Reservist begleitet Großübung an der Führungsakademie
Vier Nationen, ein Szenario, ein Reservist. In Hamburg fand die multinationale Übung „Combined Joint European Exercise 2019“ (CJEX) an der Führungsakademie der Bundeswehr statt. Involviert: Der Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGAN) sowie Delegationen aus Spanien, England und Italien – in allen vier Ländern übten angehende Spitzenoffiziere gemeinsam, eine Mission in Afrika zu meistern. In Hamburg wirkte Oberstleutnant der Reserve Dr. Christian Richter als Stellvertreter des Übungsleiters mit.
Alambara – ein fiktiver Staat in Afrika. Die Situation im Land ist fragil. Ethnische Konflikte und Streitigkeiten an den Staatsgrenzen destabilisieren die Region und bieten extremistischen Gruppierung Nährboden zum Gedeihen. Die humanitäre Lage spitzt sich zunehmend zu. Gleichzeitig erstarken rebellische Kräfte in Alambara und im Nachbarland Molovelo. Die Vereinten Nationen ersuchen die Europäische Union, ab dem 30. Juni 2019 für zwölf Monate die eingesetzte United Nations Monitoring Force zu unterstützen und die Situation vor Ort zu stabilisieren. Gleichzeitig bittet auch die Regierung in Alambara die Europäische Union um Hilfe: Die Übung beginnt.
Oberstleutnant der Reserve Christian Richter, promovierter Jurist, ist dafür mitverantwortlich, dass die multinationale Übung „Combined Joint European Exercise 2019“ (CJEX) an der Führungsakademie in Hamburg für die rund 80 deutschen und internationalen Soldatinnen und Soldaten reibungslos verläuft. „Neben Offizieren des Lehrgangs Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGAN) 2017 nehmen Delegationen aus Italien, Spanien und England teil, die eine Woche lang eine Stabilisierungsoperation in Alambara planen“, erklärt Richter. Ebenso sind Delegationen der Führungsakademie nach Rom, Madrid und Shrivenham gereist. Die Übung findet an vier Standorten gleichzeitig statt.
Nato-Planungsprozess üben
„Es handelt sich bei CJEX um eine multinationale, streitkräftegemeinsame Stabsübung, die seit 2000 jährlich und immer parallel an den beteiligten Militärakademien stattfindet“, erklärt Generalmajor Oliver Kohl, Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr. „Diese Multinationalität stellt einen Grundpfeiler der Ausbildung für die zukünftigen Aufgaben der Generalstabs- und Admiralstabsoffiziere dar, weil Abläufe und Prozesse gemeinsam für den Ernstfall geübt werden.“ Mit Abläufen und Prozessen ist insbesondere der operative Nato-Planungsprozess gemeint. Während des zwei Jahre dauernden LGAN haben die jungen Offiziere des Lehrgangs den Planungsprozess bereits dreimal angewendet – zunächst einmal in der Teilstreitkraft, dann teilstreitkräftegemeinsam und nun teilstreitkräftegemeinsam und multinational.
Sieben Tage Anspannung
Zurück zur Übung: In Hamburg werden die rund 80 Teilnehmenden in vier Gruppen (Joint Operational Planning Groups) zu je knapp 20 Frauen und Männern aufgeteilt – immer multinational. Alle haben denselben Auftrag. In den Gruppen sind alle Elemente abgebildet, die man auch tatsächlich für die Planung einer Militäroperation braucht: Die Operationsplaner, Nachrichtendienste, Logistik, zudem alle Teilstreitkräfte wie Heer, Marine, Luftwaffe und Spezialeinsatzkräfte. Morgens um acht Uhr geht es los: Briefings, Recherche, Planung. Sieben Tage lang. Die Stimmung ist gut, es wird gelacht, aber auch hart diskutiert, abwägt, abgestimmt. Zu Unstimmigkeiten kommt es auch. Aber nur kurz. Auch das ist Teil der Übung: Das
Arbeiten in multinationalen Stäben.
„Die Übungsteilnehmenden haben den Auftrag, das Land zu stabilisieren. Denn innerhalb eines Jahres soll die Übergabe an eine robuste UN Peacekeeping Operation – das heißt Friedensmission – erfolgen. Dazu müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Also: humanitäre Situation und Sicherheitslage stabilisieren“, erklärt Oberstleutnant Richter. Er fungiert dabei nicht nur als Stellvertreter des Übungsleiters, sondern auch als Rechtsberater. „Die Teilnehmenden können bei Rechtsfragen auf mich zukommen. Ich gehe auch durch die Übungsstäbe und halte bei Bedarf einen Impulsvortrag“, erklärt er. Der Nato-Planungsprozess ist dabei eine feste Entität. Dieser wird derzeit auch für EU-Missionen genutzt – so wie es in dieser Übung geschehen soll. Dennoch sind die rechtlichen Auslegungen nicht immer gleich.
Multinationale Zusammenarbeit
„Es gibt regelmäßig Rückfragen völkerrechtlicher Natur, insbesondere Fragen, nach den rechtlichen Grenzen geplanter Vorgehensweisen“, sagt Richter. Der Oberstleutnant der Reserve promovierte im Völkerrecht und ist als Dozent für Staatsrecht und Völkerrecht an der Führungsakademie beordert. Die EU-Mission des hiesigen Szenarios hat beispielsweise eine andere Nuancierung in der Ausführung als ein klassischer NATO-Einsatz. Die EU setzt hier auf die Balance der Selbstverantwortlichkeit und verhält sich grundsätzlich unparteilich gegenüber den Akteuren und den Fraktionen. Der Ansatz zur Lösung muss aus der Region selbst kommen, die EU-Mission unterstützt dabei nur. „Das ist das spannende hier als Reservist: Man kann bei so einer Übung sehr gut wirken und auch Expertise einbringen“, beschreibt Richter seine Motivation.
Die Übung ist zudem multinational und soll den angehenden Spitzenoffizieren das Agieren in internationalen Stäben erlebbar machen. 18 unterschiedlichen Nationen nehmen an der Übung teil. Das fordert von allen interkulturelle Kompetenz. Spanier und Italiener arbeiten unter Umständen anders oder setzen andere Akzente. Aber am Ende geht die Planung Hand in Hand, denn es geht darum, gemeinsam eine Lösung zu finden.
Neben der Führungsakademie der Bundeswehr, die in diesem Jahr als „Lead Nation“ die Übung federführend ausrichtete, nahmen das Joint Services Command and Staff College in Shrivenham, das Instituto Superiore di Stato Maggiore in Rom und die Escuela Superior de las Fuerzas Armadas in Madrid teil.