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„No ship­ping, no shop­ping“: Welt­wei­te Her­aus­for­de­run­gen für die EU




Kon­ter­ad­mi­ral Jür­gen Ehle skiz­zier­te bei der RAG Brüs­sel die ver­tei­di­gungs­po­li­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen für die EU.

Foto: Sören Pe­ters

euEu­ro­päi­sche Unionsi­cher­heits­po­li­tik

Um die ak­tu­el­len Her­aus­for­de­run­gen in der eu­ro­päi­schen Si­cher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik ging es am ver­gan­ge­nen Mon­tag­abend bei der Sit­zung der Re­ser­vis­ten­ar­beits­ge­mein­schaft (RAG) Brüs­sel. Kon­ter­ad­mi­ral Jür­gen Ehle, Se­ni­or Mi­li­ta­ry Ad­vi­sor beim Eu­ro­päi­schen Aus­wär­ti­gen Dienst, skiz­zier­te dabei die Hand­lungs­fel­der, die in den kom­men­den Jah­ren an­ge­gan­gen wer­den sol­len. Be­mer­kens­wert: Knapp 40 Gäste kamen zu der Ver­an­stal­tung in der Ver­tre­tung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len bei der Eu­ro­päi­schen Union – und das, ob­wohl die Som­mer­pau­se kurz be­vor­steht und viele In­sti­tu­tio­nen nach der Eu­ro­pa­wahl noch dabei sind, sich für die neue Le­gis­la­tur neu auf­zu­stel­len.

Die neue Le­gis­la­tur­pe­ri­ode ist auch in etwa der Zeit­rah­men, den Kon­ter­ad­mi­ral Ehle in sei­nem Vor­trag skiz­zier­te. Kurz­fris­tig steht hier Be­fä­hi­gung der im Stra­te­gi­schen Kom­pass be­schrie­be­nen Rapid De­ploy­ment Ca­pa­ci­ty (EU RDC). Die EU RDC um­fasst mi­li­tä­ri­sche und zi­vi­le Kom­po­nen­ten mit dem Auf­trag, die EU in die Lage zu ver­set­zen, zügig und ko­or­di­niert auf Be­dro­hungs­la­gen au­ßer­halb des EU-Ter­ri­to­ri­ums zu re­agie­ren und zur Sta­bi­li­tät in der je­wei­li­gen Re­gi­on bei­zu­tra­gen. Nach einer ers­ten Übung im Jahr 2023 soll die bis zu 5.000 Mann star­ke EU RDC bis 2025 voll ein­satz­be­reit sein.

Ein zwei­ter As­pekt, den Ehle the­ma­ti­sier­te, sind die ak­tu­el­len EU-Mis­sio­nen, allen voran die ma­ri­ti­me Ope­ra­ti­on ATA­LAN­TA zum Schutz des Welt­ernäh­rungs­pro­gramms und zur Be­kämp­fung von Pi­ra­te­rie am Horn von Afri­ka. „Seit Be­ginn der Mis­si­on Ende 2008 haben wir eine Er­folgs­quo­te von 100 Pro­zent“, be­rich­te­te Ehle. Sämt­li­che Über­grif­fe auf zi­vi­le Han­dels­schif­fe konn­ten er­folg­reich ab­ge­wehrt wer­den. Die Ge­wäs­ser vor der Küste So­ma­li­as gel­ten als die ge­fähr­lichs­ten der Welt, dabei wird ein be­trächt­li­cher Teil des welt­wei­ten See­han­dels­ver­kehrs über den Golf von Aden und an­schlie­ßend über das Rote Meer und den Su­ez­ka­nal ab­ge­wi­ckelt. „No ship­ping, no shop­ping: Ohne freie See­han­dels­we­ge gibt es kei­nen Wohl­stand, würde die eine Hälf­te der Mensch­heit er­frie­ren und die an­de­re Hälf­te ver­hun­gern“.

Kom­man­do­struk­tur kom­ple­men­tär zur NATO

Neben ATA­LAN­TA lau­fen ak­tu­ell noch wei­te­re mi­li­tä­ri­sche Mis­sio­nen und Ope­ra­tio­nen wie bei­spiels­wei­se die Aus­bil­dung von Sol­da­ten in der Zen­tral­afri­ka­ni­schen Re­pu­blik, in So­ma­lia oder in Mo­sam­bik, und seit Fe­bru­ar zum Schutz der Han­dels­schiff­fahrt die ma­ri­ti­me Ope­ra­ti­on AS­PI­DES als Re­ak­ti­on auf die An­grif­fe der Huthi-Miliz im Roten Meer. Hier war Deutsch­land mit der Fre­gat­te „Hes­sen“ be­tei­ligt und wird sich wei­ter mit der Fre­gat­te „Ham­burg“ be­tei­li­gen. Ziel der EU ist, dass zu­künf­tig alle Mis­sio­nen und Ope­ra­tio­nen zen­tral von einem EU-Haupt­quar­tier ko­or­di­niert, ge­plant und ge­führt wer­den. „Wir brau­chen hier auf EU-Ebene eine ei­ge­ne Kom­man­do­struk­tur in vol­ler Kom­ple­men­ta­ri­tät zur NATO“, stell­te Ehle fest. Wich­tig sei hier­bei, dass Funk­tio­nen nicht ge­dop­pelt, son­dern ge­spie­gelt wer­den. Dass die Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen EU und NATO ein bei­spiel­lo­ses Level er­reicht habe, sei auch eine Fest­stel­lung beim jüngs­ten Gip­fel in Wa­shing­ton DC ge­we­sen. Die Part­ner dies- und jen­seits des At­lan­tiks er­gän­zen ein­an­der, um ef­fi­zi­ent agie­ren zu kön­nen. Ehle hofft, dass der unter Prä­si­dent Joe Biden eta­blier­te zwei­mal jähr­lich statt­fin­den­de stra­te­gi­sche EU-US-Dia­log zur Ver­tei­di­gung er­hal­ten bleibt. „Wer auch immer im No­vem­ber das Ren­nen ums Weiße Haus macht.“

Rüs­tungs­ef­fi­zi­enz und Ver­tei­di­gungs­kom­mis­sar

Ef­fi­zi­enz ist auch das Stich­wort für die Rüs­tungs­in­dus­trie. Dazu wurde im März die EU De­fence In­dus­tri­al Stra­te­gy (EDIS) er­las­sen, die die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den Mit­glied­staa­ten ver­bes­sern und die Ent­wick­lung in­no­va­ti­ver Ver­tei­di­gungs­tech­no­lo­gi­en vor­an­trei­ben soll. Dazu ge­hört nicht nur, dass Un­ter­neh­men wie Rhein­me­tall ihre Ka­pa­zi­tä­ten hoch­fah­ren. Ehle nann­te die wich­tigs­ten Pro­zes­se und In­stru­men­te mit Bezug zu Ver­tei­di­gungs­aus­ga­ben in der EU. Dazu ge­hö­ren die Co­or­di­na­ted An­nu­al Re­view on De­fence (CARD), die Pro­jek­te der Per­ma­nent Struc­tu­red Co­ope­ra­ti­on (PESCO), Mi­li­ta­ry Mo­bi­li­ty (Er­neue­rung von wich­ti­ger Ver­kehrs­in­fra­struk­tur wie Brü­cken und Au­to­bah­nen), den Eu­rope­an De­fence Fund (eine Reihe von In­stru­men­ten für In­no­va­tio­nen in der Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie) und die Eu­rope­an Peace Fa­ci­li­ty (Un­ter­stüt­zung für die Ukrai­ne). Die EU-Kom­mis­si­on will die Ver­tei­di­gungs­po­li­tik sowie die Ge­mein­sa­me Außen- und Si­cher­heits­po­li­tik ef­fi­zi­en­ter ge­stal­ten. Hel­fen soll dabei in Zu­kunft ein Ver­tei­di­gungs­kom­mis­sar. Des­sen Auf­ga­be soll­te es sein, die Viel­zahl an ver­tei­di­gungs- und rüs­tungs­po­li­ti­schen In­stru­men­ten, Pro­jek­te und In­itia­ti­ven mit­ein­an­der bes­ser zu ver­net­zen.  Mit Ver­net­zung er­ge­ben sich be­acht­li­che Ein­spar­po­ten­zia­le von 25 bis 100 Mil­li­ar­den Euro pro Jahr. Ein Bei­spiel: Wäh­rend die US-Armee ein Kampf­pan­zer-Mo­dell be­treibt, sind es in der EU 15 ver­schie­de­ne. Er­satz­tei­le, War­tung, In­stand­hal­tung – die Kos­ten sum­mie­ren sich und das ein­ge­spar­te Geld könn­te man an an­de­rer Stel­le sinn­voll in­ves­tie­ren. Zudem stell­te der Kon­ter­ad­mi­ral den jüngst ver­ab­schie­de­ten Act in Sup­port of Am­mu­ni­ti­on Pro­duc­tion (ASAP) vor.

Geo­po­li­ti­sche Achil­les­fer­se

Doch die eu­ro­päi­sche Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie ist zu einem ge­wis­sen Grad ab­hän­gig von China und von des­sen Roh­stof­fen. Ge­ne­rell lie­ßen sich die glo­ba­len Her­aus­for­de­run­gen nicht ohne China lösen – sei es beim Kli­ma­wan­del, in der Wirt­schaft oder eben auch in der Si­cher­heits­po­li­tik. Ehle sei sich „ab­so­lut si­cher, dass China sich eines Tages Tai­wan ein­ver­lei­ben wird, wir wis­sen nur noch nicht, wann und wie“. Mög­lich wäre eine mi­li­tä­ri­sche In­va­si­on oder eine See­blo­cka­de. Die Mög­lich­kei­ten dazu hätte China schon jetzt. Die Volks­re­pu­blik ver­fü­ge über die grö­ß­te Ma­ri­ne der Welt. Die chi­ne­si­schen See­streit­kräf­te ver­fü­gen schon jetzt über drei Flug­zeug­trä­ger und wach­sen seit 2004 alle fünf Jahre in einer Größe der fran­zö­si­schen Ma­ri­ne. Ob ein mi­li­tä­ri­scher Kon­flikt oder eine Blo­cka­de, bei bei­den Sze­na­ri­en wären die glo­ba­len Fol­gen un­vor­her­seh­bar. In so einem Fall wäre die EU auf sich selbst ge­stellt. „Nie­mand weiß, ob die USA einen drit­ten Welt­krieg ris­kie­ren wür­den. Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass die NATO oder die EU dann mi­li­tä­risch in­ter­ve­niert“, sagte Ehle. Der Indo-Pa­zi­fik ist eine geo­po­li­ti­sche Achil­les­fer­se. Die be­zieht EU in gro­ßem Maße Mi­kro­chips, Halb­lei­ter und auch An­ti­bio­ti­ka aus Tai­wan und ist von Roh­stof­fen aus China ab­hän­gig.

Des­halb ver­folgt die EU im Um­gang mit dem chi­ne­si­schen Dra­chen einen Draht­seil­akt. „De-Ris­king, nicht De-Cou­pling“, heißt die Stra­te­gie. Die EU will sich nicht von den lu­kra­ti­ven asia­ti­schen Märk­ten ab­kop­peln (De-Cou­pling), muss aber gleich­zei­tig die Ge­fah­ren, die von einer zu star­ken Ab­hän­gig­keit von die­sen Märk­ten, ins­be­son­de­re von China, aus­ge­hen mi­ni­mie­ren (De-Ris­king). Dazu ge­hö­re es auch, der chi­ne­si­schen Be­völ­ke­rung klar­zu­ma­chen, dass ihr Ge­sell­schafts­ver­trag mit dem Kom­mu­nis­ti­schen Re­gime nicht mehr auf­ge­hen könne, soll­te die Xi-Re­gie­rung einen Krieg vom Zaun bre­chen. Dass ein Krieg nicht ge­ra­de die Si­tua­ti­on der Men­schen und des Lan­des ver­bes­se­re, sei am Bei­spiel Russ­lands zu sehen, sagte Mi­cha­el Gah­ler.

Auch wenn man es schon oft ge­hört hat: Eu­ro­pa muss für seine Si­cher­heit al­lei­ne sor­gen, selbst pro­du­zie­ren und sich un­ab­hän­gig von Han­dels­part­nern ma­chen, die auf einem an­de­ren Wer­te­ge­rüst auf­bau­en. „Das Be­wusst­sein dafür wol­len wir mit sol­chen Ver­an­stal­tun­gen we­cken“, sagte Mi­cha­el Gah­ler MdEP, Vor­sit­zen­der der RAG Brüs­sel. „Genau die­sen Input möch­ten wir den po­li­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­gern hier in Brüs­sel an­bie­ten.“

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