Die Reserve im Jahresbericht der Wehrbeauftragten
Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, hat in dieser Woche ihren Jahresbericht für 2023 vorgestellt. An 123 Tagen war sie dafür in der Truppe unterwegs und erfuhr von den Soldatinnen und Soldaten aus erster Hand, wo der Schuh drückt. Die Reserve erhielt in dem Bericht wieder ein eigenes Kapitel.
Denn auch in diesem Berichtsjahr zeigte sich: „Ohne die Reserve geht wenig.“ Es waren insgesamt 3.246 Reservistinnen und 39.819 Reservisten beordert. In diesem Zeitraum unterstützten 19.084 Reservistendienst Leistende – beorderte und nicht beorderte – die aktive Truppe in 45.194 Dienstleistungen. Die Verwendungsbreite reicht hierbei unter anderem von den Heimatschutzkompanien, den Kreis- und Bezirksverbindungskommandos bis hin zu den Spiegeldienstposten in den Einheiten oder besonderen Spezialfachkräftepools. „Im normalen Dienstbetrieb gewährleisten bereits seit Langem Reservistinnen und Reservisten in vielen Einheiten die Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit – und das im gesamten Aufgabenspektrum der Bundeswehr“, vermerkt Högl. Doch „insbesondere bei Material und Infrastruktur gilt es, die Bedarfe der Reserve stärker zu berücksichtigen.“ In Gesprächen mit Reservedienst Leistenden und bei Truppenbesuchen erfährt die Wehrbeauftragte immer wieder, dass Reservistinnen und Reservisten nicht die Rahmenbedingungen vorfinden, die sie für ihren Dienst benötigen.
Nur jeder Dritte wird grundbeordert
Ein weiterer Bereich, in dem es noch ruckelt, ist die Grundbeorderung. „Die Umsetzung steht noch relativ am Anfang und hat ihr Potenzial noch nicht entfaltet“, schreibt die Wehrbeauftragte dazu. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Seit ihrer Einführung im Jahr 2021 bis zum Ende des Berichtsjahres sind insgesamt 46.022 Soldatinnen und Soldaten aus der Bundeswehr ausgeschieden, davon waren insgesamt 33.996 für eine Grundbeorderung grundsätzlich geeignet. Umgesetzt hat die Bundeswehr jedoch nur 10.716 Grundbeorderungen, was einem Anteil von rund 32 Prozent entspricht. „Das ist in keiner Weise zufriedenstellend“, findet Högl. Als Gründe nannte die Bundeswehr unter anderem Defizite bei der Beorderungs- und Heranziehungsüberprüfung. Diesen Hindernissen will sie mit geänderten Vorschriften, die in die Truppe kommuniziert werden sollen, begegnen.
Bei der Personalgewinnung fordert Högl mehr Tempo. Ein zügiges Einstellungsverfahren sei ein entscheidender Faktor bei der Gewinnung von Reservistinnen und Reservisten. Nach Auskunft der Bundeswehr hat im Jahr 2022 beispielsweise die Zeitspanne von der Bewerbung bis zur Einstellung in die Laufbahn der Sanitätsoffizierinnen und Sanitätsoffiziere der Reserve, mit vorläufig verliehenem höherem Dienstgrad (Seiteneinstieg), durchschnittlich bei mehr als elf Monaten gelegen. „Bei allem Verständnis für den mit der Bearbeitung einer Bewerbung verbundenen Aufwand – gegebenenfalls Einleiten einer Sicherheitsüberprüfung und Suche nach einem geeigneten Beorderungsdienstposten – ist diese Verfahrensdauer deutlich zu lang. Kommen noch Fehler in der Bearbeitung hinzu, kann sich eine Verfahrensdauer ergeben, die vollkommen inakzeptabel ist“, hält die Wehrbeauftragte fest.
Mehr Tempo in Personalfragen
Schnelligkeit sollte ebenso bei der Heranziehung zu einer Dienstleistung eine Selbstverständlichkeit sein. Im Jahresbericht wird der Fall eines Reservisten geschildert, der nicht nachvollziehen konnte, dass eine kurzfristige Heranziehung zu einer Dienstleistung mit weniger als acht Wochen Vorlauf nicht zu realisieren war, obwohl dringender Bedarf bei einem Verband bestand.
Das Verteidigungsministerium erläuterte hierzu, dass in nicht vorhersehbaren und besonders dringenden Fällen eine Anforderung – mit qualifizierter Begründung – auch innerhalb der Frist von zwei Monaten vorgelegt werden könne. Dies geschehe im täglichen Dienstbetrieb regelmäßig und würde von den Karrierecentern der Bundeswehr umgesetzt. Ob sich eine kurzfristige Heranziehung realisieren lasse, hänge jedoch von verschiedenen Faktoren ab: So müssten Heranzuziehende eine Sicherheitsüberprüfung besitzen, wehrrechtlich verfügbar sein und deren vollständige Gesundheitsunterlagen vorliegen.
Ausbildung Ungedienter eine Erfolgsgeschichte
Doch es gibt auch Positives zu berichten: Zum Beispiel, dass sich das im Jahr 2018 in Kooperation mit dem Reservistenverband ins Leben gerufene Projekt der Bundeswehr „Ausbildung Ungedienter“ immer größerer Beliebtheit erfreut. Hierdurch wird der Einstieg in die Laufbahn der Mannschaften der Reserve des Truppendienstes im Organisationsbereich der Streitkräftebasis eröffnet. Seit Einführung des Projektes haben insgesamt 927 Frauen und Männer diese Ausbildung abgeschlossen. „Sehr erfreulich ist daher, dass wegen steigender Zahlen von Interessentinnen und Interessenten ab dem Jahr 2024 alle Landeskommandos diese Ausbildung anbieten werden. Hierfür hat die Bundeswehr bereits fünf Ausbildungskompanien – unabhängig vom sukzessiven Aufbau der Heimatschutzregimenter – mit einer Anfangsbefähigung zum 1. Januar 2024 aufgestellt“, schreibt Högl. „Bemerkenswert ist, dass in dieser Ausbildung die Abbrecherquote fast bei Null liegt. Ein Erfolgsfaktor scheint hierbei die Regionalität zu sein. Dies verdeutlicht, wie wichtig und attraktiv eine heimatnahe Reservistenverwendung ist, die obendrein auch verträglicher mit privaten und beruflichen Verpflichtungen ist. Mit solchen niedrigschwelligen Angeboten schafft es die Bundeswehr, die Menschen besser zu erreichen.“
Weitere Reserve-Themen sind unter anderem die Unterhaltssicherung, Fahrtkostenerstattung und einen Blick auf den amerikanischen Beitrag zur Übung „Air Defender“, der zu einem großen Teil von Reservisten gestemmt wurde.
Den kompletten Bericht stellt der Bundestag hier zur Einsicht und zum Download zur Verfügung. Die Reserve wird ab Seite 97 thematisiert.