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Viel Verantwortung für einen Reservisten

Wenn einer mit mehr als 65 Jahren noch gern Reservistendienst leisten würde, ist das sicherlich Christian Gamel. An seinem Ehrgeiz und Engagement mangelt es nicht. Einzig die besondere Altersgrenze verhindert weitere aktive Übungen in der Bundeswehr. Der Oberfeldarzt d.R. blickt trotzdem auf eine stolze Reservistenkarriere zurück. Kurz vor Schluss konnte er seine mehr als 45-jährige Dienstzeit bei der Bundeswehr mit einer besonderen Verwendung krönen.

Generalarzt Dr. Bruno Most, Stellvertretender Kommandeur des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung (r.), verabschiedete Oberstarzt d.R. Dr. Christian Gamel.

Foto: privat

Oberstarzt d.R. Dr. Christian Gamel hat etwas geschafft, was nur wenige Reservisten während ihrer aktiven Zeit in den Streitkräften überhaupt erreichen können. Er durfte einen außergewöhnlichen Spiegeldienstposten besetzen. Christian Gamel übte auf seine letzten aktiven Reservistentage als Abteilungsleiter G3 im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung. Somit kam er bei der Unterhaltssicherung in den Genuss der höchsten Vergütung, die für Wehrdienstleistende in der Bundeswehr möglich ist. Das ist die Stufe B3, die nur für herausgehobene Leitungspositionen vorgesehen ist. Die Höhe des Tagessatzes bei den Unterhaltssicherungsleistungen für Reservisten lehnt sich an das Grundgehalt nach Bundesbesoldungsgesetz für den entsprechenden Dienstgrad an.

Als er den Vertretungsbefehl vom Kommandeur des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung überreicht bekam, habe er eine Gänsehaut bekommen, sagt Oberstarzt Dr. Gamel: „Es war Stress und Ehre zugleich“ Denn in diesen drei Wochen seiner Reservistendienstleistung auf dem herausgehobenen Posten trug Gamel mit allen Rechten und Pflichten die Verantwortung. Wie besonders diese ist, zeigen die Aufgaben, die in der G3-Abteilung und im Weißenfelser Kommando liegen.

Sanitätsdienstliche Speerspitze

Die Abteilung G3 im Weißenfelser Kommando beschäftigt sich mit den Aufgaben Ausbildung, Zivil-Militärische Zusammenarbeit, Einsatzplanung und -vorbereitung sowie die Evaluierung von Einsätzen. Der Sanitätsdienst gehört zu denjenigen Akteuren, die bei Auslandseinsätzen meist immer zuerst vor Ort sind und als letztes rausgehen. Wenn die medizinische Versorgung nicht sichergestellt ist, wird kein Soldat in den Einsatz geschickt. Die sanitätsdienstliche Speerspitze des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst ist in der Lage, innerhalb von 48 Stunden vor Ort zu sein.

Für die Planung und den Transport von medizinischem Material arbeiten Experten im Kommando. Für den Transport von Sauerstoffgeneratoren wie bei der Coronahilfe nach Indien oder bei der Hilfe mit einer Intensivstation in Portugal sind spezielle Transport-Zulassungen notwendig. Die G3-Abteilung kümmert sich um solche Spezialfragen. Dabei geht es auch um Fragen, wie der Rücktransport aus Einsatzgebieten organsiert wird. Kann man Container mit Sanitätsmaterial beispielsweise in Mali lassen oder muss es im schlimmsten Fall, wenn ein Rücktransport nicht möglich ist, verbrannt werden? Das sind Fragen, mit denen sich die Planer im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung auseinandersetzen mussten.

Ausbilden und dabei selbst etwas lernen

Derzeit beschäftigt die Ausbildungsmission der ukrainischen Streitkräfte das Kommando. Die Bundeswehr schult die Kameraden der ukrainischen Streitkräfte im Combat Life Saver Training, in erweiterter Erste Hilfe, die auf dem Gefechtsfeld lebensrettend sein kann. Die Sanitätsregimenter stellen dabei Ausbildungsstätten und Personal, insbesondere Sprachmittler. Von den Berichten, die die Ukrainer vom Gefecht mitbringen, kann die Bundeswehr lernen. „Wir lernen, die Abfolge in der Primärversorgung neu zu überdenken. Wir wissen anhand der Erfahrungen nun, wie wichtig es ist, sofort Blutstillung zu betreiben. 75 Prozent der Todesfälle passieren in den ersten Minuten durch Verbluten“, erläutert Oberstarzt d.R. Dr. Gamel.

Oberstarzt d.R. Christian Gamel hat jahrelang im Kreisverbindungskommando und als gespiegelter Kommandeur des Sanitätslehrregiments Niederbayern gedient. (Foto: privat)

Ein weiteres Thema, über das sich die Experten im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung Gedanken machen, ist der Rücktransport von Verwundeten. Es gibt Überlegungen, für die Fähigkeit des Transports von Verwundeten per Zug wiederaufleben zu lassen. Diese Gedanken treibt die Bundeswehr um, weil anhand der Ukraine eine Fähigkeitslücke sichtbar wird: Wie kann man Verwundete im großen Stil transportieren, wenn der Gegner die Luftüberlegenheit hat und der Einsatz von Hubschraubern und Flugzeugen zu gefährlich ist?

Was passiert, wenn Soldaten mit Kriegsverwundungen nach Deutschland kommen, ist bereits an ukrainischen Soldaten zu sehen. Sie kommen zwar nicht im großen Stil, werden aber, so wie es auch im Ernstfall für Deutschland vorgesehen wäre, primär an zivile Krankenhäuser zur Behandlung weitergeleitet. Die Bundeswehr hat die Zivil-Militärische Zusammenarbeit in dem Bereich durch eine Kooperation mit den BG-Kliniken (der gesetzlichen Unfallversicherung) gestärkt. „Zivile Krankenhäuser müssen sich auf Versorgung von Verwundeten einstellen. Klassische Unfallchirurgien wären prädestiniert für diese Aufgaben“, sagt Oberstarzt Dr. Gamel.

In der ZMZ kennt er sich aus. Als Beauftragter des Sanitätsdienstes engagierte sich Dr. Gamel seit 2005 im Kreisverbindungskommando Landshut und im Bezirksverbindungskommando Niederbayern. Auf seinen Spiegeldienstposten als Kommandeur des Sanitätslehrregiments Niederbayern und in seiner Verwendung als G3 im Weißenfelser Kommando hatte er mit der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit zu tun. Bei einem Amtshilfeersuchen prüfen das Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung und seinerzeit das Kommando Territoriale Aufgaben, ob diese durchführbar ist. Dann geht die Abfrage an die Regimenter. Wenn die Kommandeure dort sagen, dass sie kein Personal abstellen können, muss entsprechend befohlen werden. „Personal rückt kein Regiment freiwillig heraus“, sagt Christian Gamel und weist auf die Verpflichtungen wie VJTF hin. Während der Corona-Pandemie habe man befehlen müssen. In dieser Zeit haben die Regimenter brutal an Kapazitäten für Ausbildungen und Zertifizierungen verloren. „Wir mussten Genehmigungen wie Führerscheine oder die Kompetenz für Notfallsanitäter verlängern“, berichtet Gamel.

Gegenseitige Wertschätzung

Während er den Leiter der G3-Abteilung vertrat, nutzte der Oberstarzt die Gelegenheit, sich die Versorgungs- und Instandsetzungszentren des Kommandos anzuschauen. Eines dieser drei Zentren befindet sich in Blankenburg. Es ist eine riesiges Materiallager und Bundeswehrapotheke. Das Lager ist ein kilometerweiter Tunnel, der im Harz in den Felsen geschlagen wurde. Man kann dort mit der Bahn hineinfahren. Dort werden nicht nur Millionen an Medikamenten gelagert. Das Versorgungs- und Instandsetzungszentrum verfügt über hochspezialisierte Kräfte, die in der Lage sind medizinisches Equipment wie Röntgengeräte, Ultraschall oder einen Computertomograph zu reparieren. „Was alles zum Kommando gehört, wer wo und wie wirkt, habe ich mir im Rahmen meiner Dienstaufsicht angeschaut“, sagt Oberstarzt Dr. Gamel.

Sein Engagement als Reservist sei dabei von voller Akzeptanz geprägt gewesen. „Die Chefs wussten schon, dass sich nicht der originäre Kommandeur bin. Aber sie wussten auch, dass die Aufgaben wahrnehmen kann. Das muss man auch vermitteln durch gegenseitige Wertschätzung“, schildert Gamel. Trotz seiner dreiwöchigen Übung im Kommando in Weißenfels und zeitweise während zweiwöchiger Übungen als Kommandeur des Sanitätslehrregiments, mit der kurzen Reservistendienstleistung ist es nicht getan. Christian Gamel stand jeweils regelmäßig im Austausch mit den aktiven Dienstposteninhabern. Er hatte einen Dienstcomputer und konnte sich die E-Mails im Organisationsbriefkasten durchlesen. „Man muss sich gut abstimmen und man ist auf einen vollumfänglichen Input angewiesen“, meint Gamel. Dafür, dass er die Herausforderung annehmen durfte, ist er dankbar. Es zeugt von Vertrauen in die seine Fähigkeiten und auch in die Reserve allgemein.

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