Die aktuellen Herausforderungen für die Reserve standen auf der Tagesordnung bei der jüngsten Sitzung der Reservistenarbeitsgemeinschaft (RAG) Landtag NRW. 16 Abgeordnete nahmen an der Sitzung in Düsseldorf teil, darunter der Vizepräsident und Landesvorsitzende Oberstleutnant d.R. Wolfgang Wehrend, Gründungsmitglied der RAG Landtag. „Auch auf Landesebene ist es richtig und wichtig, sich mit den Themen Sicherheit, Bundeswehr und Reserve zu beschäftigen“, sagte Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg, der als Gast geladen war. Immerhin werde in Nordrhein-Westfalen derzeit das zweite Heimatschutzregiment aufgebaut (wir berichteten). „Aber: Wenn ich es ernst meine mit der Landes- und Bündnisverteidigung, dann muss ich das auch materiell unterfüttern“, mahnte der Präsident des Reservistenverbandes.
Dann helfe es auch nichts, wenn nur jedem zehnten Reservisten eine Waffe zur Verfügung steht. „Das hat doch mit Abschreckung nichts zu tun.“ Doch genau diese sei essenziell, um militärischen Eskalationen vorzubeugen. „Ich will keinen Krieg. Krieg zerstört“, sagte Sensburg, und zeigte auf die Nachbarstadt. „Die Kölner werden es mir nachsehen, aber die Stadt ist nicht schön. Sie wäre aber schön, wenn es keinen Krieg gegeben hätte.“ Wer die gekachelten Bauten aus der Südstadt kennt, der weiß, wovon er spricht.
Hohe Standards absichern
Das Thema Sicherheit wollte der Verbandspräsident jedoch nicht nur auf das Militärische herunterbrechen. „Schauen Sie sich mal den technischen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte an. Wir sind modern geworden, haben es aber versäumt, diese hohen Standards auch abzusichern“, sagte Sensburg. Beispiele sind die Anschläge auf die Ostsee-Pipelines oder im Inland die Sabotageakte an Bahnstrecken. „Alles in einem demokratischen Rechtsstaat muss ich auch absichern können“, mahnte Sensburg.
Zustimmung kam von NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach: „Wir müssen wieder reinkommen in das Denken ‚Wie schützen wir uns?‘.“ Die Bundeswehr sieht der Minister dabei als Teil des Ganzen, auch der Zivil- und Bevölkerungsschutz dürfe in diesem Kontext nicht vernachlässigt werden. Aber wer soll es machen? „Der Zivilschutz darf nicht als Deckmantel für eine etwaige Reaktivierung der Wehrpflicht herhalten“, sagte Julia Höller. Vielmehr solle sich die Bundeswehr Gedanken machen, wie sie sich weiter öffnen kann, um so ausreichend Personal zu rekrutieren. Der (in dieser Runde zu erwartende) Widerspruch kam von Gregor Golland: „Es ist nicht zu viel verlangt, ein Achtzigstel seiner Lebenszeit in Dienst der Allgemeinheit zu stellen, im Zweifel über eine Verpflichtung.“
Das Eintreten für einen allgemeinen, verpflichtenden Gesellschaftsdienst hatte der NRW-Landesvorsitzende Wehrend bereits bei der Bundesdelegiertenversammlung 2015 in Hannover im Reservistenverband verankert, sein Antrag wurde einstimmig angenommen. Neuen Schwung in die Debatte brachte zuletzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der mit einer sozialen Pflichtzeit den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken möchte. Ein solcher Dienst könnte auch bei der Bundeswehr geleistet werden. Golland weiter: „Diese Weinerlichkeit der Gesellschaft muss endlich mal aufhören. Wir können nicht länger verlangen, dass jemand anderes uns die Steine aus dem Weg räumt. Erstmal haben wir selbst eine Verantwortung für unsere Sicherheit.“ Dafür brauche es aber einen politischen Willen.
Dazu gehört auch, Sicherheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen – und die Menschen, die für unsere Sicherheit sorgen, in den Mittelpunkt zu stellen. So kamen aus der Runde etwa die Anregungen für ein öffentliches Gelöbnis vor dem Landtag oder die Übernahme der Patenschaft für das Heimatschutzregiment.
Panske und Lürbke in Vorstand gewählt
Zwei, die diese Ideen nun aufnehmen und weiterentwickeln, sind Dietmar Panske und RAG-Gründungsmitglied Marc Lürbke. Sie wurden bei der Sitzung zu Vorsitzenden der RAG Landtag NRW gewählt.
Die RAG Landtag NRW hat sich im März 2016 auf Initiative von Michael Groschek und Wolfgang Wehrend gegründet. Sie war die erste Gliederung dieser Art in einem Landesparlament. Der jeweilige Landesvorsitzende NRW des Reservistenverbandes ist geborenes Mitglied, um den engen Kontakt zur Politik zu gewährleisten. Ziel ist es, der Reserve eine fraktionsübergreifende Plattform zu geben und im parlamentarischen Umfeld als Mittler für die Belange der Streitkräfte einzutreten.
Stärkere Kooperation
Am Rande der Sitzung der RAG Landtag haben der Freundeskreis der Fregatte Nordrhein-Westfalen und der Reservistenverband vereinbart, die Interessen der Bundeswehr und der Marine in NRW gemeinsam noch stärker zu vertreten. In Düsseldorf kam es zu einem fruchtbaren Austausch zwischen Verbandspräsident Sensburg und den Vorstandsmitgliedern des Freundeskreises mit Hartmut Ganzke und Reinhard Claves an der Spitze. Beide Organisationen waren sich einig, die Zusammenarbeit weiter zu intensivieren, um gemeinsam in Politik und Gesellschaft über die Streitkräfte zu informieren. „Angesichts der massiven Veränderungen im Bereich der Sicherheitspolitik ist diese Zusammenarbeit ein wichtiger Schritt, um Freundeskreis und Reservistenverband als Ansprechpartner in NRW zu etablieren“, sagte Ganzke.