PTBS – Wenn der Krieg das Leben erstickt!
"Wo liegt denn eigentlich Burhave? Egal, da fahre ich hin, war mein erster Gedanke, als ich erfuhr, dass sich Bettina W., die Ehefrau eines an PTBS erkrankten Reservisten, für zwei Wochen dort aufhält. Sie ist nur eine der zahlreichen betroffenen Frauen, die die seelische Last des Krieges mit ihren Partnern tragen und miterleiden.
Das Trauma der Soldaten frisst sich in die Ehen, in die Familien, in die Freundschaften. Es lähmt das vertraute Leben. Es raubt die Kraft bis hin zur Erschöpfung. Dies alles geschieht oft im Verborgenen. Deutsche Soldatenfamilien leiden und keiner bekommt es mit. Besonders die Kinder der betroffenen Familien sind einem großen Druck ausgesetzt, an dessen Folgen ich nicht zu denken wage. Über den zuständigen Militärpfarrer ließ ich anfragen, ob sich Bettina W. mit mir zu einem Gespräch treffen wolle. Sie stimmte zu.
Kurz vor meinem Eintreffen in Burhave, einem Ortsteil der niedersächsischen Gemeinde Butjadingen, habe ich einen ersten telefonischen Kontakt. "Wie geht es Ihnen?", höre ich mich sagen. "Nicht so gut…", antwortet mir Bettina W. mit bedrückter Stimme. Ihre Antwort nehme ich mit einem leichten Anflug von Unbehagen auf. Was hatte ich denn erwartet? Hatte ich erwartet, dass mir auf diese Frage ein Schwall von Urlaubsstimmung und Lebensfreude entgegenströmt und Bettina W. mir lachend von Sonne, Glück und fröhlichen Strandspaziergängen erzählt? Ich frage mich auch, ob wir, die Gesellschaft, überhaupt eine solche ehrliche, nachdenklich machende Antwort hören wollen? Dies in einer Zeit, in der für viele der Spaß und das Vergnügen an erster Stelle der Prioritätenliste des Lebens stehen.
Wir treffen uns in einem Café. Wir sind die einzigen Gäste dort, gut so. Eine zierliche Frau sitzt mir gegenüber. Eine junge, sympathische Frau mit schönen Augen – wäre da nicht diese Traurigkeit in ihrem Blick. Laut und stimmgewaltig kennt man mich sonst, doch diese Frau lässt mich still werden. Ich sitze da und höre ruhig zu. Ich stelle keine Fragen. Sie erzählt von ihrem Mann, von ihren Kindern, von ihrem Alltag und von der Sehnsucht nach einem glücklichen, normalen Leben. Jeder Tag, der ohne Zwischenfälle abläuft, sei für sie ein Geschenk, sagt sie mir. Diese Bescheidenheit beschämt mich. Tags darauf treffe ich mich vor meiner Abreise mit Rolf Blumenberg, dem Bürgermeister von Burhave. Wir sprechen über PTBS. Wir sprechen über das freundliche Desinteresse der Gesellschaft gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Sofort erklärt er sich dazu bereit, sich dieses Themas in Zusammenarbeit mit dem Reservistenverband verstärkt anzunehmen. Sein Angebot, mich später zum Bahnhof nach Nordenham zu fahren, nehme ich gerne an. Schon beim Einsteigen in sein Auto sehe ich die Gelbe Schleife an seinem Revers, die ich ihm am Morgen – zusammen mit einem Präsent der Landesgruppe Bayern – übereichte. Das tut gut. Im Zeichen der Kameradschaft sind wir alle aufgefordert uns weiter mit dem Krankheitsbild von PTBS auseinanderzusetzen und die Betroffenen nach besten Kräften zu unterstützen."
Die ARD-Tagesschau berichtete am Montagabend, 21. Mai, über die Gründung einer Härtefallstiftung, die auch Traumatisierten helfen soll.
Bild oben: Bettina W. beim Blick aufs Meer
(Foto: Irmengard Röhle)
Bild unten: Irmengard Röhle ist Vizepräsidentin des
Reservistenverbandes für Betreuung
(Foto: Hans-Christian Plambeck).