Reservistinnen gesucht: Monika Brüning MdB
Grenzen testen und Horizonte erweitern – Major der Reserve Monika Brüning MdB blickt über den Tellerrand des zivilen Lebens.
Monika Brüning, geboren 1951 in Bremen, ist eine Frau mit vielen Gesichtern: zum einen Wirtschaftsinformatikerin, zum anderen Mitglied des Deutschen Bundestages und des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. sowie des Deutschen Bundeswehrverbandes. Derart fest verankert mit der Bundeswehr zu sein prägt, fordert und beflügelt.
In einem Interview gibt Major (w) d.R. Monika Brüning Auskunft über ein Leben zwischen Familie, Bundeswehr und Bundestag.
Wie wurden Sie auf die Bundeswehr aufmerksam?
Das Engagement in der Truppe liegt in gewisser Weise in der Familie. Mein Vater war bei der Marine, mein Ehemann bei der Luftwaffe und ich selbst bin im Heer. Beruflich und privat war ich auch schon früh im Katastrophenschutz engagiert, wo die Bundeswehr immer eine wichtige Schnittstelle war. In Wunstorf (Niedersachsen), wo wir seit über 33 Jahren leben, liegt zudem der Fliegerhorst. Er ist eine markante Größe und in hervorragender Weise in das kommunale Umfeld integriert.
Was motivierte Sie zum Eintritt und Dienst in die Bundeswehr?
In meinem Umfeld erfuhr ich viel Ermunterung: die Bundeswehr brauche die Perspektive der Frauen und zwar nicht allein in den klassischen Bereichen wie dem Sanitätsdienst, wo Frauen ja schon länger aktiv sind, sondern auch zum Beispiel im allgemeinen Truppendienst. Darüber hinaus bringe ich als Wirtschaftsinformatikerin wichtige Fähigkeiten mit, die in der Truppe heute sehr gefragt sind.
Als Ehefrau eines Soldaten und Mutter von vier Kindern habe ich im Alltag erfahren, wie wenig Kenntnisse es in der Gesellschaft über die Bundeswehr sowie das deutsche sicherheits- und verteidigungspolitische Engagement gibt. Sowohl den Soldatinnen und Soldaten als auch der Gesellschaft habe ich mich hier verpflichtet gefühlt, meine Erfahrungen und Fähigkeiten als Multiplikator und Vermittler einzubringen.
Die Bundeswehr ist darüber hinaus ein attraktiver Arbeitgeber und bietet zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten, Studium, Berufsausbildung, Lehrgänge, Kurse und vieles mehr. Die kontinuierliche Weiterbildung und der Zugewinn an Wissen lag mir Zeit meines Lebens sehr am Herzen.
Welche Weiterbildungen bedeuten Ihnen besonders viel?
Seit langem engagiere ich mich ehrenamtlich. Besonders habe ich mich gefreut, als ich 2005 zur stellvertretenden Vorsitzenden der Landesgruppe Niedersachsen im Reservistenverband gewählt wurde. Neben meinem Reservistenengagement bin ich zurzeit unter anderem Mitglied im 12-köpfigen-Bundespräsidium der Johanniter, Kuratoriumsmitglied der Stiftung St. Barbara (Schutz vor Landminen/Hilfe für Minenopfer) sowie Vorstandsmitglied der Freunde und Förderer der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover e.V..
In die Bundeswehr als aktive Reservistin einzutreten, bedeutete für mich auch ein Stück Dienst an der Gesellschaft und entsprach meinem Wunsch, mich am Gemeinleben zu beteiligen. Regelmäßige Herausforderungen – psychisch wie physisch – erachte ich als Zugewinn an Erfahrung und Leistungsfähigkeit. Auch deshalb hat mich der Dienst in der Bundeswehr gereizt: Grenzen testen und Horizonte erweitern – es kann nicht schaden, einmal über unser ziviles Leben hinauszublicken.
Welche Erfahrungen sammelten Sie zu Beginn Ihrer Dienstzeit? Wie empfinden Sie die Anfangszeit rückblickend?
Natürlich bin auch ich durch eine "Grundausbildung" gegangen, die mich das ein oder andere Mal schlucken ließ. Daran wird sich jeder erinnern. Auf der anderen Seite bin ich nicht wählerisch, was Komfort anbelangt. So stand später auf meinen Reisen – auch nach Afghanistan – immer Funktionalität vor Bequemlichkeit. Letztendlich prägen die Teilnahme am Bundeswehrleben, die Kameradschaft und der gemeinsame Dienst und Erfahrungsaustausch sowie die Grenzerfahrungen für das Leben. Ich möchte sie nicht missen.
Gab es schwierige Situationen für Sie als "Frau an der Waffe"? Wie verlief die Zusammenarbeit mit Ihren männlichen Kameraden und Arbeitskollegen?
Ich muss sagen, dass ich nie gegenüber den Kameraden und Arbeitskollegen benachteiligt worden bin. Die objektive Anerkennung meiner Arbeit war nicht nur wegen meiner guten Schießergebnisse fortlaufend gegeben. Es gibt zwar durchaus noch Männer mit Vorbehalten gegenüber weiblichen Mitstreitern, ich bin jedoch überzeugt, dass wird sich mit der Zeit und der Gewöhnung legen und nachfolgende Generationen – männlich und auch weiblich – werden wie selbstverständlich ihren Beitrag in der Bundeswehr leisten können.
An welchen Wehrübungen oder Wettkämpfen nahmen Sie (zuletzt) teil? Sahen Sie sich besonderen Herauforderungen ausgesetzt?
Zuletzt habe ich als einzige Frau einen weiterführenden Offizierlehrgang an der Kampftruppenschule in Hammelburg absolviert. Darüber hinaus bin ich als Verbindungsstabsoffizier bei der 1. Panzerdivision fest eingeplant und leiste dort in sitzungsfreien Zeiten regelmäßig Wehrdienst im Rahmen von Wehrübungen. Lehrgänge, Wehrübungen und regelmäßige Beurteilungen waren dann die Grundlage dafür, dass mir 2005 der bis dahin vorläufige Dienstgrad Major als erster Frau in der Bundeswehr endgültig übertragen wurde.
Gab es auch Momente, in denen Sie an Ihre körperlichen Grenzen stießen?
Jeder Mensch hat unterschiedliche Veranlagungen, Stärken und Schwächen und natürlich haben auch mir zum Beispiel Übungen einiges physisch abverlangt. Ich bezeichne diese Momente gern als „Aha“-Erlebnisse, die ich allerdings für sehr wichtig erachte. Sie zeigen, wo ich stehe und dass ich stolz sein kann, dieses oder jenes erreicht oder bewältigt zu haben. Glücklicherweise bin ich aus meinem Engagement und beruflichen Leben heraus außergewöhnliche körperliche Belastungen gewohnt und weiß daher damit umzugehen.
Letztlich ist das nicht anders als im beruflichen Leben. Selbst wenn die Flut an Terminen überhand zu gewinnen droht, versucht man stets sein Möglichstes zu tun. Mit dem Unterschied: Letztlich ist man in der Bundeswehr, in seiner Truppe, nie allein – Kameradschaft zählt.
Was führte dazu Reservistin zu werden?
Die Verbundenheit zur Bundeswehr ist mir sehr wichtig, obwohl Soldatin nicht mein eigentlicher Beruf ist. Die "Institution" des Reservisten ist eine hervorragende Möglichkeit sich als Bürger mit seinen zivilberuflichen Fähigkeiten aktiv in die Bundeswehr einzubringen. Und: Es ist die beste Möglichkeit, die Gesellschaft für die Arbeit der Bundeswehr zu sensibilisieren und Informationen zu vermitteln.
Welche Bedeutung haben Bundeswehr und Reservisten für Sie?
Ich bin der Bundeswehr und den Reservisten nicht nur aus Tradition verhaftet. Auch ist mein Engagement natürlich kein Hobby. Die Arbeit für eine Bundeswehr, die den kommenden Bedrohungen vorbereitet gegenübersteht, ist schließlich in den letzten Jahren und bis auf weiteres ein besonderer Schwerpunkt meiner Arbeit im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages.
Reservisten gehen mit ihren besonderen Erfahrungen und Fähigkeiten auch mit in die Auslandseinsätze und sind ein wichtiger Rückhalt in den Einheiten vor Ort in Deutschland für die sich im Auslandseinsatz befindlichen Soldatinnen und Soldaten. Die Bundeswehr wiederum ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Deshalb setze ich mich verstärkt für den Erhalt der Wehrpflicht ein, in der viele junge Männer wertvolle Erfahrungen für ihr weiteres Leben sammeln. Dieses kann ich aus vielen Begegnungen mit Wehrpflichtigen persönlich bestätigen.
Die Erkenntnisse durch meinen Kontakt mit der Truppe im Dienst und bei Übungen, wie auch in Gesprächen, stellen mich in die Verantwortung, diese Einsichten weiterzugeben. Ich kenne beide Seiten und ich bin dankbar, in einer Position zu sein, wo ich für Themen, die den Soldaten am Herzen liegen, nachdrücklich eintreten kann. Neben der ehrenamtlichen und beruflichen Tätigkeit ist natürlich auch bei uns zu Hause die Bundeswehr immer wieder ein Thema.
Wie lassen sich Bundeswehr und Beruf im Alltag koordinieren?
Als Mitglied des Verteidigungsausschusses bin ich vermutlich in einer optimalen Position, wenn es darum geht, beide Felder unter einen Hut zu bekommen. Weitere Berührungspunkte ergeben sich durch die von mir betreuten zwei Wahlkreise mit den Bundeswehrstandorten Wunstorf, Luttmersen, Nienburg und Bückeburg. So kann ich in Wahlkreiswochen auch außerhalb von Wehrübungen zahlreiche Termine wahrnehmen und dabei möglichst oft mit unseren Soldatinnen und Soldaten in Kontakt treten.
Erzählen Sie Näheres zu Ihrem Beruf und seinen Schwerpunkten "Verteidigung" und "Gesundheit".
Ich bin studierte Wirtschaftsinformatikerin und war vor meiner Zeit im Bundestag als Pressesprecherin und Leiterin der Marketingabteilung des Klinikums Region Hannover tätig. Mit dem Bereich des Gesundheitswesens bin ich daher ebenso bestens vertraut. Im Verteidigungsausschuss geht es momentan um die stete Überprüfung und Planung der Erfordernisse von Einsätzen deutscher Soldaten im Ausland, aber auch um die weitere Begleitung der Transformation der Bundeswehr hin zu einer Einsatzarmee. Das fängt bei A wie "Ausstattung" an und endet bei Z wie "zivil-militärische Zusammenarbeit".
Ich bin darüber hinaus unter anderem zuständige Berichterstatterin für den Sanitätsdienst sowie die Radargeschädigten der Bundeswehr und für die Vertrauenspersonen in der Bundeswehr verantwortlich. Derzeit bin ich besonders mit der Bearbeitung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Vereinbarkeit von Familie und Dienst sowie Besoldungsfragen (Stichworte: Dienstrechtsneuordnungsgesetz und S-Besoldung für Soldatinnen und Soldaten) verantwortlich befasst.
Wie reagiert Ihr Umfeld (Freunde und Familie) auf Ihre Tätigkeit als Reservistin?
Meine Familie ist es gewohnt und gibt mir den erforderlichen Rückhalt. Freunde und Familie bestärken mich darin, meine persönliche Sicht weiter zu vertreten, da die Bundeswehr die Vielfalt und das Engagement vieler braucht. In meinem Umfeld leben viele Soldaten und die finden es einfach "klasse", dass ich ihre Interessen vertrete und ständig ein offenes Ohr für ihre aktuellen Sorgen habe. Die Bundeswehr ist ein Teil unserer Gesellschaft und sollte als solche auch die entsprechende Aufmerksamkeit bekommen.
Die Kombination "Frau – Reservistin – Major – Bundestag" ist nicht häufig anzutreffen: wie betrachten Sie diese Konstellation?
Heutzutage nehmen viele Frauen nicht nur die Rolle der berufstätigen Mutter ein, sondern engagieren sich für ihr Umfeld und streben nach Mitgestaltungsmöglichkeiten. Bei mir mögen meine Interessen tatsächlich eine etwas seltenere Konstellation ergeben haben. Dabei bin ich froh, die Chancen genutzt zu haben, die man mir eröffnet hat. Auch wenn die Mischung mancherorts Erstaunen hervorruft, denke ich, dass diese relativ "neue" Perspektive, die ich einbringe, dem Prozess nur nutzen kann.
Studien zufolge ist das Bild der Frau innerhalb der Truppe "normaler" geworden. Seit dem Jahr der vollständigen Öffnung hat sich der Frauenanteil kontinuierlich erhöht. Wir sind gegenwärtig bei circa acht Prozent der Zeit- und Berufssoldaten – das bedeutet einen Zuwachs von sechs Prozent. Im Verteidigungsausschuss des Bundestages sind immerhin neun von 31 Mitgliedern weiblich. Hier erachte ich nicht nur einen möglichst hohen Frauenanteil für wichtig, sondern dass auch viele Abgeordnete möglichst enge Verbindungen und Erfahrungen mit der Truppe gemacht haben, sei es als Reservist oder durch dienstliche Veranstaltungen zur Information (sogenannte InfoDVag).
Welche Ziele streben Sie in den kommenden Jahren an? Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Entwicklung?
Selbst wenn meine Zeit im Bundestag eines Tages endet, bleibe ich natürlich weiterhin beim Reservistenverband engagiert und möchte mich auch als Mitglied des Deutschen Bundeswehrverbandes weiter um die Modernisierung und Optimierung der Verhältnisse in der Bundeswehr und für unsere Soldatinnen und Soldaten einsetzen. Mit meinen beruflichen Fähigkeiten und umfassenden Erfahrungen in vielen Bereichen wird ein weiterer beruflicher Lebensabschnitt nach meiner Abgeordnetentätigkeit mit neuen Herausforderungen auf mich warten. Als Politikerin aus Leidenschaft werde ich selbstverständlich auch der Politik nicht ganz den Rücken kehren und mich als Ratsfrau vor allem für meine Heimatstadt Wunstorf und in der Region Hannover weiterhin einsetzen.
Frau Brüning, vielen Dank für das Gespräch.