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Auf UN-Mission: Mit Milupa-Brei ins Kriegsgebiet

Der Südsudan: Ein vom Bürgerkrieg zerrissenes Land. Gewalt, Hunger, Hoffnungslosigkeit. Major d.R. Michel Pusch war im vergangenen Jahr als UN-Militärbeobachter dort. Sechs Monate führte er Gespräche, fuhr Patrouille, überwachte das Waffenstillstandsabkommen. Ein Resümee.

Major d.R. Michel Pusch mit indischen Schutzkräften.

(Foto: Privat)

beorderungÜbungVereinte Nationen

Die humanitäre Situation ist dramatisch: Rund zwei Millionen Menschen sind innerhalb des Südsudans auf der Flucht. Hass, Gewalt und Hunger haben das ostafrikanische Bürgerland fest im Griff. Die zwei größten der rund 200 ethnischen Gruppen des Landes, die Dinka und die Nuer, stehen sich gegenüber und kämpfen um die Vorherrschaft. Laut Berichten der Vereinten Nationen ist knapp die Hälfte der Bevölkerung – darunter rund eine Million Kinder – unterernährt. Der UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi nannte den Konflikt eine „der größten Tragödien unserer Zeit“.

„Unsere Arbeit vor Ort, das ist die Politik der ganz kleinen Schritte“, sagt Major der Reserve Michel Pusch rückblickend. Er war im vergangenen Jahr von Juli an bis Januar 2017 als Militärbeobachter im Südsudan. „Die Fortschritte sind zum Teil sehr klein, es gibt auch Rückschritte, damit muss man umgehen können. Aber ich habe mich immer gefragt: Was wäre denn, wenn du nicht hier wärest“, fragt er. Für UNMISS – United Nation Mission in South Sudan – überwachte er die Einhaltung der Menschenrechte, die Schaffung sicherer Bedingungen für humanitäre Hilfsleistungen und die Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens.

Von Entebbe an den Nil

„Mein Aufenthalt in Afrika begann für mich zunächst in Entebbe, Uganda. Von dort aus starten die Missionen in die unterschiedlichen Gebiete in Afrika. Als erstes lernt man Geduld!“, erinnert sich Pusch. In Entebbe musste sich der Berliner registrieren, bekam seinen UN-Truppenausweis und erste Instruktionen. Normalerweise dauert das zwei Tage, für Pusch zog sich die Weiterreise in den Südsudan knappe zwei Wochen hin. „Nach der schweren Krise im Juli wurden damals gerade deutsche und europäische Staatsbürger aus dem Krisenland evakuiert. Man wollte das bereits eingearbeitete Personal vor Ort in dem Moment nicht wechseln.“ Die Anspannung stieg mit jedem Tag. „Ich hatte großen Respekt vor dem, was mich erwartet, ich wollte aber auch, dass es endlich losgeht.“

Dann endlich bestieg er einen Flieger nach Juba. Nach einer weiteren einwöchigen Einweisung in Juba ging es für Pusch auf seinen Posten: Eine UN-Militärbasis mit etwa 500 Soldatinnen und Soldaten in Malakal im Nordosten des Landes. Dass es ihn in die Region „Upper Nile“ mit Grenze zum Sudan und Äthiopien verschlagen würde, hatte er selbst erst kurz vorher erfahren. „Es ist heiß dort. Zudem war gerade Regenzeit. Das erste, woran ich mich gewöhnte, war meine ununterbrochen feuchte Kleidung“, erinnert er sich lachend. Der Major d.R. gehörte einem Team an, das alle zwei Wochen zwischen drei Standorten rotierte – Malakal und den kleineren Städten Melut und Bunj. „Dadurch haben wir sehr viele Eindrücke gewinnen können und viele Facetten des Landes und des Konfliktes kennengelernt.“

Multinational und herausfordernd

Sein Team bestand aus einem Vietnamesen, einem Bhutaner, einem Ghanaer, einem Ägypter, einem Äthiopier, einem Ruander und ihm selber. „Diese Multinationalität war großartig. Man bekommt Einblicke in Kulturen, mit denen man sonst nicht so viel zu tun hat“, sagt er. Pusch und seine Kollegen hatten viele Aufgaben: Patrouille fahren, Konfliktparteien aufsuchen, Gesprächsaufklärung, auch mal Konvois von Hilfsorganisationen wie dem UN Flüchtlingshilfswerk und dem Welternährungsprogramm begleiten. „Man ist auch in Situationen geraten, die unangenehm waren. Einmal beispielswiese haben wir eine Konfliktpartei aufgesucht – natürlich unbewaffnet – und wurden von Bewaffneten in eine Art Schuppen geführt, in dem wir dann auf Plastikstühlen Platz nehmen mussten, um mit dem Anführer zu reden. Es kamen immer mehr Bewaffnete in den Raum – da wurde einem schon mulmig“, erinnert sich der Reservist.

Als Militärbeobachter sieht man viel Elend: „Der bescheidenste Ort, an dem ich jemals war, ist Melut“, erzählt er stirnrunzelnd. Die UNMISS-Basis dort war im Zuge schwerer Gefechte zunächst aufgegeben und danach wieder besetzt worden. „Es gab einen ganz kleinen Markt, aber kaum etwas zu kaufen.“ Proviant brachte er sich auch aus hygienischen Gründen immer mit – Milupa-Brei zum Frühstück und Dosenfleisch. Problematisch wurde es, wenn sich der Aufenthalt unbeabsichtigt verlängerte. Und das kam öfter einmal vor. „Dann musste man schon mal rationieren“. Auch Hygieneartikel findet man an Orten wie Melut oder Bunj nicht –Toilettenpapier, Feuchttücher, Desinfektionsmittel fanden daher immer den Weg in das Reisegepäck des Militärbeobachters. Dennoch waren die sanitären Anlagen oftmals eine Herausforderung. „Manchmal hätte ich mir lieber ein Loch im Boden gewünscht. Die Dusche wurde mit dem braunen Nilwasser betrieben.“ Aufbereitetes Trinkwasser fand man indes dank UN-Wasseraufbereitungsanlagen an jeder Ecke.

Armut, Verzweiflung und doch auch Hoffnung

Nach drei Monaten wechselte Pusch seinen Posten. Er kam in die Operationszentrale nach Malakal und war dort verantwortlich für die Planung und die Koordination von Einsätzen des Militärs, der Flüchtlingshilfe, des Welternährungsprogramms und der politischen Berater. Er stellte Ressourcen bereit, plante Schutzkomponenten für Konvois und Reisen oder koordinierte sichere Flugrouten durch Konfliktgebiete. Michel Pusch hat viele Eindrücke mitgebracht. „Die Armut hat mich sehr berührt. Es ist etwas ganz anderes, die Bilder im Fernsehen zu sehen, oder in einem Flüchtlingscamp mit 40.000 Menschen auf engstem Raum zu stehen, die kaum das Notwendigste für das Überleben haben und das, obwohl sie von den Vereinten Nationen versorgt werden. Daher bin ich erschüttert, dass die UN ab Juli ihr Budget für Friedenseinsätze um 600 Millionen US-Dollar kürzen musste, da die USA massiv ihre Zahlungen reduziert haben. Im Südsudan fehlt es sowieso schon an allem“, erzählt er nachdenklich. „Ich habe dort kleine Kinder beobachtet, die mit der feuchten Erde neben den Latrinen gespielt haben und Burgen gebaut haben. Das sind dramatische Bilder, die einen sehr ergreifen“, sagt er und runzelt die Stirn.

Es gab immer wieder Situationen, die schwierig waren. „Dieses Gefühl, dass man einer Situation ausgeliefert ist“, erklärt er und erzählt, wie es in Malakal abends zu Gefechten kam, die immer mehr eskalierten und die ganze Nacht andauerten. Pusch lag in seinem Wellblechcontainer unter einem Moskitonetz und schloss einfach die Augen. „Irgendwann habe ich mir gesagt: was soll`s! Ich habe morgen einen anstrengenden Tag.“ Es musste gehen. Es ging. Eine der wichtigsten Sachen, die Pusch dort lernte: Abschalten. Es gab auch viele Situationen, die den Berliner erfreut haben. „Wenn wir es in einem Gespräch geschafft haben, jemanden zu überzeugen, keine Gewalt auszuüben“, sagt er. Die Schritte waren klein, aber man dürfe nicht aufhören. „Der Südsudan ist ein gottgesegnetes Land: fruchtbar, reich an Bodenschätzen. Die Menschen sind herzlich, gastfreundlich trotz ihres ganzen Elends. Wir dürfen da nicht aufgeben. Die Menschen haben es verdient, dass man dort nicht aufgibt.“ Der Major der Reserve würde jederzeit wieder an einer UN-geführten Mission teilnehmen und auch wieder in den Südsudan gehen.

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