„Soldaten sind keine Entwicklungshelfer!“
Christian Jetzlsperger beschäftigt sich im Auswärtigen Amt unter anderem mit fragilen Staaten. Sein Referat ist federführend zuständig für die Erarbeitung neuer Leitlinien für das Krisenengagement der Bundesregierung. Am Rande einer Podiumsdiskussion rund um das Thema Krisenprävention und Rüstungskontrolle beantwortet er Fragen zur zivil-militärischen Zusammenarbeit (Cimic) der Bundeswehr in ihren Einsatzgebieten. Dort fördert die Truppe auch Projekte wie zum Beispiel Brunnenbau.
reservistenverband.de: Können Soldaten der Cimic-Kräfte als Entwicklungshelfer bezeichnet werden?
Christian Jetzlsperger: Nein. Soldaten sind keine Entwicklungshelfer. Sie haben in aller Regel nicht die Ausbildung, um sich entwicklungspolitisch zu betätigen, und sie handeln auch nicht im Rahmen eines entwicklungspolitischen Konzepts, sondern sind Teil einer militärischen Operation. Es gibt gute Gründe dafür, warum wir spezialisierte Organisationen haben, die Entwicklungszusammenarbeit vor Ort umsetzen, zum Beispiel die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), das Technische Hilfswerk (THW) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
reservistenverband.de: Woran machen Sie das fest?
Jetzlsperger: Entwicklungspolitik ist auf Nachhaltigkeit angelegt und zielt darauf ab, Lebensbedingungen langfristig zu verbessern und Strukturen zu verändern. Das kann nicht von Soldaten geleistet werden, die ein sehr beschränktes und auch zeitlich begrenztes Mandat des Bundestags zu vollziehen haben. Dem stehen einzelne Cimic-Maßnahmen zur Umfeldstabilisierung nicht im Wege. Das ist jedoch noch keine Entwicklungspolitik. Das Cimic-Konzept der Bundeswehr selbst beschränkt Projekte genau darauf: auf lokale Nachfrage zu reagieren, und zwar dort, wo eben noch keine Hilfe ziviler Akteure greift.
reservistenverband.de: Viele Soldaten der Bundeswehr sind der Auffassung, dass auf den Afghanistan-Einsatz kein sinnvolles Konzept für die Zeit danach gefolgt ist. Insbesondere die Arbeit der Cimic-Kräfte sei daher umsonst gewesen – was sagen Sie dazu?
Jetzlsperger: Das sehe ich anders. Ich war selbst von 2009 bis 2011 in Afghanistan an der Botschaft in Kabul. Die zivil-militärische Zusammenarbeit war äußerst eng. Wir hatten ständigen Austausch mit den Kameraden der Bundeswehr, die im Isaf-Hauptquartier eingesetzt waren. In den PRTs (deutsch: Regionale Wiederaufbauteams) unter deutscher Führung gab es immer eine Doppelspitze: einen militärischen Kommandeur und einen zivilen Leiter aus dem Auswärtigen Amt. Man muss sich letztlich von vornherein darauf verständigen, welche Maßnahmen in welcher Phase eines Konflikts an welchem Ort sinnvoll und notwendig sind.
reservistenverband.de: Haben Sie ein aktuelles Beispiel dazu?
Jetzlsperger: Wir haben jetzt beispielsweise den Fall, dass im Irak eine internationale Koalition die irakischen Streitkräfte dabei unterstützt, das Land vom sogenannten Islamischen Staat zu befreien. Und wir stellen erneut fest, dass es extrem wichtig ist, genau zu wissen, in welche Richtung militärische Planungen gehen, wenn im Anschluss zivile Stabilisierungsmaßnahmen greifen sollen. Stabilisierung ist darauf ausgelegt, dass die Maßnahmen schnell greifen, dass die Bevölkerung schnell das Gefühl hat, dass es ihr besser geht als in der Vergangenheit unter der IS-Herrschaft. Deswegen ist es ja so wichtig, dass Planungen miteinander abgestimmt werden. Frühzeitige gemeinsame Planungen von Exit-Strategien und eine Übergabe an zivile Kräfte sind hier zentral.
Das Interview führte Livianne Smukalla
Symbolbild oben: Ein deutscher Soldat kontrolliert die
Trinkwasserqualität (Archivfoto: Bundeswehr, Wolfgang Marx).
Bild unten: Christian Jetzlsperger spricht beim diesjährigen
PeaceLab in Heidelberg. Am Rande der Veranstaltung
wurde das Interview geführt (Foto: Johannes Kummerow).