Reservist im Einsatz tauscht Klinik gegen Feldlazarett
Eigentlich ist Stefan K. kein "klassischer" Reservist, die ja in der Regel nach ihrer aktiven Zeit als Soldaten im Status von Reservisten in Übungen und Lehrgängen bei Bundeswehr weiter aktiv sind. Er wurde im Rahmen der Diskussion über den möglichen Ärztemangel bei den Streitkräften auf die Möglichkeit aufmerksam und informierte sich bei einem Kollegen im Bundeswehrkrankenhaus. Als Befürworter gesellschaftlichen Engagements sah er hier eine Möglichkeit, sich und seine Fachkenntnisse einzubringen. Er durchlief alle nötigen Ausbildungen und wurde schon bald bei einer Wehrübung auf einen möglichen Auslandseinsatz angesprochen.
Neue Behandlungstechniken kennengelernt
Als Chefarzt und Ärztlicher Direktor in zwei Kliniken trägt er zuhause viel Verantwortung. Die Zeit in Afghanistan sah Stefan K. aber als Chance, sein Fachwissen für die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz einzubringen und den eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern. Die Arbeit daheim wusste er in den guten Händen seiner Vertreter. Dies war aber nur ein wichtiger Punkt. Natürlich bedarf es auch eines verständnisvollen Arbeitgebers. Der Klinikkonzern, für den er tätig ist, stand diesem Engagement aber ebenfalls positiv gegenüber. So fand er sich bereits Ende 2011 für zwei Monate in der Neurologie/Psychiatrie in Masar-i-Scharif wieder. Die Zeit war für ihn eine interessante Herausforderung: in der Einsatzvorbereitung und im Einsatz konnte er sich mit Kollegen austauschen und neue Behandlungstechniken kennenlernen.
"Wir sind auf alles vorbereitet"
Seine positiven Erfahrungen waren es auch, die ihn dazu bewegten, ein zweites Mal den Weg nach Afghanistan auf sich zu nehmen. Die Bandbreite an Spezialisten im Feldlazarett ist für Stefan K. ein wichtiger Aspekt, der den Soldaten Sicherheit vermittelt. "Wir sind auf alles vorbereitet und hoffen es nicht anwenden zu müssen", sagt der Arzt. Dass sich die Lage im Norden verbessert hat, merkt auch Stefan K. an den sinkenden Zahlen von Zwischenfällen, die aus psychiatrischer Sicht mögliche Ursachen für langfristige Gesundheitsschäden sein können. Aber im Fachbereich der Neurologie/Psychiatrie gibt es weit mehr als die oft thematisierte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Belastungsstörungen, Anpassungsreaktionen, aber auch Kopfschmerzen und Migräne müssen behandelt werden. Dabei ist das Feldlazarett nicht nur für deutsche Soldaten da, sondern auch für Soldaten und Zivilangestellte anderer Nationen, sowie im Extremfall auch für Afghanen.
Interdisziplinärer Ansatz reizvoll für Mediziner
Ein typischer Arbeitstag beginnt für den Oberfeldarzt d.R. mit einem Antreten der Klinikkompanie, in der aktuelle Informationen und Organisatorisches weitergegeben werden. In der Klinik werden in der Ärztebesprechung die vergangene Nacht und der Plan für den Tag abgesprochen. An der anschließenden Visite nehmen alle Ärzte teil. "Dieser interdisziplinäre Ansatz hat mich sehr angesprochen", sagt Dr. Stefan K., denn hier kann, anders als es im heimischen Krankenhausbetrieb der Fall ist, jeder Kollege etwas zum Krankheitsfall beitragen. Den Rest des Tages füllen neue und wiederbestellte Patienten. Regelmäßig gilt es darüber hinaus als "Arzt vom Dienst" auch nachts als Ansprechpartner für die Notaufnahme bereit zu stehen. Neben dieser offiziellen Bereitschaft hat jeder Arzt sein Funkgerät bei sich und ist damit im Notfall rund um die Uhr erreichbar.
Nach Heimkehr: Berichterstatter und Mittler
Ein weiteres Arbeitsfeld für ihn als Psychiater ist das sogenannte Psychosoziale Netzwerk. Die regelmäßigen Treffen von Truppenpsychologen, Militärpfarrern, Sozialarbeitern mit militärischen Vorgesetzten sollen dazu beitragen, dass Soldaten bei Problemen schnell Hilfe von einem Spezialisten bekommen. Dass der Auslandseinsatz auch für sein Umfeld zuhause interessant ist, hat Stefan K. schon nach seinem vorherigen Isaf-Einsatz erlebt. Bei einem Vortrag für seine Klinik über den Afghanistanaufenthalt stand er rund 70 Interessierten gegenüber. Auch diesmal wird er in der Heimat von seinen Erfahrungen berichten. Ein weiterer positiver Nebeneffekt seines Einsatzes: Mitarbeiter, deren Familienangehörigen ein Einsatz bevorsteht, finden in ihrem Chef einen erfahrenen Ansprechpartner zu den vielen Fragen, die so etwas mit sich bringt.
299 Reservisten am Hindukusch
In Afghanistan befinden sich derzeit 4.155 deutsche Soldaten. Unter ihnen sind 299 Reservistinnen und Reservisten. Sie werden am Hindukusch überwiegend im Feldpostdienst, in der Verwaltung, in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (Cimic), bei den Feldjägern, im Sanitätsdienst, der Feuerwehr oder als Hundeführer eingesetzt.
Helmmar Schmidt
Bild oben:
Oberfeldarzt d.R. Prof. Dr. Stefan K.
im Gespräch mit einem Patienten
(Foto: Bundeswehr, Isaf).
Bild Mitte:
Der Reservist ist auch für kleine Patienten da
(Das Kind wurde von der Redaktion
im Gesicht verfremdet, Foto: Bundeswehr, Isaf).
Bild unten:
Prof. Dr. Stefan K. vor der
Klinik im Camp Marmal
(Foto: Bundeswehr, Isaf).