Reserve und Wirtschaft: Ein kompliziertes Verhältnis
Mit Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 2011 ist auch die Pflicht zur Freistellung für Reservistendienstleistungen entfallen. Diese ist aber für den temporären Dienst in den Streitkräften unentbehrlich, durch den beide Seiten profitieren: die Bundeswehr von den aus der freien Wirtschaft mitgebrachten Fertigkeiten der Reservisten sowie die zivilen Arbeitgeber von für sie kostenlos erworbenen und teils nur von der Bundeswehr angebotenen Qualifikationen. Dabei auftretende Probleme müssen offen benannt werden, denn Reservisten sind unverzichtbar.
Probleme bei der Freistellung
Der Oberstabsgefreite der Reserve und Reservefeldwebelanwärter K. ist gelernter Bankkaufmann und Informatik-Betriebswirt im öffentlichen Dienst. Nach seiner Ausbildung hat er freiwilligen Grundwehrdienst bei der Panzergrenadiertruppe geleistet und ist im Anschluss zu seinem alten Arbeitgeber zurückgekehrt. Um dennoch der Bundeswehr verbunden zu bleiben, ist er seit 2013 Mitglied des Reservistenverbandes und hat im selben Jahr seine erste Reservistendienstleistung in der Katastrophenhilfe während des Elbe-Hochwassers absolviert; in der Folge war er Mitglied einer Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanie (RSUKp).
Wurde K. anfangs von seinem Arbeitgeber bereitwillig freigestellt, hat sich dies nach dem Wechsel in ein kleineres Team geändert. Ein großes Hindernis ist seine Unabkömmlichkeit: Da nur zwei weitere Kollegen über seine Qualifikation verfügen, möchte man nicht auf ihn verzichten. Er stößt auch auf Unverständnis, da sein aktueller Vorgesetzter selbst ungedient ist. Zuletzt sieht dieser keine Vorteile für das Unternehmen; der Einsatz im Bereich RSU ist zwar ein ehrenvoll, bietet aber aus Arbeitgebersicht keine wirtschaftlichen Vorteile. Dabei sollte K. all dies gerade nicht betreffen: Er ist aktuell als Personalfeldwebel beordert, ein Fachmann für menschliche Führung mit Leistung auf Meisterebene.
K. sieht auch auf staatlicher Seite Verbesserungsbedarf: Die Bundeswehr fordere Reservisten für zu lange Zeiten an, was ein normaler Angestellter kaum leisten könne. Auch die Gesetzeslage sei defizitär – eine große Hilfe wäre z.B. eine dem THW-Gesetz ähnliche Pflicht zur Freistellung gerade für gesellschaftsunterstützende Reservistendienstleistungen in den RSU-Kompanien. Für K. waren die Folge bisher drei gescheiterte Reservistendienstleistungen, was Resignation auslösen kann. Die Reservisten fühlen sich allein gelassen und könnten sich heimlich im Urlaub engagieren, womit jedoch niemandem geholfen wäre. Sein persönliches Resumée ist eindeutig: "Zivile Karriere und Freistellung passen derzeit schlecht zusammen."
Eine gesellschaftliche Verpflichtung
K. hat auf seinem aktuellen Beorderungsposten aber auch einen weiteren Blick: Klar sagt er, dass "gute zivile Qualifikationen auch zivil unersetzbar" seien, was die Freistellung erschwere. Ehrenämter seien zwar gern gesehen, sollten im Arbeitsalltag aus Sicht der Vorgesetzten aber lieber außen vor bleiben, und warum jemand fehle, sei für den Chef zweitrangig. Dabei brächten sich viele unbeorderte Reservisten gern stärker ein.
Roderich Kiesewetter, Präsident des Reservistenverbandes und Mitglied des Bundestages, brachte seine Erwartungen an die Wirtschaft 2015 auf den Punkt: "Wir können die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen. Die Verantwortung liegt auf unser aller Schultern. Jeder Arbeitgeber, der einen Reservisten für den Dienst in der Bundeswehr freistellt, beweist sicherheitspolitische Weitsicht."
Symbolbild oben: Uniform als zweiter Anzug
(Foto: Eckhard Schwabe/Reservistenverband)