„Wie läuft das mit dem Neuen Wehrdienst, Herr Minister?“
Um über die Chancen des Neuen Wehrdienstes zu diskutieren, aber auch um sich ein Stimmungsbild über die Ängste und Sorgen der jungen Generation zu machen, hat der Reservistenverband Verteidigungspolitiker mit Schülerinnen und Schülern zusammengebracht.
Mit dem Neuen Wehrdienst reagiert Deutschland auf die veränderte geopolitische Lage. Die Wiedereinführung der Wehrerfassung und der Wehrüberwachung sollen langfristig den Aufbau einer personell starken und gut ausgebildeten Reserve forcieren. Die Bundeswehr legt den Fokus damit ganz klar auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Doch wie denken diejenigen darüber, die es letzten Endes betrifft? Hat die junge Generation ein Bewusstsein für die Sicherheitslage? Und wäre sie im Zweifel bereit, Deutschland zu verteidigen? Was macht ihnen Angst, was Hoffnung? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat der Reservistenverband heute Abend in Berlin Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit gegeben, mit Verteidigungspolitikern und Jugendoffizieren ins Gespräch zu kommen.
Auch wenn die Umsetzung des vom Kabinett beschlossenen Gesetzesentwurfs zum Neuen Wehrdienst nach dem Ende der Ampel-Regierung und den für Februar 2025 geplanten Neuwahlen derzeit ungewiss ist, möchte Verteidigungsminister Boris Pistorius die gesamtgesellschaftliche Diskussion vorantreiben. Der von ihm vorgelegte Entwurf sieht im Kern einen Wiederaufbau der Wehrerfassung und der Wehrüberwachung vor: Wer wäre überhaupt verfügbar? Dazu sollten alle 18-Jährigen einen Fragebogen bekommen. Junge Männer müssen, junge Frauen können den Bogen ausfüllen und zurückschicken – wir berichteten. Das wäre aber auch der einzige Pflichtteil. Nach dem Vorbild der skandinavischen Länder könnte die Bundeswehr dann aus den Motiviertesten und den Fähigsten eines Jahrgangs auswählen. Mehr wäre in der Legislaturperiode bis September 2025 ohnehin nicht möglich gewesen. Und mehr Kapazitäten hätte die Truppe auch nicht. Über diese limitierenden Faktoren hatte Pistorius bereits im Oktober bei einem Vortrag in Köln gesprochen – wir berichteten. Schließlich sollen die Wehrdienstleistenden ihre Zeit nicht einfach absitzen, sondern den Dienst als Chance begreifen, etwas zu erlernen, was ihnen auf dem späteren Lebensweg nützt.
„Die Bundeswehr verändert sich gerade an vielen entscheidenden Stellen. Und das musste sie auch, nachdem wir 35 Jahre Friedensdividende genossen haben. Es geht jetzt wieder um Landes- und Bündnisverteidigung und die Lage erfordert, dass wir schnell und entschlossen handeln“, sagte Pistorius. „Gerade in einer Welt, die sich verändert und uns vor gewaltige Herausforderungen stellt, müssen wir bereit sein und wenn wir es nicht sind, müssen wir uns bereit machen.“ Genau dort setzt der Minister an: Wehrüberwachung ist die erste Priorität. Denn im Ernstfall wüsste der Minister gar nicht, wen er einberufen kann. „Es ist im Grunde verfassungsrechtlich ein Skandal, dass Wehrerfassung und Wehrüberwachung bei der Aussetzung der Wehrpflicht mit über die Wupper gegangen sind. Wir müssen wieder wissen, wer da draußen ist und wen wir einberufen können“, sagte Pistorius. Vor den mehr als 120 Schülerinnen und Schülern machte er deutlich: „Was wir heute wollen, ist ein Wehrdienst, der für die jungen Männer und Frauen einen Mehrwert bietet. Wir wollen die Besten von denen, die zu uns wollen.“ Nur mit Geld ließen sich das Bündnis und unsere freie Gesellschaft nicht verteidigen. „Es braucht Menschen, die bereit sind, sie zu verteidigen!“
Auch wenn es ein Blick in die Glaskugel ist, so kann man sich doch recht sicher sein, dass die neue Bundesregierung – in welcher Zusammensetzung auch immer – das Thema Wehrdienst auf dem Zettel hat und Pistorius‘ Planungen weiterführen wird. „Ich glaube, wir müssen darüber diskutieren, ob wir ohne eine Wehrpflicht wirklich verteidigungsfähig werden. Der Minister hat mit seinem Vorschlag, eine Wehrerfassung wiederaufzubauen, einen ersten Aufschlag gemacht, doch ich glaube wir brauchen noch mehr“, sagte der Präsident des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg. „Dass an diesem Abend Minister Boris Pistorius, Staatssekretär Nils Hilmer und der Stellvertreter des Generalinspekteurs, Generalleutnant Andreas Hoppe, anwesend waren, zeige wie hoch das Thema im Verteidigungsministerium angesiedelt ist. Darum freue ich mich ganz besonders, am heutigen Abend mit denjenigen zu diskutieren, die es im Kern betrifft, also den heutigen Schülerinnen und Schülern“, sagte Sensburg.
Die löcherten den Minister mit Fragen, wie sie sonst wohl nur die Jugendoffiziere in den Schulen zu hören bekommen – allen voran zur geopolitischen Gesamtlage. Aber auch detailliert zum Neuen Wehrdienst: Kann man den Fragebogen digital beantworten? (Ja, kann man.) Und warum ist die Beantwortung nur für junge Männer verpflichtend, für Frauen aber nicht? (Weil es dazu eine Änderung des Grundgesetzes braucht, was so wohl nicht umsetzbar gewesen wäre.) Warum werden nicht mehr als die geplanten 5.000 Männer und Frauen eingezogen? (Weil dazu momentan die Kapazitäten nicht ausreichen.)
Einer, der nicht freiwillig zum Bund gegangen ist es, es im Nachhinein aber nicht bereut hat, ist Staatssekretär a.D. Dr. Peter Tauber. Was ihn neben Kameradschaft und Verbundenheit besonders angepiekst hat: „Meine Vorgesetzten haben mir etwas zugetraut und ich habe gemerkt: Ich kann mehr als ich dachte. Das ist eine tolle Erfahrung, die ich auch anderen Menschen zumuten würde“, sagte der bekennende Reserveoffizier bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Neben ihm standen der Stellvertreter des Generalinspekteurs und Beauftragte für Reservistenangelegenheiten, Generalleutnant Andreas Hoppe, der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Bundeswehr-Uni in München, Jugendoffizier Hauptmann David Matei, die Chefin der 11. Inspektion der Marinetechnikschule in Parow Kapitänleutnant Katja Faupel sowie Verbandspräsident Sensburg den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort. Moderiert wurde die Veranstaltung von loyal-Redakteurin Julia Egleder und Oberstleutnant d.R. und TV-Moderator Ulrich Meyer.
Am Ende entpuppte sich der „kleine Parlamentarische Abend“ so als eine erfrischend offene und lebhafte Diskussion außerhalb der eigenen Bundeswehr-Blase.
Mehr zum Neuen Wehrdienst auf bmvg.de.