderten den Rücktritt der pro-westlichen Regierung. Parallel drosselte Russland in den Wintermonaten die Gaszufuhr nach Moldau und verschärfte die wirtschaftliche Lage. Mit Falschmeldungen und Cyberangriffen wurde Unsicherheit in der Bevölkerung geschürt und die Demonstrationen weiter angeheizt. Vorläufiger Höhepunkt der russischen Destabilisierungskampagne stellten die vom ukrainischen Geheimdienst im Februar 2023 aufgedeckten Putschpläne des Kremls dar.

Steiniger Weg in die EU

Die Annäherung Moldaus an den Westen versucht Moskau mit allen Mitteln zu verhindern. Die hybride Kriegsführung gegen das Land hat jedoch das Vorhaben der Regierung gestärkt, der EU beizutreten. Am 21. März 2024 sprach sich das Parlament einstimmig dafür aus, den Weg in die europäische Staatengemeinschaft weiter zu beschreiten. Die Erklärung der Abgeordneten hielt fest, dass nur der EU-Beitritt die souveräne, neutrale und demokratische Zukunft des Landes sichern könne. Der europäische Staatenverbund fördert die Annäherung und die Bekämpfung von Desinformationskampagnen. Sie unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, um Russlands Einfluss entgegenzutreten. Des Weiteren wird auf eine stärkere Verteidigungskooperation gesetzt und die Energieversorgungssicherheit in den Blick genommen. Am 25. Juni 2024 begannen formell die Beitrittsverhandlungen.

Am 20. Oktober 2024 wurde in Moldau, parallel zur Präsidentschaftswahl, ein Referendum zum künftigen EU-Beitritt abgehalten. Fachleute und EU-Parlamentarier rechneten im Vorfeld mit einer deutlichen Zustimmung für das pro-europäische Lager, das jedoch nur hauchdünn mit 50,4 Prozent gewann. Präsidentin Sandu machte massive russische Fake-News, Manipulationen sowie Bestechungen für das schlechte Abschneiden verantwortlich. Ob Moskaus Propagandamaschine, die seit Jahren stark in Moldau präsent ist, die alleinige Ursache für das Resultat darstellt, ist unklar. Fakt ist, dass das Ergebnis viele politische Beobachter überrascht hat. Ebenso die Tatsache, dass Sandu in die Stichwahl für das Präsidentenamt musste. Gegenkandidat war Alexandru Stoianoglo von den pro-russischen Sozialisten. Sandu gewann die Stichwahl am 3. November 2024 schließlich mit 55,3 Prozent.

Die Wahlen in Moldau 2024 waren von starken Unregelmäßigkeiten geprägt, für die unter anderem russische Propaganda verantwortlich gemacht wurde. (Foto: Parlamentul Republicii Moldova via Wikimedia Commons)

EU-Vertreter zeigten sich trotz der knappen Ergebnisse erleichtert: Die Beitrittsverhandlungen können fortgesetzt werden. Der Weg Moldaus in die europäische Staatengemeinschaft wird aber steinig bleiben, da bei Wirtschaftsreformen und dem Kampf gegen Korruption noch viel Nachholbedarf besteht. Zudem existiert noch keine Lösung im Hinblick auf Transnistrien. Deren kremlfreundliche Bevölkerung nahm weder am EU-Referendum noch an der Präsidentschaftswahl teil. Dass Moldau weiter im Fadenkreuz Putins steht, unterstreicht die Einstellung der Gaslieferungen nach Transnistrien zum 1. Januar 2025. Russland begründete dies mit „nicht bezahlten Schulden“ der moldauischen Regierung. Es folgten Proteste in der Provinz – allerdings nicht gegen Moskau, sondern gegen Chișinău. Weil zeitgleich Transitlieferungen von russischem Gas über die Ukraine ausgesetzt wurden, stand die politische Führung erheblich unter Druck. Erst die EU-Nothilfe von 30 Millionen Euro im Februar 2025 stellte die Gasversorgung des Landes wieder sicher. Mit dem Lieferstopp wollte Putin nicht nur die Energieabhängigkeit Moldaus demonstrieren, sondern auch die Stimmung vor den Parlamentswahlen im Herbst 2025 beeinflussen.

„Go West“ mit Handbremse?

Der Ukraine-Krieg hat dem europäisch orientierten Lager in Moldau Auftrieb gegeben. Die Drohungen und Desinformationen Moskaus gegen das Land haben die Debatte über das Ende der „permanenten Neutralität“ weiter vorangetrieben. Höhepunkte der russischen Einflussnahme waren die Aufdeckung der Putschpläne 2023 und die Manipulation des EU-Referendums 2024. Trotz der widrigen Umstände und des sehr knappen Wahlausgangs wurde der Kurs in Richtung Europa bestätigt. Dennoch: Der Kreml wird alles daran setzen seinen Einfluss zu wahren und den politischen Streit anzuheizen, so zum Beispiel bei den Wahlen im Herbst dieses Jahres. Die Spaltung der Gesellschaft wird auch für die nächste Regierung eine große Herausforderung darstellen.

Angesichts der politischen Stimmung und schwachen Wirtschaft hat die wiedergewählte Präsidentin Sandu viele Aufgaben zu bewältigen. Das Land wird im Visier Russlands bleiben, insbesondere bei weiteren militärischen Erfolgen in der Ukraine. Noch schlimmer für Moldau wäre ein bilateraler „Ukraine-Deal“ zwischen Washington und Moskau, der den Konflikt einfriert oder den russischen Forderungen Russlands entspricht. Sandu muss versuchen die kremlfreundlichen Parteien und Teile der Bevölkerung mitzunehmen (auch in Transnistrien), um erfolgreich gegen russische Fake-News bestehen zu können. Dies kann gelingen, wenn die wirtschaftliche und militärische Sicherheit des Landes gestärkt wird. Führt die EU in diesen Bereichen ihre Unterstützung fort oder – besser – baut sie aus, kann die Integration Moldaus in den Westen gelingen.

 

Literaturtipps:

 


Dieser Beitrag stammt aus den SiPol-News des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Die SiPol-News können Sie hier abonnieren.
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