Sicherheitspolitische Arbeit: Digital in die Zukunft
Der Nahostkonflikt ist vielschichtig. Die Sicherheitslage in der Levante bleibt angespannt und könnte in Zukunft weiter eskalieren. Über mögliche Einflussfaktoren informierten sich die Landesbeauftragten für Sicherheitspolitik am 26. Juni - pandemiebedingt handelte es sich um eine Online-Veranstaltung. Ein digitales Bildungsangebot wird auch über die Pandemie hinaus fester Bestandteil der sicherheitspolitischen Arbeit des Reservistenverbandes bleiben.
Die Landesbeauftragtentagung bietet einmal im Jahr ein Forum für den Austausch und für die gemeinsame Planung der sicherheitspolitischen Arbeit der Landesgruppen des Reservistenverbandes und der Bundesebene. Oberst a.D. Joachim Sanden, Vizepräsident für Sicherheitspolitische Bildung, eröffnete die Veranstaltung und blickte dabei auf die vergangenen Monate der Pandemie zurück. Auch die sicherheitspolitische Arbeit des Reservistenverbandes wurde von den Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln stark beeinträchtigt. Vielfach haben Verbandsgliederungen in der Folge aus der Not eine Tugend gemacht und digitale Veranstaltungsformate entwickelt. Auch wenn diese Angebote gut angenommen wurden, stellte Sanden fest, dass der direkte Umgang miteinander durch nichts zu ersetzen sei. Die Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen bei einer weiteren Entspannung der Lage werde aber nicht zur Folge haben, dass es mit der Digitalisierung nun ein Ende habe. „Wir werden in Zukunft versuchen, Kombinationsveranstaltungen anzubieten. Die virtuelle Komponente wird immer mitgedacht und mit durchgeführt“, sagte Sanden dazu.
Bei seiner kursorischen Darstellung der Arbeit auf Bundesebene legte Sanden seinen Fokus auf die Kampagne „Reserve und Demokratie – Wir gegen Extremismus“, die seit der Auftaktveranstaltung im September 2020 mit Veranstaltungen wie zuletzt am 7. Mai zum Thema „Innere Führung und freiheitliche demokratische Grundordnung als Gegenentwurf zu Totalitarismus, Extremismus und Personenkult“ fortgeführt wurde. Die Kampagne findet auch auf Ebene der Landesgruppen und der Untergliederungen ihre Fortsetzung. Herausragende Veranstaltungen in der zweiten Jahreshälfte sind das Sicherheitspolitische Forum Süd zum Thema „Nato 2030: Geeint in ein neues Zeitalter“ am 25. September und das Bundesseminar für Sicherheitspolitik vom 14. bis 17. Oktober in Hannover. Für die Zukunft wünscht sich Sanden einen tiefergehenden Austausch zum Thema Sicherheitspolitik zwischen den Landesgruppen untereinander und der Bundesebene.
Vortrag Nahostkonflikt
Zum Auftakt der Tagung befassten sich die Landesbeauftragten zunächst mit der aktuellen Situation im Nahostkonflikt. Stefan Lukas folgte der Einladung für einen Impulsvortrag. Lukas ist Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Internationale Politik der Universität Jena und Gastdozent an der Führungsakademie der Bundeswehr. Sein Themenschwerpunkt ist die Sicherheitspolitik des Nahen und Mittleren Ostens. Er verdeutlichte die Vielschichtigkeit des Konfliktes und setzte die Rolle der Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern in einen Zusammenhang mit den regionalen und überregionalen politischen Bruchlinien. Für die Zukunft sieht er keine Entspannung der Lage. So verfüge Gaza über eine sehr hohe Bevölkerungsdichte, eine sehr junge Bevölkerung und eine Arbeitslosenquote von 52 Prozent. Die Unzufriedenheit mit der Situation stärke die Position der Hamas. Dabei sei auch auf israelischer Seite eine Radikalisierung zu beobachten, während das demokratische System des Landes in den letzten Jahren gelitten habe. Hinzu komme der Klimawandel, den Lukas als „Game Changer“ bezeichnet. Israel stehe gemäß dem National Waterstress Ranking des World Ressources Institutes an zweiter Stelle derjenigen Länder, die zukünftig am stärksten von Wassermangel betroffen sein werden. Gleiches gelte für die palästinensischen Gebiete, deren Infrastruktur und technische Möglichkeiten jedoch weit hinter denen Israels zurücklägen. Überregional spiele zudem die Frage nach der Fortsetzung des Atomabkommens mit dem Iran eine bedeutende Rolle für die Lageentwicklung.
Pandemie: Lessons Learned
Die Vertreter der Landesgruppen Baden-Württemberg und Niedersachsens sowie des Bundesverbandes an Hochschulen (BSH) stellten den Teilnehmern ihre Erfahrungswerte aus der sicherheitspolitischen Arbeit unter Pandemiebedingungen vor.
Thomas Kramer, der 1. stellvertretende Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, machte die Lessons Learned der Landesgruppe an dem Veranstaltungsformat RESERVE.ON.AIR fest, welches mit den Gästen Kapitän zur See Dirk Jacobus, Kommandeur 4. Fregattengeschwader, und Dirk Bolte, Vorsitzender des Freundeskreises Fregatte Baden-Württemberg, am 8. Juli seine mittlerweile neunte Fortsetzung findet. Die Landesgruppe Baden-Württemberg hat die Erfahrung gemacht, dass eine monatliche Taktung unter Berücksichtigung des mittlerweile breiten digitalen Veranstaltungsangebotes angemessen ist, um interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu erreichen. Die Veranstaltungen beginnen um 19.30 Uhr, da bei einem früheren Beginn potenziell interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer häufig noch verhindert waren. Bei den Online-Veranstaltungen auch interessante Themen der Militärischen Ausbildung aufzugreifen, habe sich aufgrund der eingestuften Unterlagen als nicht durchführbar erwiesen.
Dr. Frank Sabath stellte das niedersächsische Konzept vor. Dieses stützt sich auf die Bausteine Videokonferenzen, virtuelle Veranstaltungen, die Zusammenarbeit mit Bildungsstätten und die Angebote anderer Anbieter. Vor allem regelmäßige Online-Besprechungen mit den Beauftragten seien ein Schlüsselpunkt für die gemeinsame Arbeit, stellte Dr. Sabath heraus. Einen großen Mehrwert in der Pandemie habe vor allem die Kooperation mit Bildungsträgern geboten, da diese auch in der Pandemie ein reduziertes Angebot an Seminaren anbieten durften und eigene Hygienekonzepte hatten.
Lukas Huckfeldt (Bundesvorsitzender) und Désirée Hoppe (stellv. Bundesvorsitzende) trugen für den BSH vor. Der BSH habe eine Zoom-Lizenz erworben, um unter den Voraussetzungen der Kontaktbeschränkungen auch digital arbeitsfähig zu sein. Die Übersetzung vieler Veranstaltungen in digitale Formate sei erfolgreich gewesen, das Interesse daran sei ungebrochen. Ein Vorteil der Online-Veranstaltungen sei, dass der BSH damit auch über die Hochschulgruppen hinaus Teilnehmende erreicht habe. Also problematisch habe sich allerdings das Networking ohne persönlichen Kontakt erwiesen.
Strategischer Themenplan
Weiterhin tauschten sich die Teilnehmenden zum Strategischen Themenplan aus, der für die sicherheitspolitische Arbeit des Reservistenverbandes eine inhaltliche Orientierungshilfe darstellt und zweijährige Gültigkeit besitzt. Als Schwerpunkte für den Zeitraum 2022/2023 wurden folgenden Themen beschlossen: Bundeswehrreform, Weltmacht China, Pandemien und Seuchen als sicherheitspolitische Herausforderungen, Klimawandel. Zum Sicherheitspolitischen Themenplan 2022/2023.
Prof. Dr. Edgar Strauch, Vizepräsident für Mitgliedergewinnung und -service, ergriff die Gelegenheit, bei der Landesbeauftragtentagung für ein neues Feld der sicherheitspolitischen Arbeit zu werben: Gesundheit. Während der Mediziner als Gast zugeschaltet war, warb er dafür, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Pandemie das Thema Gesundheit als strategischen Sicherheitsfaktor zu sehen: „Ein möglicher Aggressor wäre durch die Manipulation der Gesundheit in der Lage, uns zu schaden.“ Ziel sei es, dass Thema aus militärischer Perspektive zu beleuchten und im Diskurs als gleichwertig zu den anderen Dimensionen des Krieges zu verankern. Diesen Impuls möchte der Arbeitskreis Sanitätsdienst des Reservistenverbandes zukünftig geben.
Dieser Text stammt aus dem Sicherheitspolitischen Newsletter des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Diesen können Sie hier abonnieren.