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Reservist hilft ehemaligen afghanischen Ortskräften




Bastian Stein ist Reservist aus Jena und engagiert sich für ehemalige afghanische Ortskräfte. Als Pate unterstützt der 32-Jährige Ortskräfte und deren Familien, die während des Isaf-Einsatzes in Afghanistan für die Bundeswehr tätig waren. Wie ein Pate helfen kann, erzählt der Obergefreite der Reserve im Interview mit dem Reservistenverband.

Reservistenverband.de:  Warum engagieren Sie sich für afghanische Flüchtlinge?

Bastian Stein: Als Reservist habe ich eine Verbindung zur Bundeswehr und die Bundeswehr hat eine Verbindung zu den Menschen in Afghanistan. Die Ortskräfte, die die Bundeswehr im Isaf-Einsatz unterstützt haben, sind für mich Kameraden und es ist unsere Pflicht als Gesellschaft, diesen Menschen unter die Arme zu greifen und Kameradschaft zu zeigen. Lotsen können mit ein wenig Aufwand viel erreichen. Eines habe ich bisher gelernt: Die Flüchtlinge, die ehemalig Ortskräfte in Afghanistan waren, haben ein sehr positives Bild von Deutschland und haben gerade mit der Bundeswehr gute Erfahrungen gemacht. Reservisten kann ich nur empfehlen, sich als Paten zu engagieren, denn mit diesen Menschen haben wir durch den Isaf-Einsatz eine gemeinsame Geschichte und sie freuen sich auch in Deutschland über den Kontakt zur Bundeswehr. Das Engagement gilt selbstverständlich für Flüchtlinge aus anderen Ländern. In Jena haben wir zum Beispiel viele Flüchtlinge aus Syrien bei uns. Sie sind teilweise hochgebildet und bringen viele Voraussetzungen für eine gute Integration mit. Sie sind unheimlich offen und dankbar für Kontakte. Wir als Gesellschaft sollten da mitziehen und uns auf sie einlassen.

Reservistenverband.de: Wie kam es dazu, dass Sie Pate für Flüchtlinge aus Afghanistan wurden?

Stein: Ich habe von Freunden erfahren, dass im Flüchtlingsübergangswohnheim in Jena drei Afghanen mit ihren Familien untergebracht worden sind, die in Afghanistan Ortskräfte für die Bundeswehr gewesen waren. Mein Vater war als Brigadegeneral in Afghanistan für die Sicherheitsüberprüfung von Ortskräften zuständig, er prüfte, ob die Ortskräfte, die ein Visum für Deutschland beantragt haben, auch vor Ort gefährdet waren. So kam ich mit den Schicksalen dieser Menschen in Berührung und bin natürlich neugierig geworden. Ich wollte wissen, wie ich ihnen bei einem Neustart in Deutschland helfen kann. Ich bin zu dieser Flüchtlingsunterkunft gegangen und habe mich von Tür zu Tür durchgefragt, ob es Familien aus Afghanistan gibt. So habe ich meine Schützlinge kennengelernt. Man kann aber auch bei der Heimleitung oder beim Sozialamt der Stadt anrufen: Sie wissen, ob in den Unterkünften auch ehemalige afghanische Ortskräfte untergebracht sind. Jetzt mache ich diese Pateninitiative mit zwei weiteren Kameraden aus der Reservistenkameradschaft Jena, Stephan Herold und Thomas Zechmeister.

Reservistenverband.de: Wie war Ihr erstes Treffen mit der Familie?

Stein: Sie waren sehr offen und freundlich. Sie haben mich mit "how are you?" und "welcome" begrüßt und haben mich sofort in ihr kleines Zimmer gebeten und mir Tee serviert. Die Frau war schwanger, die Familie hatte noch eine anderthalbjährige Tochter. Ich habe mich vorgestellt und erzählt, dass ich ihnen gern als Pate helfen würde. Sie waren gerade angekommen, waren gerade mal zwei Tage in Deutschland gewesen. Sie hatten keine Pläne, wussten nicht einmal, wo sie waren oder wo Jena auf der Karte lag. Ich habe sie gefragt, wie es ihnen geht und wie ich helfen kann.

Reservistenverband.de: Wie genau hilft ein Pate? Und was gehört nicht zu den Aufgaben eines Paten?

Stein: Wenn Flüchtlinge einen Aufenthaltstitel für zwei Jahre haben, ist die materielle Absicherung nicht das Problem. Für ihre Unterkunft und Geld für den täglichen Lebensbedarf sorgt das Sozialamt. Paten können aber bei allem helfen, was im Alltag anfällt. Die Familie, die ich betreue, musste zum Beispiel krankenversichert werden, ich habe ihnen aber zuerst erklären müssen, was eine Krankenversicherung ist. Für die schwangere Ehefrau haben wir einen Frauenarzt gesucht. Sozialhilfe, Ummelden, Mietvertrag, Konto bei der Bank eröffnen: alles Banalitäten für uns Deutsche. Für einen Flüchtling aber kaum zu bewältigen, zumal alle Formulare auf Deutsch geschrieben sind und die wenigsten Flüchtlinge schon Deutsch sprechen können. Also übersetzen wir viel auf Englisch. Auch ganz wichtig: den Menschen helfen, sich im Alltag in der eigenen Umgebung zurechtzufinden. Wir haben eine Stadtführung gemacht und ihnen erklärt, wo sie Kleidung oder Essen kaufen können oder wie sie ein Ticket für die Straßenbahn kaufen können. Eine Familie hat eine Wohnung gefunden, aber ohne Möbel. Wir sind mit ihnen losgezogen und haben günstige Möbel für sie gefunden. Einer hatte Post von der GEZ bekommen. Wir haben ihm erklärt, was das ist – und dass er die Rundfunkgebühr natürlich bezahlen muss. Paten sind so etwas wie ein Welcome-Center.

Reservistenverband.de: Wie ist Ihr Verhältnis zu den Familien, die Sie betreuen?

Stein: Das ist ganz individuell. Ich habe Afghanen kennengelernt, die eher reserviert reagiert haben. Diese Menschen haben viel mitgemacht, nachdem sie sich auf eigene Faust auf den Weg nach Deutschland gemacht haben, unterwegs vielleicht sogar Familienangehörige verloren haben. Sie bedauern, dass sie Afghanistan verlassen mussten, einige verkraften ihre Flucht nicht so gut. Da muss der Pate mit viel Einfühlungsvermögen auf sie zugehen. Das Verhältnis bleibt aber eher funktional. Dann habe ich Afghanen wie "meine" Familie kennengelernt, die zwar auch bedauern, dass sie fliehen mussten. Aber sie sind entschlossen, Deutschland zu ihrem neuen Zuhause zu machen, weil sie nicht mehr zurückgehen können. Sie sind engagiert, lernen Deutsch. Wenn sie arbeiten wollen und dürfen, helfen wir ihnen bei der Suche nach einer Ausbildung oder Arbeit. Ein Familienvater begleitet uns zu den Veranstaltungen der Reservistenkameradschaft (RK) Jena, er war sogar bei der Feier der RK zum Volkstrauertag dabei. Natürlich habe ich ihm erklärt, was der Volkstrauertag ist. Es geht nicht nur um Hilfe bei formellen Sachen. Flüchtlinge brauchen ein soziales Netzwerk, Integration in den Alltag und Wertschätzung, sonst sitzen sie in ihrer Wohnung und starren die Wand an. Sie lernen Deutsch, aber sie brauchen auch Kontakte zu Deutschen, damit sie die Sprache sprechen können. Da stehen wir als Gesellschaft in der Pflicht.

Reservistenverband.de: Gibt es auch Schwierigkeiten bei so einer Patenschaft oder Missverständnisse aufgrund von kulturellen Unterschieden?

Stein: Selten, und dann sind sie meistens witzig. Ich habe meine afghanische Familie besucht und wollte bei der Begrüßung der Frau die Hand geben. Sie hat zuerst zu ihrem Mann gesehen und er hat genickt. Ich denke, dass es in den afghanischen Familien ein eher traditionelles Verständnis von Geschlechterverhältnissen gibt. Aber sie schauen sich ihre Umgebung an, sehen, dass es in der Gesellschaft anders läuft, und sind offen dafür. Wofür wir uns noch mehr einsetzen wollen, ist, dass auch die Frauen und Mütter in den Familien Deutsch lernen. Wenn ihre Kinder einmal in den Kindergarten kommen, werden sie die Sprache ganz automatisch lernen.

Reservistenverband.de: Herzlichen Dank für das Interview, Herr Stein.

 

Das Interview führte Andelka Krizanovic

Bild oben: Bastian Stein (rechts) ist Reservist und setzt sich als
Lotse für Rahmikhuda Kabirpor ein, der als afghanische
Ortskraft nach dem Isaf-Einsatz in Deutschland ein
neues Zuhause gefunden hat (Foto: privat).

Bild unten: Bastian Stein (zweiter von links) mit zwei Freundinnen
und Rahmikhuda Kabirpor aus Afghanistan (rechts im Bild)
bei einem gemeinsamen Abendessen (Foto: privat).

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