Reserve so relevant wie seit langem nicht mehr
Ob Pandemie oder sicherheitspolitische Zeitenwende, zurzeit gibt es beim Thema Reserve sehr viel Bewegung. In Koblenz tagten die Beauftragten für Reservistenangelegenheiten im Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr (ZSanDstBw). Sie diskutierten den gegenwärtigen Sachstand und die Zukunft der Reserve.
Das Thema Reserve ist in allen Bereichen, auch in Gestalt des Ehrenamtes, insbesondere im Katastrophenschutz, heute wieder so relevant, wie in den vergangenen 30 Jahren nicht mehr“, hob Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps zur Eröffnung der Tagung hervor. In den letzten beiden Jahren sei unser aller Wahrnehmung von der Pandemie geprägt gewesen. Gegenwärtig ist es der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene sicherheitspolitische Zeitenwende.
Hierbei kommt dem Sanitätsdienst nicht nur eine besondere Rolle zu, sondern konfrontiert ihn auch mit Herausforderungen. Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter, die vorher Soldat auf Zeit waren und danach Teil der Reserve werden, arbeiten häufig weiter im zivilen Gesundheitssystem oder sie engagieren sich ehrenamtlich im Ret-tungsdienst oder beim THW. Nur mit der Grundbeorderung von Soldatinnen und Soldaten nach dem aktiven Dienst allein ließen sich diese Herausforderung nicht meistern. Wer zivil in entsprechenden Berufsfeldern arbeitet, wird im Ernstfall unabkömmlich sein und somit der Bundeswehr nicht als Reservist zur Verfügung stehen können. Deshalb käme es jetzt darauf an, für die gesamtstaatliche Aufgabe der Verwundetenversorgung im Krieg zivil-militärische Lösungen zu finden. Daran werde derzeit intensiv gearbeitet, so Schoeps.
Es besteht Handlungsbedarf
Der Sanitätsdienst der Bundeswehr ist der Garant für die Gesundheitsversorgung in den deutschen Streitkräften und immer dort vor Ort, wo seine vielfältigen Fähigkeiten gebraucht werden. Als Fachdienst stellt der Sanitätsdienst hohe Ansprüche sowohl an die fachliche Expertise, als auch an die Einsatzbereitschaft. Daraus leiten sich auch die Planungsgrundlagen für die Reserve ab. Und das beginnt mit den Gestaltungsmöglichkeiten, die bereits heute vorhanden sind.
„Um in den vorgegebenen Zeitlinien substanzielle Fortschritte zu erzielen reichen keine bloßen Absichtserklärungen. Wir müssen es bereits heute anpacken“, sagte Schoeps. Das erste große Projekt „Reserve 2025 – Schutz und Sicherung“ sei vom Stellvertreter des Generalinspekteurs, Generalleutnant Markus Laubenthal, bereits angestoßen worden. Einerseits geht es um die sanitätsdienstliche Unterstützung der neuen Heimatschutzregimenter, andererseits müsse künftig der Schutz der Bundeswehrkrankenhäuser, der Sanitätsakademie, der Institute und der Kommandos sichergestellt werden.
Personalbindung Reserve im Blick behalten
Mit der Grundbeorderung sei in erster Linie eine planerische Vorsorge geschaffen worden, die Frage der jeweiligen Verfügbarkeit sei damit aber noch nicht beantwortet. Ein zentraler Gestaltungsbereich in der Reservistenarbeit „befasst sich daher mit den Rahmenbedingungen des Reservistendienstes, seiner Attraktivität, zu berücksichtigender Grenzen und insbesondere der Gewinnung, Betreuung und Bindung unserer Reservistendienst Leistenden“, betonte Schoeps. Das beinhalte auch den Blick für die jeweilse regionale und zeitliche Verfügbarkeit.
„Wir brauchen die ausscheidenden Sanitätsoffiziere und -feldwebel aus allen Bereichen, um beispielsweise eine lagegerechte Beratung in der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) sicherzustellen, gerade auch in der Landes- und Bündnisverteidigung“, sagt Generalarzt Dr. Bruno Most und erwartet zugleich von allen truppendienstlichen Vorgesetzten im Sanitätsdienst, dass sie dies in Beorderungsgesprächen gezielt ansprechen.
Lessons Learned für künftige Krisen
In der Pandemie haben Reservistinnen und Reservisten mehrere Wochen, teilweise sogar mehrere Monate in den Bundeswehrkrankenhäusern, in den Instituten, in den vier Überwachungsstellen für öffentlich-rechtliche Aufgaben sowie in diversen Amtshilfe-Einsätzen unterstützt. Die territoriale Reserve des Sanitätsdienstes war vor allem für die Beratung der regionalen Krisenstäbe im Einsatz.
Der Schlüssel zum Erfolg lag hier beim bedarfsgerechten Einsatz, vor allem bei den noch unbeorderten Reservisten. Welche Aufgaben passen zu welcher Reservistin bzw. welchen Reservisten und dessen zivile und militärische Qualifikation. Das musste besonders zu Anfang noch aufwendig einzeln gesichtet und administriert werden. Auch hier gilt: Diese Zeit kann eingespart werden, wenn man die Reservisten bereits vor einer Krise für eine Beorderung, beispielsweise in der Verstärkungsreserve, gewonnen hat.
Entwicklung der Stellen für Reservistinnen und Reservisten
Die Bewältigung der Corona-Pandemie und die dafür erforderlichen Maßnahmen ha-ben insgesamt zu einer Anpassung der Stellen für Reservistinnen und Reservisten (StRes) geführt. Aber die Aufgaben und Anforderungen seien nicht weniger geworden, im Gegenteil. Künftig käme noch die Aufstellung der Sanitätsstaffeln Einsatz für den Heimatschutz sowie die Inübunghaltung der grundbeorderten Reservisten hinzu. Daher sind „auch in Zukunft, die Stellen Res eine begrenzte Ressource. Wir werden auch künftig nicht umhinkommen, bei der Einplanung von Reservistinnen und Reservisten, zu priorisieren“, sagte Oberst Uwe Armin Schmidt.
Das nehme aber auch die Dienststellen und Truppenteile in die Pflicht sich künftig noch mehr und noch besser mit den beorderten Reservistinnen und Reservisten abzustimmen. „Trotz aller Priorisierung, unsere Reservisten und ihre Fähigkeiten werden gebraucht, es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass sie verzichtbar wären. Sie sollen sich mitgenommen fühlen“, appelliert Schmidt.