Chinas Ambitionen im Indopazifik waren Thema beim Sicherheitspolitischen Forum des Reservistenverbandes. Unter der Moderation von loyal-Journalistin Julia Egleder suchten die Referenten Dr. Moritz Brake, Dr. Eva Seiwert und Dr. Josie-Marie Perkuhn nach Antworten auf die Frage, ob Chinas Gebaren eine Gefahr für den Westen darstellt. „Neben der Fokussierung auf Russland und die Ukraine dürfen wir den Rest der Welt nicht vergessen“, ordnete der Präsident des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg, das Thema ein. „Die Briten sprechen von einer epochenfüllenden Herausforderung in ihrer Strategie.“ Und auch für Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist der asiatisch-pazifische Raum näher, als es auf dem Globus vielleicht aussehen mag.
„Die vitale Verteidigung unserer Interessen findet nicht nur in Nord- und Ostsee statt. Uns betrifft es ganz konkret, wenn unsere Handelswege bedroht werden, etwa durch einen Konflikt in Asien, an dem China beteiligt ist. Die wirtschaftlichen Folgen wären viel gravierender als die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine“, sagte Dr. Moritz Brake. Er ist Korvettenkapitän d.R. und Experte für Militär und maritime Sicherheit am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS), ein interdisziplinäres Forschungszentrum der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Bereich der strategischen Außen-, Europa- und Sicherheitspolitischen Forschung.
Eskalation wäre Krisenfall für die ganze Welt
Aus diesem Blickwinkel ordnete er auch die Durchfahrt von zwei deutschen Marineschiffen durch die Taiwanstraße vor einer Woche ein. „Es geht hier nicht um militärische Drohgebärden, sondern darum, Präsenz zu zeigen.“ In diesem Zusammenhang verwies er auch auf Heer und Luftwaffe, die sich in den vergangenen Jahren an internationalen Übungen im pazifischen Raum beteiligt hatten. „Wir bauen Verbindungen auf. Diese Präsenz macht uns zu spürbaren und sichtbaren Partnern in der Region.“ China sei eben nicht nur Handelspartner und wirtschaftlicher Konkurrent, sondern harter systemischer Rivale und machtpolitischer Akteur. Das Verhalten Pekings wäre „riskant und problematisch. Wenn diese Situation eskaliert, sitzen wir in einem riesigen Krisenfall für die ganze Welt.“
Dr. Josie-Marie Perkuhn bemühte sich um einen vermittelnden Blick, der auch die chinesischen Interessen einschließt. Sie ist Non-Resident Fellow am Institut für Sicherheitspolitik in Kiel und Leiterin des Projekts „Taiwan als Pionier“ (TAP) an der Universität Trier. Sie sagt, Peking habe die deutsche Präsenz als verlängerten Arm der NATO verstanden. „Dennoch ist es wichtig, die Grenzen ganz klar zu definieren. Dazu gehört eben auch die Achtung freier Gewässer oder die Integrität Taiwans.“
Den anderen Blickwinkel einnehmen
Nichtsdestotrotz sieht China Taiwan als abtrünnige Provinz. Eine Invasion steht laut Dr. Eva Seiwert zwar nicht unmittelbar bevor. „Aber man muss auch die Faktoren Nationalismus und Irrationalismus mit bedenken.“ Xi Jinping hat bereits das Jahr 2049 als Ziel genannt, zum 100-jährigen Bestehen der Volksrepublik soll China eine Weltmacht sein. Dazu gehöre mit Sicherheit auch die Taiwan-Thematik. Seiwert ist Analystin am Mercator Institute for China Studies (MERICS). Mit mehr als 20 internationalen Experten aus Europa, den USA und Australien ist MERICS das derzeit das größte europäische Forschungsinstitut, das sich ausschließlich mit der Analyse des aktuellen Chinas und seiner Beziehungen zu Europa und der Welt beschäftigt.
„Wir müssen im Umgang mit China unsere Blauäugigkeit ablegen“, appellierte Brake und warnte vor einem zweiten Ukraine-Szenario. Aus westlicher Sicht sei es irrational gewesen, dass Russland die Ukraine angreift. „Aber aus deren Blickwinkel hat es Sinn ergeben, sonst hätten sie es nicht getan.“ China wolle seine Fähigkeiten bis 2027 soweit aufgebaut haben, um zumindest zu einer Invasion Taiwans in der Lage zu sein. Schon jetzt verfügt China über die größte Marine der Welt.
Selbstbewusst auftreten
Um den chinesischen Blick auf die Welt, um das strategische Interesse an der Arktis und um Chinas Verhältnis zu Russland und der Ukraine ging es im weiteren Verlauf der Diskussion. „Kein komplettes wirtschaftliches Entkoppeln von China, aber im EU- und NATO-Verbund selbstbewusst auftreten und für unsere regel- und wertebasierte Weltordnung einstehen“, fasste Moderatorin Dr. Julia Egleder zusammen.
Thematisch baute das Sicherheitspolitische Forum auf dem Side-Event zur Münchner Sicherheitskonferenz auf. Neu war das Format der Veranstaltung als reine Online-Übertragung. Der Reservistenverband nutzte hier die Studiotechnik der Digitalen Ausbildungen, das spart Reisekosten und Saalmieten. Fazit hinter den Kulissen: „Premiere geglückt. Kurze Unterbrechungen beim Ton nehmen wir als Lerneffekt mit, aber wir haben eine Basis, auf der wir aufbauen können.“