Nebulöse Sparzukunft – Bundeswehr vor harten Einschnitten
Die Planungen der Bundeswehr laufen auf Hochtouren, um die politischen Vorgaben – bis 2014 insgesamt 4,3 Milliarden Euro jährlich einzusparen – umsetzen zu können. Diese Richtschnur beschert den Planern der Bundeswehr zurzeit schlaflose Nächte. Verteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg ist der erste Ressortchef, der bei seinen Haushaltsplanungen neue Wege gehen muss – weil die desolate Finanzlage des Bundes es so von ihm verlangt. Deshalb hat er von Bundeskanzlerin Angela Merkel freie Hand für seine Planungen erhalten. "Es gibt keine Denkverbote", hat er seinen militärischen Planern im Ministerium ins Hausaufgabenheft geschrieben.
Ein Sprecher der Hardthöhe bestätigt dem Reservistenverband auf Nachfrage, "dass es bei allen Planungen darum geht, die Sparvorgaben des Haushaltes zu erfüllen. Deshalb werden verschiedene Modelle geplant und durchgerechnet. Dazu haben die Teilstreitkräfte Rahmenbedingungen vorgegeben bekommen."
100.000 Stellen könnten wegfallen
Der Tageszeitung Welt liegt nun offenbar eine dieser Modellrechnungen von Generalinspekteur Volker Wieker vor. Am Dienstagmorgen wurden sie öffentlich. Danach soll die Bundeswehr um 100.000 Stellen auf nur noch 150.000 Soldaten reduziert werden. Ganz neu ist dies nicht – wir berichteten schon am 2. Juni dieses Jahres davon. Neu sind die konkreten Zahlen. Die Welt meldet nun, dass die Truppenstärke künftig so aussehen soll: Heer: 47.000 (bisher 94.000), Luftwaffe: 19.000 (42.000), Streitkräftebasis: 26.000 (73.000), Marine: 9.000 (17.500) und Sanitätsdienst: 11.000 (24.000).
Dies ist jedoch nur eine von vielen Planungen, über denen Mitarbeiter an ihren Schreibtischen sitzen, heißt es aus dem Ministerium. Sicher ist bisher nur das, was das Bundeskabinett während seiner Haushaltsklausur beschlossen hat: 40.000 Zeit- und Berufssoldaten werden bis 2014 abgebaut. Ob dies auch die Wehrpflicht betreffen wird, ist derzeit zwar in einigen Planmodellen der Ministerialbeamten enthalten, doch dies wird letztlich eine rein politische Entscheidung bleiben.
Wehrübungsmöglichkeiten bleiben erhalten
Sollte es zu einer solchen politischen Entscheidung kommen, bliebe das Wehrpflichtgesetz bestehen, denn das Grundgesetz sieht in Artikel 12a, Absatz 1, vor: "Männer können zum Dienst in den Streitkräften verpflichtet werden". Wie, wann, wie lange, und zu welchen Bedingungen, ist dort nicht geregelt.
Zur näheren Ausgestaltung bedarf es deshalb eines Gesetzes – eben des Wehrpflichtgesetzes, um das alles festzulegen. Als erstes wäre der Paragraf 5 zu ändern – dort ist nämlich die Dauer des Grundwehrdienstes genau geregelt. Die anderen Bestimmungen blieben bestehen, solange die Wehrplicht nicht im Grundgesetz abgeschafft wird, heißt es aus Ministerium und dem Regierungsumfeld. Für Reservisten bedeutet dies: Die Bestimmungen zu Wehrübungen und Dienstlichen Veranstaltungen bleiben bestehen. Natürlich hängen die tatsächlich zur Verfügung stehenden Wehrübungstage an den künftigen Haushaltsvorgaben. Auch hier werden nach der mehrfachen Aussage des Ministers Auslandseinsätze künftig Vorrang vor allem anderen haben.
Reservistenverbandspräsident Höfer warnt vor Mogelpackung
Doch Geld lässt sich auch anders sparen. Auch daran arbeiten die Mitarbeiter zu Guttenbergs. Weniger Versetzungen sparen Millionenbeträge, Rüstungsprojekte können ausgesetzt, Kasernen geschlossen werden. "Es fällt auf, dass in den bisher veröffentlichten Modellrechnungen die 75.000 zivilen Beschäftigten der Bundeswehr nicht auftauchen", sagt Gerd Höfer, Präsident des Reservistenverbandes. Die Kreiswehrersatzämter müssten auch weiterhin ihre Arbeit leisten, sollten keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen werden. Denn sie müssen weiterhin erfasst, gemustert und verwaltet werden.
Höfer weist in seinen Gesprächen mit Politikern immer wieder auf "eine Mogelpackung in der Diskussion hin". Das Einsparpotential bei einem Wegfall der Wehrpflicht wurde mit 400 Millionen Euro angegeben. Die Rechnung müsse aber unter dem Strich gemacht werden: "Auch künftig benötigt eine verkleinerte Armee junge Zeit- und Berufssoldaten. Von denen kam ein Großteil bisher aus dem Reservoir der Wehrpflichtigen. Wenn die künftig auf andere Weise geworben werden müssen, könnten die angestrebten Einsparungen vollständig aufgefressen werden".
Entschieden über all das wird im Herbst. Bis dahin werden noch viele der Denkmodelle Wiekers und seiner Planer durch die Medien kursieren. Die politische Debatte ist längst eröffnet – der Weg zum gleichen Ziel jedoch völlig ungewiss.
Der Autor ist verantwortlicher
Online-Redakteur des
Reservistenverbandes
Symbolbild oben: Der Letzte macht das Licht aus.
Solche Szenen könnten sich bald bundesweit
in Kasernen der Bundeswehr abspielen
(Foto: Kaserne in Schneeberg bei Nacht 2005,
Eckhard Schwabe, VdRBw)
Bild Mitte: Verteidigungsminister Karl-Theodor
Freiherr zu Guttenberg muss sparen
(Foto: Eckhard Schwabe)
Bild unten. Gerd Höfer, Präsident
des Reservistenverbandes (Foto: VdRBw)