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Macht der Militärdienst junge Männer unsozialer? Dieser Frage gingen Forscher der Universitäten in St. Louis (USA) und Tübingen nach. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Militärdienst junge Männer in ihrer Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst. Wehrdienstleistende seien "dauerhaft aggressiver und unkooperativer" als Zivildienstleistende, schreibt die Welt über die bereits 2012 durchgeführte Studie. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit.

Wir haben einen Experten dazu befragt: Sind ehemalige Wehrdienstleistende, also die Reservisten von heute, tatsächlich so unsozial, wie es in der Welt dargestellt wird?

"Zunächst ist es so, dass der Welt-Artikel die Studie relativ verzerrt, einseitig interpretiert. In der wissenschaftlichen Studie wird nicht von der Eigenschaft 'sozial – unsozial' gesprochen. Die Studie behauptet auch nichts von 'dauerhaft', sondern die Befunde beruhen auf vier Messzeitpunkten über sechs Jahre hinweg. Das sind schon ausreichende Gründe, dem Welt-Artikel keinen großen Glauben zu schenken", sagt Prof. Dr. Wolfgang Mack. Der Psychologe ist Leiter der Arbeitsgruppe für Psycho-Soziale Kameradenhilfe (PSKH) beim Reservistenverband und lehrt Psychologie an der Bundeswehr-Uni in München.

Datenerhebung mit dem Fragebogen
Auch an der Durchführung der Studie hat der Experte seine Zweifel. "Alle Daten beruhen auf einem Persönlichkeitsfragebogen, der nur Selbsteinschätzungen erfasst, etwa 'Ich versuche zu jedem, dem ich begegne, freundlich zu sein', wobei man den Aussagen abgestuft zustimmen oder diese ablehnen kann", sagt Mack. Und weiter: "Aus diesen Selbsteinschätzungsdaten kann man über das statistische Verfahren der Faktorenanalyse die Einschätzungsdaten zu wenigen Klassen oder 'Persönlichkeitsfaktoren' klassifizieren. Inhaltlich vergleicht man dann solche Aussagen wie gerade genannt, die in einer Klasse sind und gibt ihnen einen Namen für einen Persönlichkeitszug, von dem man glaubt, dass er das Gemeinsame der Behauptungen am besten beschreibt."

Stichproben nicht wirklich repräsentativ
Die Studie ließe zudem nur Aussagen über eine Stichprobe zu, keine über ein Individuum. "Diese ist relativ repräsentativ und der Vergleich junger Männer, die Militärdienst machten und die zum Zivildienst gehen, ist methodisch gut gesichert, da beide Stichproben gepaart wurden was soziodemographische Daten betrifft", so Mack. "Allerdings haben alle Männer Abitur, so dass die Stichproben nicht repräsentativ sind, nicht alle Soldaten und Zivildienstleistenden haben Abitur und sind männlich."

"Ein Sanitätssoldat macht andere Erfahrungen als ein Infanterist"
Ein weiterer Befund mit nur einer Stichprobe war, dass auch nach zwei weiteren Messzeitpunkten innerhalb von vier Jahren nach Dienstzeitende die Männer der Militärdienststichprobe sich immer noch signifikant als weniger verträglich einschätzten als die Männer der Vergleichsstichprobe Zivildienst. Mack: "Das ist ein interessanter Befund, der aber nicht überbewertet werden darf. Dazu müsste man mehr wissen, was genau diese Selbsteinschätzungsmuster verursacht, die summarische Aussage 'Militärdienst' ist ungenau. Das räumen auch die Autoren alles ein. Hinzu kommt, dass nicht klar ist, welche Erfahrungen des Militärdienstes dabei welche Rolle spielen, ein Sanitätssoldat hat andere als ein Infanterist oder als ein Stabsdienstsoldat."

"Sehe Fragebogenforschungen kritisch"
Die Autoren sagen auch, dass es sein könnte, dass der Militärdienst bestimmte Erfahrungen nicht ermöglicht hat. Auf der anderen Seite reifen die Soldaten und die Zivildienstleistenden in gleichem Muster wie die Menschen, die keine Art von Dienst leisteten. "Es ist bekannt, dass junge Erwachsene auf dem Weg zum höheren Lebensalter verträglicher werden, offener für Erfahrung, weniger neurotisch, und das gilt für beide Stichproben, nur dass die Soldaten eben mit der Verträglichkeitsselbsteinschätzung unter der der Vergleichsstichprobe liegen. Man wird dazu noch mehr forschen müssen. Definitiv kann also nicht von 'dauerhaft' die Rede sein. Und, wie gesagt, das sind alles Daten, die auf Selbsteinschätzungen beruhen und niemand weiß, ob diese Daten mit Fremdeinschätzungen hoch korrelieren würden und wie sich diese Männer tatsächlich verhalten, denn die eigentlich interessanten Verhaltensdaten gab es in der Studie nicht. Es gibt nicht wenige Kollegen, die für solche Fragebogenforschungen nicht allzu viel übrig haben, ich sehe das auch kritisch und es ist ein Nachteil für die psychologische Forschung, dass die Selbsteinschätzungsdaten viel häufiger erhoben werden als tatsächliche Verhaltensdaten, aber letzteres ist erheblich mühsamer, teurer, erlaubt weniger Publikationen, kann nur in größeren Forschungsgruppen realisiert werden und ist daher manchmal sogar bedrohlich für die Karriere junger Wissenschaftler. Aber solche Daten wären dringend nötig."

(red / spe)

Symbolbild oben:
Wehrdienstleistender mit MG3 auf dem Übungsplatz.
(Foto: Bundeswehr/Wilke via flickr.com)

Bild unten:
Prof. Dr. Wolfgang Mack, der Psychologe ist Leiter
der Arbeitsgruppe PSKH beim Reservistenverband.
(Foto: Andelka Krizanovic)

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