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Nürnberger Sicherheitstagung: Die Weltlage im Brennglas

Nächste Woche findet in Washington D.C. der diesjährige NATO-Gipfel statt. Im Mittelpunkt steht der 75. Geburtstag des Verteidigungsbündnisses. Doch nach Feiern dürfte den Staats- und Regierungschefs der 32 Mitgliedsstaaten und der Partnerländer beim Blick auf die Krisenherde weltweit wohl eher nicht zumute sein. Einen Überblick über die sicherheitspolitische Gemengelage vermittelte am vergangenen Wochenende die hochkarätig besetzte Nürnberger Sicherheitstagung.

Der Leiter der Nürnberger Sicherheitstagung, Ulrich Lechte MdB, moderiert die Publikumsfragen an General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr.

Foto: Thomas-Dehler-Stiftung / Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

S.E. Oleksij Makejew, Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland spricht bei der Nürdnberger Sicherheitstagung.

Foto: Thomas-Dehler-Stiftung / Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Gleich zu Beginn der Veranstaltung erklärte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, was es für ihn bedeutet, die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen: „Es geht darum, unser Privileg zu verteidigen, in einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft leben zu können.“ In den vergangenen Jahren habe es Deutschland versäumt, mögliche Krisen klar zu adressieren. Das Mindset damals vergleicht er mit einer Vogel-Strauß-Mentalität: „Wir sehen Dinge, wir könnten sie lösen, aber wir wollen es nicht. Wir stecken unseren Kopf in den Sand und denken, es wird schon vorbeigehen.“

Das könne sich unser Land jedoch nicht mehr leisten. Nach der russischen Annexion der Krim war Breuer selbst an der Erstellung des Weißbuchs beteiligt – jenes Grundlagendokument, das die Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Mittelpunkt rückte und die Ausrichtung der Bundeswehr bis heute vorgibt. „Wir haben bei den Analysen für das Weißbuch gesehen, dass die russischen Streitkräfte in acht bis zehn Jahren rekonstituiert sind. Und jetzt rechnen Sie mal 2014 plus 8. Das Stichwort 24. Februar muss ich Ihnen nicht geben dazu.“ Nur: Diese unbequeme Wahrheit hätte seinerzeit niemand hören wollen, zudem traten andere unmittelbare Krisen auf die Tagesordnung.

„Lassen Sie uns die Zahl 2029 im Hinterkopf behalten“

Heute drängt die Zeit. Rechnen wir nun wieder 2022 plus acht Jahre, wären die russischen Streitkräfte 2030 wieder in der Lage, ein fremdes Territorium anzugreifen. Heißt: Spätestens 2029, also in fünf Jahren, müssten die Bundeswehr und die NATO kriegstüchtig sein, um glaubwürdig abzuschrecken – oder sich im schlimmsten Fall zu verteidigen. Breuer: „Ich betone noch einmal zwei Dinge: einmal die Möglichkeitsform. Ich sage nicht, dass dann ein Angriff stattfindet, aber ich sage, dass ein Angriff dann möglich wäre. Und ich betone noch einmal: Wenn ich als Militär fünf Jahre sage, dann muss ich immer vom Worst Case ausgehen. Lassen Sie uns die Zahl 2029 im Hinterkopf behalten. Bis dahin müssen wir in der Lage sein, unser Land und unsere Verbündeten zu verteidigen. Dafür muss die Bundeswehr kriegstüchtig werden, sein und auch bleiben. Materiell, personell und auch mental. Wir müssen uns darauf fokussieren, dass wir gerade ein so volatiles sicherheitspolitisches Umfeld haben.“

Der Generalinspekteur weiß aber auch, dass Deutschland dem gesamtgesellschaftlich etwas entgegenzusetzen hat. „Wir haben angefangen mit den strategischen Dokumenten“, erklärt Breuer. Gemeint sind die nationale Sicherheitsstrategie und die verteidigungspolitischen Richtlinien. Daraus habe man die Ableitungen für die Bundeswehr in der Zeitenwende getroffen. Alle Strukturen und Verfahren unterliegen hier dem übergeordneten Ziel der Wehrhaftigkeit. Für die Streitkräfte bedeutet das: Kriegstüchtigkeit.

Die komplette Rede des Generalinspekteurs sowie die anschließende Aussprache mit dem Publikum gibt es hier als Aufzeichnung im Stream zu sehen:

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Am zweiten Tag der Veranstaltung sprach Timothy Liston, US-Generalkonsul in München. Er ordnete das Weltgeschehen aus Sicht unseres stärksten Verbündeten, den Vereinigten Staaten von Amerika, ein. Die Ukraine sei eine kurz- bis mittelfristige Herausforderung, sagte er. Hier gehe es darum, die Freiheit und die Demokratie zu verteidigen, das sei ein Kerninteresse der USA, der EU und der NATO.  „Langfristig aber bleibt das immer größer und immer aggressiver werdende China unsere gemeinsame strategische Herausforderung“, betonte Liston. Deshalb dürfe die NATO den Pazifikraum nicht aus dem Blick verlieren.

Beklemmende Videoaufnahmen aus der Ukraine leiteten den Vortrag von S.E. Oleksii Makeiew ein. Er ist Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland. Er sei oft konfrontiert mit der Frage, warum die Ukraine so viele Waffen benötigt, warum diese mit deutschen Steuermitteln beschafft werden. „Es gibt Parteien, die fordern ‚Frieden schaffen ohne Waffen‘. Denen entgegne ich immer: Schaffen Sie die Polizei ab. Wenn Sie dann überfallen werden, können Sie mit dem Räuber verhandeln, was Sie abgeben, wie viel Geld, vielleicht auch Ihr Wohnzimmer oder Ihre Frau.“ Oder übertragen auf die Ukraine: Wenn die iranischen Drohnen einfliegen – wie auf dem eingangs gezeigten Video in Odessa zu sehen – kostet jeder Schuss, um diesen Angriff auf Leib und Leben abzuwehren eben Geld.

„Demokratie muss besser bewaffnet sein als Autokratie“

Makeiev rechnet das an einem Beispiel aus der Nähe von Kiev vor: Die russische Seite hatte elf Marschflugkörper auf ein Kraftwerk abgeschossen, die Ukraine hatte nur sieben Iris-T-Raketen, um den Angriff zumindest zum Teil abzuwehren. „So eine Rakete kostet eine Millionen Euro. Der Soldat, der auf den Knopf drückt, weiß zwar, dass mit dem Abschuss eine Million Euro weg ist, dafür aber haben hunderttausend Menschen Strom und er hat damit ein paar Hundert Leben gerettet.“

Demokratie muss besser bewaffnet werden als eine Autokratie, sagte der Botschafter. Damit einher gehe Sicherheit – und die gibt es nicht zum Nulltarif. Makeiev bemühte dazu einen Werbespot für eine Kreditkarte („es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen“). „Nur habe ich leider keine magische Kreditkarte. Die Ukraine braucht die freie Welt und Waffen zum Widerstand. Sicherheit kann nicht umsonst sein.“ Sicherheit, das ist für ihn die alte Frau, die abends ins Bett gehen kann ohne Angst, in der Nacht getötet zu werden. Die permanente Angst aber sieht man nicht auf den Bildern von Bomben, Raketen, zerstörten Häusern. „Es gibt keine unbeschwert schönen Momente mehr.“

Die Reden von Liston und Makeiev sowie die anschließende Diskussion mit dem Publikum gibt es auch hier komplett in der Videoaufzeichnung zu sehen.

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Im dritten und abschließenden Teil der Veranstaltung sprachen Aaron Sagui, Gesandter der Botschaft des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, stellv. Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen,  der Journalist, Autor und langjährige Israel-Korrespondent der ARD, Richard C. Schneider, der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina in Deutschland, Christian Schmidt,  sowie S.E. Damir Arnaut, Botschafter von Bosnien und Herzegowina.

Alle Beiträge und Aussprachen sowie eine abschließende Zusammenfassung aller Beiträge gibt es auch hier im Video zu sehen.

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Die Nürnberger Sicherheitstagung ist eine Kooperationsveranstaltung des Deutschen BundeswehrVerbands, der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft e.V., der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V., der Clausewitz-Gesellschaft e.V., des Verlags Nürnberger Presse, des Reservistenverbands Landesgruppe Bayern, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Thomas-Dehler-Stiftung.

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