Sondervermögen der Bundeswehr: Das sind die Forderungen für die Reserve
100 Milliarden Euro ist eine Zahl mit elf Nullen. Diese fast unvorstellbare Summe will die Bundesregierung in die Bundeswehr investieren. Landes- und Bündnisverteidigung ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine das Gebot der Stunde. Wie viele Nullen des Sondervermögens sollen für die Reserve übrigbleiben? Der Präsident des Reservistenverbandes hat dazu klare Forderungen.
Der 24. Februar bedeutete für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine Zäsur. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine zeigt, dass die Anforderungen an die Streitkräfte im Rahmen der Bündnisverteidigung groß sind. Eine einsatzbereite und kampffähige Bundeswehr kostet Geld. Es gilt, Beschaffungsprozesse zu beschleunigen. Großgerät muss schnellstmöglich beschafft werden. Doch bedarf eine starke Bundeswehr ebenso einer starken und leistungsfähigen Reserve, die die Aufwuchs- und Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte – also die Resilienz – gewährleistet.
Eine einsatzbereite Bundeswehr zur Verteidigung der EU-Außengrenzen wird es nicht ohne eine einsatzbereite Reserve geben. Aus diesem Grund fordert der Präsident des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Professor Dr. Patrick Sensburg eine solide Ausrüstung für Reservistinnen und Reservisten und nicht weniger als ein Prozent des Sondervermögens für die Reserve.
Das entspräche einer Investitionssumme von einer Milliarde Euro on top für die Reserve – eine Zahl mit neun Nullen. „Jeder Reservist sollte entsprechend seines Dienstpostens mit dem Material und der notwendigen Ausrüstung ausgestattet sein“, sagt Sensburg. Hierzu zählen unter anderem Waffen, Fahrzeuge und die persönliche Ausrüstung. Wofür diese Summe verwendet werden soll, darüber gibt es klare Vorstellungen.
Die Forderungen im Einzelnen
Erstens: Angesichts der angespannten Personallage der Bundeswehr und den zu erwartenden Engpässen gerade bezüglich der in der Ausbildung im Heimatschutz zusätzlich benötigten Soldaten hält der Reservistenverband eine Erhöhung der Stellen für Reservisten auf jährlich mindestens 10.000 für ratsam.
Zweitens: Der Reservistenverband sollte unter den Aspekten der Kosteneinsparung und der Fähigkeitstransfers und des Fähigkeitserhalts mit seinen mehr 100.000 ehrenamtlichen Mitgliedern und seinem geschulten hauptamtlichen Personal in den Betrieb der zukünftigen Ausbildungsstützpunkte für die Reserve (Personal und Infrastruktur) aktiv eingebunden werden.
Drittens: Die Zug- und Gruppenebene im Reservistenverband ertüchtigen. Das bedeutet eine flächendeckende militärische Ausbildung in Form einer militärischen Simulationsausbildung (MilSim), bei der Konfliktszenarien live eingespielt werden können und mit einem mobilen Schießsimulator.
Viertens: Um die aktive Truppe beispielsweise nach der regulären Dienstzeit und am Wochenende in der Durchführung der Ausbildung mit Personal zu entlasten, schlägt der Reservistenverband eine Überlassung von Schießstätten in den Betrieb durch den Reservistenverband vor. Somit kann der Reservistenverband einen wichtigen Beitrag zu einem flächendeckenden und nachhaltigen Erhalt der Schießfähigkeiten von aktiven Soldaten und Reservisten leisten.
Fünftens: Um die flächendeckende Struktur des Reservistenverbandes zur angemessenen Betreuung der aktiven Reservisten zu gewährleisten zu können, sind zusätzliche Geschäftsstellen und Personal im überschaubaren Rahmen unbedingt notwendig, nicht zuletzt auch in den Neuen Bundesländern.
Sechstens: Der aktuelle Konflikt in der Ukraine zeigt einmal mehr, dass die Fähigkeit zur Cyber-Kriegsführung auch kriegsentscheidend sein wird. Hier gilt es, die enormen und bisher bereits durch den Reservistenverband erfassten Kompetenzen und Potentiale an der Schnittstelle zwischen ziviler und militärischer Expertise in der Reserve gezielt für die Bundeswehr zu bündeln und weiter professionell auszubauen. Der Reservistenverband benötigt dafür die notwendigen Mittel, um geeignetes Personal im Bereich Cybersicherheit in Übung halten zu können.
Siebtens: Bei der bereits bestehenden Zusammenarbeit zwischen dem Reservistenverband und dem Kommando Sanitätsdienst gilt es, die enormen und bisher bereits durch den Reservistenverband erfassten Kompetenzen und Potentiale an der Schnittstelle zwischen ziviler und militärischer Expertise in der Reserve gezielt für die Bundeswehr zu bündeln und weiter professionell auszubauen. Dazu benötigt der Reservistenverband ebenfalls die notwendigen Mittel, um Reservisten des Sanitätsdienstes in den Strukturen der Reservistenarbeitsgemeinschaften Sanitätsdienst in Übung halten zu können.
Achtens: Die jüngsten inländischen Krisen offenbarten die Notwendigkeit zur Steigerung der Resilienz im Sinne der Krisenvorsorge und Krisenbewältigung. Hier sollte der Verband in die Strukturen der Bezirks- und Kreisverbindungskommandos mit Personal, Material und Infrastruktur eingebunden werden, da er hier besonders die zivil-militärischen Expertisen seiner Mitglieder synergetisch einsetzen und gesellschaftlich nachhaltig verankern kann.
Neuntens: Schließlich ist die umfassende Ertüchtigung der Reserve insgesamt und des Verbandes in seiner digitalen und IT-Infrastruktur unbedingt erforderlich, um den aktiven Streitkräften als professioneller Partner in der zeitgemäßen Betreuung und Weiterentwicklung des Potentials der Reserve allgemein und den Mitgliedern im Besonderen militärisch effizient, gesellschaftspolitisch einflussreich und wirtschaftlich vorteilhalt zur Seite stehen zu können.
Ziel ist eine vollausgestattete Reserve
Der Reservistenverband wird sich mit diesen Forderungen im Verteidigungsministerium stark machen. „Wir brauchen bereits jetzt eine vollausgestattete Reserve, um die Truppe wirksam unterstützen zu können und im Ernstfall bereit zu sein“, sagt Verbandspräsident Patrick Sensburg.